Fahrbericht Ford Focus 1.0 Ecoboost

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Modellablösezeit in der Kompaktklasse: Mercedes brachte jüngst die neue A-Klasse, Kia den Ceed. Volkswagen hat letztes Jahr noch ein letztes Mal den Golf aufgefrischt, bevor bald die achte Generation folgt und BMW steht mit dem neuen 1er auch bereits kurz vor dem Modellwechsel. Ford steht zeitlich betrachtet also eher irgendwo im Mittel dieser Neuheitenflut und so fühlt es sich auch ein wenig an: der große Sprung bleibt aus, es ist mehr eine behutsame Evolution, wenn man vom Blechkleid mal absieht.

Tiefer, breiter, länger

Denn äußerlich betrachtet hat sich der Focus auf den ersten Blick deutlich verändert. Länger, breiter und flacher ist er geworden. Das wirkt nicht nur auf Grund des schnittigeren Designs so, sondern lässt sich auch in Zahlen ablesen: 18 Millimeter länger ist er geworden (als Turnier sogar 108 Millimeter), während er 15 Millimeter an Höhe verloren hat (20 Millimeter beim Turnier) und in der Breite vernachlässigbare 2 Millimeter zugelegt hat. „Die werden immer größer!“, heißt es nun zwar wieder – was auch stimmt – dafür gibt's allerdings auch mehr Platz. Mit 918 Millimetern Beinfreiheit im Fond bietet der Focus beispielsweise mehr Platz, als der aktuelle VW Golf mit 903 Millimetern. Der Focus profitiert davon, dass beim überschaubaren Zugewinn in der Fahrzeuglänge vor allem der Radstand um 5 Zentimeter in die Länge wuchs.

Die Kofferraumklappe wurde breiter, die sind Rückleuchten nun zweigeteilt. Beim Turnier wurde zudem die Position der hinteren Stoßdämpfer angepasst, um eine 8 Zentimeter breitere Ladefläche zu ermöglichen. Die Rückbank kann klassenüblich zweigeteilt (60:40) umgeklappt und optional auch mit einer Durchladefunktion ausgestattet werden.

Luftigkeit statt großer Dashboard-Mauer

Neben dem frischen Äußeren erfuhr der Focus vor allem im Cockpit eine dringend notwendige Komplettüberarbeitung. Das erschlagend große und hohe Armaturenbrett flog endlich raus und mit ihm auch etliche Schalter und Tasten. Das Cockpit ist nun ähnlich kompakt, wie man es von Hyundai i30 oder Kia Ceed kennt. Das Armaturenbrett ragt dabei nicht mehr so tief in den Innenraum, ermöglicht damit ein luftigeres Raumgefühl und die in der Summe überschaubaren Knöpfe sind in wenigen horizontalen Clustern gruppiert, um die Übersichtlichkeit zu verbessern.

Viele empfinden es eher als störend, doch auch im Focus findet das Infotainmentdisplay einen leicht abgesetzt stehenden Platz. Gern wird kritisiert, es schaue aus, als hätte man im letzten Entwicklungsschritt festgestellt, dass noch irgendwo ein Display untergebracht werden müsse. Die Position hat aber den praktischen Nutzen, dass das Display damit deutlich näher an den Fahrer rückt und damit auch während der Fahrt gut per Toucheingaben bedienbar ist.

Die zwei gut ablesbaren Rundinstrumente flankieren einen umfangreichen Bordcomputer, welcher ab der „Cool & Connect“-Ausstattungslinie das Monochrom-Display ersetzt. Auf dem Kombiinstrument sitzt ein optionales, erstmals im Focus erhältliches Head-Up-Display, welches seine Informationen in eine aus dem Instrumententräger ausfahrende Scheibe projiziert. In sehr guter Schärfe werden hier Navigationsinformationen, Geschwindigkeit, Tempolimits und der Status der Assistenzsysteme dargestellt. Ein Nachteil dieser Konstruktion mit ausfahrender Scheibe ist leider, dass die Informationen für größere Fahrer zu tief, genau auf der Sichtkante zwischen Motorhaube und Straße erscheinen. Dadurch ist der Hintergrund sehr kontrastreich und die Ablesbarkeit der Informationen leidet. Für kürzere Fahrer erscheinen die Informationen dagegen gut im Sichtfeld auf der Straße positioniert.

Qi-Schale: „Sorry, Smartphone verloren!“

Darüberhinaus bietet der Innenraum eine gute Vielzahl an flexiblen Ablagemöglichkeiten. Beispielsweise sind die Getränkehalter in der Mittelkonsole – typisch für Ford – einstellbar und damit auch für unterschiedliche Flaschengrößen nutzbar. Die Armlehne der Mittelkonsole ist in ihrer Längsposition ebenfalls einstellbar. Verwunderlich ist dagegen die fehlende Beleuchtung des Schminkspiegels auf der Fahrerseite und die Tatsache, dass man für die Qi-Ladeschale in der Mittelkonsole ein Material mit so geringem Reibwiderstand gewählt hat. Gerade Smartphones mit Glasrückseite – das soll es bei Qi-fähigen Geräten durchaus geben – rutschen darin so sehr hin und her, dass ein durchgehendes Laden eher zum Ausnahmezustand gehört. Die Verarbeitung kann sich ansonsten sehen lassen und ist, ähnlich wie beim Kia Ceed, den wir kürzlich gefahren sind, auch in Details nahezu makellos.

Je nach Motorisierung verbaut Ford zwei unterschiedliche Hinterachsen. Bei den kleinen 1,0-Liter-Benzinmotoren (85, 100 oder 125 PS), sowie den 1,5-Liter-Dieselmotoren (95 oder 120 PS) wird eine Verbundlenker-Hinterachse mit so genannten „Force Vectoring“-Federn verbaut. Die dabei nach innen gerichteten Federn nehmen bei Kurvenfahrt große Teile der lateralen Kräfte auf und stützen die Achse stärker gegen die durch die Lagerung der Verbundlenkerachse verursachte Verdrehung und die damit einhergehende Nachspurerhöhung (dem so genannten Seitenkraftübersteuern) ab.

Dieser Effekt wird durch ein spezielles Federdesign (die Federn haben im unkomprimierten Zustand eine leichte S-Form) verstärkt, wodurch die Federn selbst laterale Kräfte erzeugen – umso mehr, je mehr die Feder komprimiert wird. So kann diese kostengünstige und leichte Form der Hinterradaufhängung stärker zur Stabilisierung beitragen, sodass die Vorderachse weniger stark untersteuernd ausgelegt werden muss, um ein neutrales Fahrverhalten zu erreichen. Ergebnis ist ein bis in den Grenzbereich hinein neutrales Eigenlenken, und höhere mögliche Kurvengeschwindigkeiten. Eingeführt hat Ford diese Achsanbindung nicht ohne Grund beim sportlichen Fiesta ST. Bei den stärkeren Motorisierungen mit dem 1,5-Liter-Benziner und dem 2,0-Liter-Dieselmotor setzt Ford dagegen auf eine vor allem im Komfort überlegene Mehrlenkerhinterachse.

Fahrdynamisch geht das Konzept des Focus voll auf. Auf Landstraßen fühlt sich das Fahrwerk sehr agil und präzise an und lässt sich auch bei flotterer Gangart sehr angenehm bewegen. Für Menschen wie mich, die eigens in die Eifel ziehen, um einem speziellen Waldweg näher zu sein, mögen das gute Nachrichten sein. Doch komfortorienterte Menschen müssen keine Sorge haben. Denn trotz aller potenziellen Sportlichkeit ist der Focus sogar auch mit dem 15 Millimeter tieferen Sportfahrwerk der ST Line ein überaus angenehmes Fahrzeug. Selbst auf schlechten Landstraßen fühlt er sich sehr souverän an, poltert nicht, federt angenehm ab und dämpft selbst grobe Fahrbahnunebenheiten weg, ohne den Insassen unangenehme Stöße zuzumuten. Noch besser dürfte das sicherlich mit den optionalen, adaptiven Dämpfern werden, welche in den verfügbaren Testfahrzeugen vor Ort allerdings nicht zur Auswahl standen.

Großer Komfort- und Dynamikspagat

Die Lenkung hat Ford – allen fahrdynamischen Fahrwerksqualitäten zum Trotz – nicht der Sportlichkeit untergeordnet. Sie ist direkt übersetzt und die Vorderachse setzt die Lenkbefehle zackig um, fühlt sich – ganz komfortbetont – allerdings recht leicht an. Selbst im Sportmodus (drei Einstellmöglichkeiten, Normal, Eco, Sport, stehen jedem Focus zur Auswahl, mit adaptiven Dämpfern noch zwei weitere) verringert sich die Lenkunterstützung nur unwesentlich und die Lenkung bleibt sehr leichtgängig. So wirkt die präzise arbeitende Lenkung immer etwas synthetisch.

Für den Erstkontakt mit dem neuen Focus stand mir der 125 PS leistende Benziner zur Verfügung. Sobald der Drehzahlkeller von etwa 1000 bis 1500 Umdrehungen – und damit das Turboloch – erstmal überwunden ist, fühlt sich der Motor im Alltag angenehm elastisch an. Schaltfaul lässt er sich allerdings nicht unbedingt fahren, dafür ist mir der Motor ein kleines bisschen zu schwach. Dank der neu entwickelten manuellen Sechsgangschaltung ist das Durcharbeiten der Gänge allerdings durchaus eine angenehme Angelegenheit. Das Getriebe arbeitet sehr präzise, ohne mit zu großen Widerständen einen auf Sport zu machen. Die Gänge rasten knackig und genau ein, der Ganghebel lässt sich aber trotzdem angenehm leicht durch die Gassen führen.

Neue Getriebe im Programm

Für die Benziner mit 125 und 150 PS (wir vermuten: auch für die 182-PS-Variante), sowie die Diesel mit 120 und 150 PS bietet Ford zudem eine neu entwickelte Achtgang-Wandlerautomatik an, welche das träge Automatikgetriebe des Vorgängers ersetzt und einen so genannten „Electronic Shifter“ einführt. Statt eines Wahlhebels gibt es dann nur noch ein kleines Wählrädchen in der Mittelkonsole zur Auswahl der Fahrstufe. Vorteil: die Fahrstufen können von der Elektronik selbstständig ausgewählt werden, was beim neuen Einparkassistenten zum Tragen kommt. Im Gegensatz zu gängigen Systemen muss der Fahrer hier nicht mehr selbst Gasgeben, Bremsen und zwischen Vorder- und Rückwärtsgang wechseln, sondern überlässt der Elektronik den gesamten Parkvorgang, solange der Fahrer einen Knopf gedrückt hält.

Bleibt nun also nur noch, über die übrigen technologischen Neuerungen zu reden, von denen es durchaus ein paar an Bord des Focus gibt. Erstmals führt Ford ein Fahrassistenzpaket namens „Ford Co-Pilot360“, denn schicke marketingtaugliche Namen braucht’s spätestens seit Teslas Autopilot scheinbar überall. Das System vereint dabei aktuelle Level 2 Fahrassistenzsysteme. Ein adaptiver Tempomat mit Anfahrfunktion (innerhalb von 5 Sekunden Stillstand) und ein aktiver Spurhalteassistent bilden dabei die Grundlage.

Großes Lob muss man Ford für die äußerst subtile Unterstützung und die feine Abstimmung des Spurhalteassistenten aussprechen. Sind die Hände nicht am Lenkrad (was bei einem Level 2 System ohnehin nicht so gehört) macht das System im Grunde genommen gar nichts, außer kurz vor dem Verlassen der Spur einzugreifen. Verhält sich der Fahrer dagegen richtig, unterstützt ihn das System durch eine sehr subtile Momentüberlagerung. So wenig störend und gleichzeitig so fein ergänzend habe ich bisher noch keines dieser Systeme wahrgenommen.

Kluge Einbindung der gängigen Sensoren

In Kombination mit der Verkehrszeichenerkennung ist der Tempomat darüberhinaus in der Lage, die Geschwindigkeit automatisch an erkannte Tempolimits anzugleichen – einschließlich eines einstellbaren Aufschlags, um beispielsweise bei Tempo 80 auf der Autobahn nicht zum LKW-Bremsklotz zu mutieren. Besonders erwähnenswert ist sicher noch die Falschfahrerwarnung, welche mittels Navigationsinformationen und Frontkamera erkennt, wenn der Fahrer ein Einfahrt-Verbotsschild übersieht.

Wie auch bei der Konkurrenz gibt es im neuen Focus in der teuersten Lichtkonfiguration Voll-LED-Scheinwerfer mit mehreren Lichtsegmenten, um bei aktiviertem Fernlicht einzelne Bereiche abblenden zu können. Eine besondere Neuerung ist hier vor allem die kameragestützte Lichtsteuerung, welche das Licht proaktiv auf Kurven entlang der Fahrbahnränder ausrichtet oder beim Erkennen von Kreuzungsschildern den Lichtkegel in den Kreuzungsbereich hinein erweitert.

Sicher kein Schnäppchen, sicher sein Geld wert

Der Marktstart des neuen Ford Focus ist für den September 2018 geplant. Neben den genannten Motorisierungen wird dann noch eine etwas sportlichere Variante mit 182 PS folgen. Außerdem wird Ford erstmals zwei höhergelegte Crossover-Varianten bringen, sowohl für die Limousine, als auch den Kombi, welche dann auf den Namen „Active“ hören sollen. Auch eine Mildhybrid-Variante ist geplant, auf die wird man sich aber noch bis 2020 gedulden müssen.

Bereits ab einem Einstandspreis von 18.700 Euro bietet der Focus eine umfangreiche Serienausstattung: Spurhalteassistent, Audiosystem mit USB- und Bluetooth-Schnittstelle, LED-Tagfahrlicht, Klimaanlage, Notbremsassistent mit Fußgänger- und Radfahrererkennung, Lichtsensor und Lederlenkrad sind durchaus erwähnenswert. Die „Titanium“-Ausstattungslinie unseres Testwagens schlägt mit mindestens 25.200 Euro zu Buche, die luxuriösere Top-Ausstattung „Vignale“ mit mindestens 28.700 Euro.