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Teurer Spaß

Im Test: Ford Fiesta EcoBoost 1.0 Titanium

Ford Christian Lorenz
Ford Fiesta 1.0 EcoBoost Titanium

Das B-Segment ist hart umkämpft. Die jüngsten Neuvorstellungen sind rundum gute Autos und eigentlich gar keine Kleinwagen mehr. Kann der Fiesta mit 125-PS-Dreizylinder da mithalten?

Dieses Schwimmbad-Türkis! Man kann sich ja an alles gewöhnen. Der Ford Fiesta gibt auf dem Redaktionsparkplatz in „Lagun Blau Metallic“ jedenfalls einen originellen Farbtupfer ab. Aber dass sie den Farbton bis in die Instrumentenbeleuchtung durchziehen, find ich dann doch übertrieben. Halt: Die Nachtansicht des Cockpits taucht sich bei Ford ja immer in dieses Türkis. Ich glaube nicht, dass man seine Kunden auf so unnötige Weise prüfen sollte.

Gut ablesbare Instrumente

Die Design-Sprache des Cockpits war ja bei Ford schon in den letzten Jahren, positiv ausgedrückt, eine ambitionierte Kampfansage gegen den Mainstream. Über Geschmack lässt sich nicht streiten, die Bedienbarkeit steht jedoch im Vordergrund. Beim Fiesta fallen zunächst die gut ablesbaren Instrumente und der direkt im Fahrerblickfeld angebrachte große Navi-Infotainment-Touchscreen auf. Kollege Martin empfindet letzteren zwar als „Fremdkörper“ in der Cockpitlandschaft. Ford reiht sich in den Trend ein, die Bildschirme tabloid-artig hinzuklatschen – aber wie gesagt, Geschmackssache.

Die Sitze und der Karneval

Ein objektives Ärgernis sind dahingegen die Sitze. Aus der Tiefe ihrer Weichheit drückt es unangenehm im unteren Lehnenbereich. Zu wenig Seitenhalt wird geboten. Und der Verstellmechanismus der Lehnenneigung hätte so nie abgenommen werden dürfen. Zumindest ich erreiche das Drehrad nicht, ohne mir an der zu nahen B-Säule die Hand aufzuscheuern. Drehen ist wegen des unmenschlichen Winkels und einer starken Schwergängigkeit nahezu unmöglich. Das muss in Köln während des Karnevals an der Qualitätssicherung vorbeigerutscht sein. Bei der Durchsicht der Preisliste trau ich dann meinen Augen nicht. Es handelt sich bei diesen Sesseln um Sportsitze, die erst ab der Ausstattungslinie Titanium verbaut sind. Das heißt also im Umkehrschluss, dass die Standardsitze nicht besser sind.

Der Motor startet auf Knopfdruck, weil Ford wie nahezu alle Wettbewerber im B-Segment seine Testwagen mit schlüssellosen Zugangssystemen ausstattet. Der Endkunde sollte sich, unserer Meinung nach, die dafür fälligen 460 Euro Aufpreis auf jeden Fall sparen. Der Dreizylinder erwacht mit heiserer Stimme, die die einen kernig, andere dröhnig nennen werden. Im unteren Drehzahlbereich ist das charakteristische Dreizylinderschnarren jedenfalls präsenter als im kürzlich gefahrenen Seat Ibiza [1].

Mit Hektikstufe

Der Ford-Ecoboost-Motor leistet üppige 125 PS. Beim Umstieg aus dem 30 PS schwächeren Seat Ibiza spürt man von der Mehrleistung aber nichts. Tatsächlich gar nichts. Beim Blick in das Datenblatt klärt sich auch, warum. Der Ford hat mit 170 Nm ab 1400/min sogar ein geringfügig geringeres Drehmoment als der katalanische Polo (175 Nm ab 1500/min). Auch die Leistungskurve ist nicht so harmonisch linear wie im Ibiza. Anders als dieser zündet der Fiesta kurz nach dem an sich nicht wirklich schwächlichen Anfahren eine spürbare Hektikstufe, wenn bei 1400/min das volle Drehmoment einsetzt. Das Sechsgang-Schaltgetriebe funktioniert, wie bei Ford üblich, wunderbar exakt und leichtgängig. Den Kollegen Florian störte der zu weit vorne angebrachte Schalthebel. Mir wäre das jetzt nicht so negativ aufgestoßen. Dafür hatte ich auch keine Zeit, da ich mich andauernd vergeblich und immer schnappatmiger mühte, mit dem linken Bedienfeld des Multifunktionslenkrades, das offensichtlich zur Geschwindigkeitseinstellung dient, den Tempomat zu aktivieren. So ging es uns übrigens allen in der Redaktion. Bis Martin auf die Idee kam, in der Bedienungsanleitung nachzusehen. Im Testwagen ist gar kein Tempomat verbaut, das ambitioniert wirkende Bedienfeld aktiviert nur einen Geschwindigkeitsbegrenzer. Die 190 Euro Aufpreis für einen Tempomat sollte man, meiner Meinung nach schon investieren, damit dieses Lenkradbedienfeld nicht so peinlich wirkt.

Dynamischer Kurvenkünstler

Die Fahrwerksabstimmung hat sich in den letzten Jahren zur Paradedisziplin der kompakten Ford-Modelle entwickelt. Im täglichen Pendler- und Stadtverkehr enttäuscht der Fiesta da zunächst ein bisschen die Erwartung. Gerade auch im Vergleich mit dem gelungenen Ibiza ist die Karosserie ständig in Bewegung, auch lange Wellen werden viel deutlicher an die Passagiere weitergegeben als im Sprössling des VW-Konzerns. Also wieder Daumen runter? Fast wäre ich so weit gewesen. Aber dann gab ich dem Fiesta auf meiner geliebten Serpentinen-Hausstrecke richtig die Sporen und war begeistert. Der unscheinbare, als Frauenauto verschriene Fiesta schreit nach jeder Kurve, die Lenkung ist für einen Frontantriebskleinwagen ohne Hot-Hatch-Bemalung einfach super exakt. Wenn Sie auf Korsika Urlaub machen, bestehen Sie unbedingt auf einen Fiesta als Mietwagen. Wie sympathisch ist das denn, da fährt man nach Außen hin einen blutleer wirkenden Kleinwagen und hat dann, wenn es darauf ankommt einen solchen Spaß damit.

Das alles geht mit Verbräuchen einher, die den Fiesta ins Mittelfeld der aktuellen B-Segment-Benziner rückt. Unser Testverbrauch lag bei 5,5 Litern, unter 4,7 Liter bringt man den Ecoboost-Dreizylinder auch mit bestem Willen nicht. Nach meiner wilden Serpentinenhatz zeigte der Bordcomputer 6,3 Liter an. Tragisch ist das nicht.

Hinten eng

Nach meiner Spaßrunde steuere ich einen Parkplatz an, um den fest zupackenden und fein dosierbaren Scheibenbremsen eine knisternde Abkühlung zu gönnen und den Rest des Innenraums in Ruhe zu begutachten. Und beim Einfädeln auf den Rücksitz hakt es gleich wieder. Die Kniefreiheit ist im Segmentvergleich unterdurchschnittlich. Meine Knie stecken zwischen der Lehne des auf mich eingestellten Fahrersitzes (knappe 1,80 m Körpergröße) und der Rücksitzbank fest. Im Fiesta sitzt man hinten kleinwagenmäßiger als in den besten Konkurrenten. Auch das Kofferraumvolumen ist mit 292 Litern (mit einem optionalen Notrad für 60 Euro 262) bis 1093 Litern (bzw. 1070) vergleichsweise eingeschränkt. Für 75 Euro sollte man sich auf jeden Fall den zweifach einstellbaren Ladeboden gönnen, um bei umgeklappten Rücksitzlehnen eine glatte Fläche herstellen zu können.

... die sollten was tun

Kommen wir also zu den Preisen. Den Einstieg markiert die Ausstattungsstufe Trend mit 1,1-Liter-Dreizylinder-Saugmotor und 70 PS für 12.950 Euro. Die Ausstattungslinie Titanium des Testwagens ist die zweithöchste, es gibt sie erst ab 85 PS und 17.050 Euro. Da ist dann schon Klimaanlage (manuell), Lederlenkrad sowie Radio mit zentralem Touchscreen, Bluetooth-Freisprecheinrichtung, USB-Anschlüssen und Smartphone-Anbindung enthalten. Den im Testwagen verbauten 125-PS-Motor gibt es erst in der Titanium-Ausstattung für happige 19.400 Euro. Das tadellose große Navigationssystem inkl. DAB-Radio kostet 1050 Euro Aufpreis und ist eine Empfehlung wert. Musikfreunde machen mit Bang-und-Olufsen-Soundsystem für zusätzliche 400 Euro auch nichts falsch, wenn man auch keine dem großen Namen adäquate Performance erwarten sollte. Das wäre angesichts des Preises allerdings auch etwas blauäugig. Summa summarum kam unser Testwagen auf einen Listenpreis von über 26.000 Euro. Der Seat Ibiza, der in unserem Test das viel rundere Paket geboten hat, kostet rund 4000 Euro weniger. Da bleibt einem trotz des begeisternden Handlings in Abwandlung des ehemaligen Markenslogans nur zu sagen: „Ford, die sollten was tun.“ Obwohl ich mich an die türkise Instrumentenbeleuchtung am Ende doch noch gewöhnt habe.

Die Kosten für die Überführung hat Ford übernommen, jene für Kraftstoff der Autor.


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