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Ausflug im Ford Expedition

Wahre Größe

Fahrberichte Marcel Sommer
Ford

Gegen Autos vom Schlage eines Ford Expedition wirken selbst ausgewachsenen Luxuslimousinen aus Europa zierlich. Dabei waren wir nicht einmal mit der XL-Version unterwegs. Ein Ausflug mit einem wirklich großen Auto

Es gibt eine alte Formel, nach der ein Auto mit jedem Modellwechsel etwas wachsen muss, um weiterhin erfolgreich zu sein. Das hat dazu geführt, dass ein aktueller Golf rund 25 cm länger ist als ein Golf aus den 1990er-Jahren, der heutige BMW 3er ist fast so lang wie ein BMW 5er vor 25 Jahren. Gegen amerikanische Dimensionen wirken selbst die längsten Europäer zierlich, wie ein kleiner Ausflug mit einem Ford Expedition überdeutlich zeigt.

Hinter den gewaltigen Türen, die an Tore erinnern, kommt etwas besonders zum Vorschein. Nicht, dass man angesichts der äußeren Dimensionen von 5,23 m nicht ernsthaft damit gerechnet hätte, doch die die Weite des Innenraums verblüfft. Beim Ford Expedition geht die Sache mit dem Platz soweit, dass entweder bequem bis zu acht Personen oder 3067 Liter Gepäck hineinpassen. Zwischen den Achsen misst der Ford 3 Meter – ähnlich viel bietet erst eine Mercedes S-Klasse. Großgewachsene Mitfahrer werden hinten eher über eine zu geringe Kopffreiheit als über fehlende Beinfreiheit meckern. Da müsse selbst Vans vom Schlage eines VW Sharan passen. Wer sich für die XL-Version, beziehungsweise im Ford-Jargon EL-Version, entscheidet, kann dank einer auf 5,61 Meter verlängerten Karosserie bis zu 3704 Liter mitschleppen.

Ecoboost?

Für den Antrieb des 2,6 Tonnen schweren und mindestens 45.000 Euro teuren Amerikaners kommt ein 3,5 Liter großer V6-Benziner zum Einsatz, der auch den F150 antreibt. 370 PS und 570 Nm haben zu keinem Zeitpunkt Schwierigkeiten mit dem amerikanischen Dickschiff. Wenn die potenzielle Anhängelast von 4,17 Tonnen ans Heck geschnallt wird, wird sich das natürlich ändern. Der Verbrauch ist auch ohne diese zusätzliche Last von einer anderen Welt, was angesichts von 2,6 Tonnen Leergewicht und einem 3,5-Liter-Benziner wohl auch keiner anders erwartet hat. Schon die Werksangabe liegt beim Allradmodell bei 16 mpg, was 14,7 Litern entspricht. Werte darunter sollte keiner ernsthaft erwarten. Dass die Amerikaner auf diese Maschine „EcoBoost“ schreiben, zeigt erstens einen speziellen Humor und zweitens eine in dieser Hinsicht noch dunklere Vergangenheit.

Die Motorleistung wirkt auch deshalb mehr als ausreichend, weil das Fahrwerk eher den amerikanischen als den europäischen Vorlieben entspricht. Daran ändert auch die mögliche Verstellung des Fahrwerks nichts: Wer Kurven unbedingt in flottem Tempo durcheilen will, ist vermutlich mit jedem anderen Fahrzeug diesseits eines Transporters besser bedient. Sollten Mitfahrer bei kurvigen Fahrten über Seekrankheit klagen, sollten sie ernst genommen werden. Zumindest der Geradeauslauf ist besser, als es die typisch amerikanisch-schwammige Lenkung auf den ersten Metern vermuten lässt.

Die gewaltigen Ausmaße machen deutlich, dass der Ford Expedition nicht für europäische Innenstädte gemacht ist. Selbst großzügig geschnittene Parkhäuser wirken mit ihm plötzlich verdammt eng. Doch ihm das vorzuwerfen, fällt schwer, denn das bei seiner Konstruktion andere Dinge im Vordergrund standen, ist offensichtlich. Der Ford Expedition ist, bei gut gefüllter Urlaubskasse, ein Mietwagen, der kaum Wünsche offen lässt. Wer nach ein paar Tagen mit ihm wieder in ein für europäische Verhältnisse halbwegs normal geschnittenes Auto umsteigt, wird wohl selbst eine Mercedes E-Klasse enorm handlich finden.

[Hinweis 8. Februar 2016]

Wir sind durch einen Leser auf einen Fehler bei der Verbrauchsberechnung hingewiesen worden: Ford rechnet mit US Gallonen. 16 mpg entsprechen nicht, wie hier ursprünglich geschrieben, 17,7 Liter/100 km, sondern 14,7 l/100 km. Der Text wurde an dieser Stelle korrigiert.


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