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Ohne echte Geländeambitionen: Drei kompakte Fronttriebler-SUVs im Vergleich

Kletter-Show: Die vernünftigen Unvernunftsautos

Fahrberichte sg
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Sie sind die günstigste Möglichkeit, Offroad-Atmosphäre aufkommen zu lassen – mehr aber auch nicht, denn nur mit Frontantrieb ist ihr natürliches Revier die Straße. Wir haben drei "Vernunft-SUVs" verglichen

Haar, 19. August 2008 – Böse Zungen behaupten, dass „Sport Utility Vehicles“, kurz SUV, auf ideale Weise die Nachteile von Limousinen und Geländewagen in sich vereinen. Zunächst schwappte die Freude an dieser Fahrzeuggattung wie so oft von Amerika nach Europa über. Und ausgerechnet dort kehrt sich dieser Trend um, weil teurer Sprit den Amerikanern die Freude am SUV vergällt. Soweit ist es hierzulande zwar noch nicht, doch auf den kräftezehrenden Allradantrieb kann gerne verzichten, wer praktisch nie abseits befestigter Straßen unterwegs ist.

Unvernünftig vernünftig

Insofern könnte man unsere drei Kandidaten als konsequente Anpassung eines Fahrzeugkonzepts an die tatsächlichen Bedürfnisse der Kunden auffassen, außer jenen, versteht sich, denen die Formel „function follows form“ partout nicht passt: So unterschiedlich Nissan Qashqai, Fiat Sedici und Hyundai Tucson nämlich auch sein mögen, in einem Punkt sind sie gleich: Alle drei tragen das Kürzel „2WD“ im Namen, verzichten also auf Allradantrieb und schicken ihre Motorkraft an die Vorderräder. Klar: Für die Fahrt über unwegsame Dschungelpisten scheiden sie damit aus. Da aber rund 95 Prozent aller SUV-Fahrer die Offroad-Fähigkeiten ihrer Fahrzeuge sowieso nie nutzen, dürfte dieses Manko die Marktchancen der drei Pseudo-Naturburschen nicht wesentlich schmälern.

Karosserie und Innenraum
Unterschiedliche Ansätze beim Aufbau: Der Tucson spielt mit seiner wuchtigen Front, der langen Motorhaube sowie einer hohen Fahrgastzelle und mit viel Luft zwischen Reifen und Radlauf den knorrigen Geländewagen alter Schule. So kastenförmig wie der Koreaner dasteht, erinnert er an die kernigen Modelle der frühen Zeit, als SUVs noch Offroader hießen. Der kompakte Fiat Sedici hingegen wirkt eher wie ein Hochdachkombi. Daran ändern auch die seitlichen Prallplatten aus Kunststoff und der angedeutete Unterfahrschutz am Heck nichts: Was die Optik angeht, ähnelt der Italiener in diesem Trio sicherlich am ehesten einem „normalen“ Pkw. Ganz im Gegensatz zum Verkaufsschlager Qashqai, den Nissan nicht zu unrecht einen „Crossover“ nennt. Lang gestreckt und mit flacher Dachlinie liegt der Japaner optisch ziemlich genau zwischen dem kastigen Tucson und dem Pkw-ähnlichen Sedici. Sein Styling wirkt jedoch eindeutig am modernsten und sticht den Sedici und Tucson im Schönheitswettbewerb locker aus.

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Platz für alle

Ein Hauptargument für SUVs ist ihr Platzangebot. Die Besatzung jedenfalls hat in keinem der drei Fronttriebler Anlass zur Beschwerde. Der Tucson vermittelt zwar das großzügigste Raumgefühl, aber auch Fiat und Nissan bieten vorne wie hinten genug Platz für längere Etappen. Allerdings: Der Qashqai verwöhnt mit dem eindeutig schicksten Passagierabteil. Dazu protzt der Asiate mit guter Komfortausstattung: Ein CD-Radio hat er grundsätzlich an Bord, in unserem Testwagen ist zusätzlich ein Bildschirm-Navi mit CD-Wechsler, MP3-Funktion und Rückfahrkamera montiert. Das nennt sich „Executive-Paket Acenta“ und kostet 2200 Euro extra. Das durchgestylte Interieur des Japaners mit den Nissan-typischen Stoffbezügen im Netzhemd-Look, angenehm weichen Oberflächen und sportlichen Rundinstrumenten verströmt ein Flair von Technik und cooler Modernität. So in etwa stellt man sich ein Auto vor, mit dem adrenalinsüchtige Extremsportler zum Kitesurfen oder Base-Jumping fahren. Dazu passt der geräumige Kofferraum, der mit einer Basisgröße von 410 Liter genug Platz für das eine oder andere Bungeeseil bietet.

Etwas altbacken

Gedanken an Trendsportarten dürften der Tucson-Besatzung spontan kaum kommen. Innenraum-Materialien und -Styling des Koreaners gehen zwar in Ordnung, erreichen aber nicht annähernd den hohen Standard des Nissan. Zudem liegt der Hyundai in Details nicht wirklich auf der Höhe der Zeit. Statt eines integrierten Entertainmentsystems sitzt etwa ein Nachrüst-Naviradio von Becker im Armaturenbrett (Aufpreis: 636 Euro). Auch die Anzeige für die rückwärtige Einparkhilfe (ab 133 Euro) wirkt wie eine Nachrüstlösung: Ein Plastik-Ufo auf der Innenverkleidung der C-Säule piepst lautstark und blinkt rot, sobald ein Objekt hinterm Heck ausgemacht wird. Eine Sitzheizung oder einen intelligenten Gurtwarner suchen wir vergebens. Bei der Bedienung gibt's hingegen nichts zu meckern und dank separat öffnender Heckscheibe lässt sich das Gepäckabteil schnell mit Kleinkram beladen.

Italienischer Japaner

Das Fiat-Logo auf dem Lenkrad kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir es hier eigentlich mit einem Japaner zu tun haben. Schließlich ist der Sedici nichts anderes als ein Suzuki SX4 mit Fiat-Emblemen. Wenig japanisch, eher spartanisch wirkt allerdings die Ausstattung des Italieners. Ein CD-Radio ist an Bord, MP3-Dateien liest der Südländer aber nur gegen 100 Euro Aufpreis. Ein Navi ist in der Basisausstattung „Dynamic“ generell nicht lieferbar. Immerhin ist unser Fiat mit dem Winterpaket für 410 Euro ausgestattet, bietet also Annehmlichkeiten wie eine Sitzheizung oder Lüftungsdüsen im Fond. Trotz Heizung: Auf den nicht-höhenverstellbaren Sedici-Sesseln kann es leicht ungemütlich werden. Die Polsterung ist reichlich dünn, und Unebenheiten auf der Sitzfläche drücken unangenehm in den Allerwertesten des Fahrers. Ähnlich wie im Hyundai gehen Materialien und Verarbeitung im Inneren in Ordnung – uns haben sie einen Tick besser als im Koreaner gefallen. An den coolen Look und das sorgfältige Finish des Qashqai kommt aber auch der Fiat nicht heran.

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Motor und Getriebe
Gerade in dieser Klasse lautet die zentrale Frage: Diesel oder Benziner? Daher tritt der Fiat mit dem kräftigen 1,9-Liter-Turbodiesel mit 120 munteren PS an. Qashqai und Tucson hingegen rollen mit ihren jeweiligen Minimalmotorisierungen an den Start. In beiden Fällen sind es Ottomotoren ohne Zwangsbeatmung. Im Qashqai werkelt ein 1,6-Liter-Vierzylinder mit bescheidenen 114 PS. Der Tucson gibt mit seiner 2,0-Liter-Maschine den Kraftmeier und wirft 141 PS in die Waagschale. Schon nach den ersten Metern mit dem Fiat wird klar, warum Dieselmotoren in dieser Klasse so beliebt sind. Auf der großen Drehmomentwelle reitend, schiebt der Italiener munter nach vorne. Dank serienmäßigem Sechsgang-Getriebe fällt es zudem leicht, den Selbstzünder im idealen Drehzahlbereich zu halten. Gerade im kalten Zustand gibt sich die Schaltbox mit den kurzen Hebelwegen aber etwas knorpelig. Und Laufkultur und Schalldämmung des Fiat sind auch nicht up-to-date. Sein Turbodiesel ist akustisch stets präsent und macht gerade bei höheren Geschwindigkeiten nachdrücklich auf sich aufmerksam.

Gerade ausreichend motorisiert

Im direkten Vergleich gibt sich der kleine Benziner des Nissan dagegen flüsterleise. Allerdings merkt man ihm sein Manko bei Hubraum, Leistung und Drehmoment deutlich an. In der Stadt fühlt sich der Crossover noch ausreichend spritzig und lebendig an, sobald aber die Tachonadel die 100-km/h-Marke passiert, wirkt der Motor angestrengt und zugeschnürt. Qashqai-Interessenten, die oft mit hoher Zuladung unterwegs sind, sollten ernsthaft über den nächststärkeren Motor nachdenken. Sobald zu den 1,4 Tonnen Leergewicht die Masse von vier Erwachsenen hinzukommt, hat der kleine 1,6-Liter-Benziner nämlich seine liebe Müh' mit dem Japaner. Im Gegensatz zum Fiat gibt's bei Nissan zudem nur ein Fünfgang-Getriebe. Das schaltet sich knackig, allerdings fehlt ihm die letzte Präzision. Der Rückwärtsgang verlangt außerdem ungewöhnlich viel Nachdruck und rutscht ab und an wieder heraus, wenn er nicht genau genug eingelegt wird.

Ausgeglichene Verhältnisse

Das 2,0-Liter-Aggregat des Tucson schließlich ist nicht ganz so kultiviert wie der Qashqai-Motor, aber immer noch deutlich ruhiger als der Fiat-Diesel. Obwohl sich der Koreaner nicht wirklich sportlich anfühlt, kann er dem Nissan auf der Autobahn das Endrohr zeigen. Allerdings fährt ihm der Fiat bei Vollgas mit 190 km/h knapp davon. Die maximal 175 km/h des Qashqai hingegen kann der Hyundai gerade noch kontern: Mit etwas Anlauf reicht es bei ihm zu 180 Sachen. Bei diesem Tempo erhebt der Koreaner deutlich die Stimme, denn auch er hat nur fünf Gänge. Die Hyundai-Schaltung fühlt sich zudem recht weich an und hat lange Wege. Trotzdem flutschen die Gänge präzise hinein und auch die Abstufung geht in Ordnung.

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Dick und durstig?

Zusammen mit dem hohen, kantigen Aufbau und der großen Stirnfläche ist sicherlich auch das Fehlen der sechsten Fahrstufe verantwortlich für die wenig zurückhaltenden Trinksitten des Tucson. Auf unserer Verbrauchsrunde genehmigte sich der Koreaner mit 9,6 Liter auf 100 Kilometer deutlich mehr als der Qashqai. Der Nissan wirkt zwar oft angestrengt, kippte sich aber trotzdem nur 8,2 Liter Super je 100 Kilometer hinter die Binde. Für einen Diesel seiner Größe gab sich der Fiat auf unserer Standard-Tour hingegen erstaunlich durstig: 6,9 Liter je 100 Kilometer generierten zwar das subjektiv spritzigste Fahrerlebnis – für einen Diesel dieser Leistungsklasse ist das aber kein rekordverdächtiger Wert.

Fahrwerk und Lenkung
Hoher Schwerpunkt und lange Federwege: Ein SUV – und sei es nur ein kleines – ist kein Sportwagen. So gesehen imponiert die Leistung der Nissan-Ingenieure, denn starkes Wanken steht im Qashqai nicht auf dem Programm. Der Japaner geht fast, aber eben nicht ganz so flach durch schnelle Kurven wie ein klassischer Pkw. Sportlich direkt fühlt sich auch die Lenkung an, und die fein dosierbare Bremse hat den kleinen Soft-Roader gut im Griff. Klar: Durch den relativ schlappen Motor fällt es schwer, das exzellente Chassis überhaupt an seine Leistungsgrenze zu bringen. Wer es dennoch darauf anlegt, wird untersteuernd auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Zusätzlich wacht das serienmäßige ESP.

Unzeitgemäß

Den elektronischen Schutzengel gibt's im 2WD-Sedici weder für Geld noch für gute Worte. Erst ab der Ausstattungslinie „Emotion“ steht ESP für 500 Euro in der Fiat-Aufpreisliste. Um Leib und Leben muss deshalb zwar niemand fürchten – weshalb in dieser Preisklasse aber noch nicht einmal die Option auf ESP besteht, ist ein Rätsel. Insgesamt fährt sich der kleine Italiener undramatisch: Der schwere Dieselmotor auf der Vorderachse sorgt für eine deutliche Untersteuerneigung, macht den Fiat aber nicht zum Kurvenmuffel. Die Lenkung ist präzise genug, könnte aber beim Einparken mehr Unterstützung bieten. Auch die Bremsen verrichten ihre Arbeit klaglos: Hinten sind im Fiat zwar nur Trommeln verbaut, trotzdem gehen Bremsleistung und Dosierbarkeit in Ordnung.

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Nicht zu schnell, bitte

Beim Tucson passt das rustikale Äußere zum Fahrwerk. Es schluckt zwar ordentlich was weg, Kurven sind allerdings nicht der bevorzugte Aufenthaltsort des Koreaners. Er wankt deutlich und untersteuert heftig, sobald es der Fahrer mit dem Tempo übertreibt. In solchen Extremsituationen greift zudem das serienmäßige ESP hart regelnd ein und mahnt zur Zurückhaltung. Ebenfalls wenig sportlich ist die weiche Lenkung, die nicht frei von Antriebseinflüssen agiert und zudem ab etwa 120 km/h ein leichtes Zittern ins Volant überträgt. Zur Vernichtung von Bewegungsenergie setzt der 1,5-Tonner auf Scheibenbremsen rundum, die mit dieser Aufgabe problemlos klar kommen.

Ausstattung und Preis
Preislich liegen scheinbar Welten zwischen den Testkandidaten. Immerhin gibt es den Sedici schon ab 18.690 Euro, während der Qashqai als Acenta mit 21.240 Euro zu Buche schlägt. Allerdings: Der Nissan kommt mit zahlreichen Extras daher, die es für den Italiener nur gegen Aufpreis oder gar nicht gibt. Mit 19.890 Euro liegt der Grundpreis des Hyundai ziemlich genau zwischen dem des Fiat und des Nissan. Dafür gibt's im Koreaner aber keine kühle Luft im Sommer. Einzige Option im 2WD-Tucson ist die manuelle Klimaanlage für 1290 Euro. Ansonsten jedoch steht der Hyundai besser als der Fiat da, denn Dinge wie ESP, höhenverstellbare Sitze oder elektrische Fensterheber rundum sind bei ihm serienmäßig.


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