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25 Jahre "The Matrix": Der Film mit der roten Pille​

Gerald Himmelein

DVD-Sammelboxen mit Filmfiguren und Bildschirmschoner waren in den 1990er-Jahren "a thing".

(Bild: Nico Ernst)

Die Menschheit ist in einer Simulation gefangen, während Maschinen die Welt beherrschen: Vor 25 Jahren kam "The Matrix" ins Kino und prägte die Popkultur.

Eine Frau in Lack und Leder, die von einem Hochhaus aus über eine befahrene Straße springt. Keanu Reeves, dem ein Spiegel wie Quecksilber den Arm hochfließt. Grimmige Männer in schwarzen Anzügen, die mit bloßen Fäusten Betonpfeiler zertrümmern. Grüne Schriftzeichen, die wie Regen die Leinwand herabtropfen. Kung-Fu-Kämpfe in Zeitlupe. Und: "Waffen, 'ne Menge Waffen."

Der Trailer von "The Matrix" lockte Zuschauer mit spektakulären Bildern und mündete in einem verheißungsvollen Satz: "Leider kann man nicht erklären, was die Matrix ist. Man muss sie selbst erleben." Das ist natürlich Blödsinn.

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25 Jahre später können sogar Leute erklären, die den Film nie gesehen haben, was die Matrix ist: Die Handlung ist in die Popkultur so tief eingesickert wie sonst nur "Star Wars". Geschickt verquirlt das Drehbuch gängiges Paranoia-Futter wie Massenüberwachung und die Manipulation der öffentlichen Wahrnehmung zu einem finsteren Sci-Fi-Cocktail.

Grundsätzlich folgt "The Matrix" einer wohlbekannten Struktur: Zweifelnder junger Mann trifft auf älteren Mentor und erlernt übernatürliche Fähigkeiten, um sich einem übermächtigen Gegner zu stellen. Diese Form des Helden-Epos war schon 1977 bei "Star Wars" ein alter Hut.

Und dennoch setzte "The Matrix" neue Maßstäbe – sowohl bei den Effekten als auch beim Plot. Die meiste Aufmerksamkeit bekam damals "Bullet Time": Dabei kreist die Kamera mit atemberaubendem Schwung um Schauspieler, die dabei in Zeitlupe gegeneinander kämpfen. Ungewöhnlich war auch die Kombination von Martial-Arts-Stunts mit Schusswaffeneinsatz.

The Matrix – Denkwürdige Momente (0 Bilder) [2]

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Insbesondere faszinierte viele Zuschauerinnen und Zuschauer die Vorstellung, womöglich selbst in einer Scheinwelt zu leben. Variationen dieser Idee findet sich zwar bereits im Buddhismus, in Platons Höhlengleichnis und bei Descartes wieder. "The Matrix" gab der Sache jedoch einen Sci-Fi-Dreh: Nicht nur sagt im Film ein weises Kind "Den Löffel gibt es nicht"; jenseits der Simulation sind als Besteck nur Göffel zu sehen, eine Mischung aus Gabel und Löffel.

Kurzer Blick in die Küchenschublade: Heißt das etwa, dass wir – Sie und ich also, vielleicht auch Ihre Katze – nur in einer Illusion leben? Bis heute ist die Frage ein dankbares Thema für Feuilleton-Artikel, wissenschaftliche Abhandlungen und Kiffer-Gespräche.

(Gegen die Theorie spricht übrigens, dass die im Film gezeigten Handys vom Typ Nokia 8110 einen gefederten Schnappmechanismus haben. In der realen Welt muss man das 8110 per Hand aufschieben [4]; erst das deutlich anders aussehende 7110 schnappt auf wie im Film gezeigt. Sollte dieser Absatz verschwinden, gab es hier nur einen Fehler in der Matrix.)

Die Idee zu "The Matrix" kam den Wachowskis, nachdem sie ihr erstes Drehbuch verkauft hatten, "Assassins - Die Killer" (Assassins, 1995 [5]). Was ein Triumph sein sollte, entwickelte sich für die beiden zu einer herben Erfahrung: Das Endergebnis unterschied sich so gravierend vom ursprünglichen Skript, dass sie ihre Namen aus den Credits entfernen lassen wollten. Damit "The Matrix" nicht dasselbe passierte, bestanden die Wachowskis darauf, hier auch Regie zu führen – worauf sich das Studio zunächst nicht einlassen wollte.

Zunächst schrieben und drehten die Wachowski-Schwestern jedoch den Thriller "Bound - Gefesselt" (Bound, 1996 [6]), mit einem überschaubaren Cast und wenigen Effekten. Matrix-Produzent Joel Silver erzählte gerne, die Wachowskis hätten "Bound" gedreht, um dem Filmstudio Warner Bros zu beweisen, dass sie auch "The Matrix" stemmen könnten. Als Arbeitsprobe gewissermaßen.

Lana Wachowski dementierte diese Geschichte später [7]. Außer Zweifel steht, dass diverse Beteiligte an "Bound" auch bei "The Matrix" wieder zum Zug kamen, darunter Kameramann Bill Pope, Komponist Don Davis und Darsteller Joe Pantoliano.

Nachdem die Wachowskis mit den Comic-Künstlern Geoff Darrow und Steve Skroce ausgefeilte Designs und umfassende Storyboards erstellt hatten, war Warner Bros endlich überzeugt. Um aus dem Budget von 60 Millionen US-Dollar das Meiste herauszuholen, wurde der Großteil der Aufnahmen im australischen Sydney gedreht.

Die Besetzung hing lange in der Schwebe. Insbesondere die Hauptrolle "Neo" bereitete Kopfschmerzen: Die Wachowskis wollten Johnny Depp, dann sagten nacheinander Brad Pitt und Leonardo DiCaprio erst zu und wieder ab; Will Smith wollte lieber "Wild Wild West" (1999) drehen. Rückblickend ist Keanu Reeves die perfekte Besetzung für den zweifelnden Thomas [8] A. Anderson, der schrittweise über seine Grenzen hinauswächst und zum übermenschlichen Neo wird.

Laurence Fishburne ist mit seiner erhabenen Haltung und sonorer Stimme ebenfalls die ideale Besetzung als weiser Mentor Morpheus. Hätte Will Smith für Neo zugesagt, wäre die Rolle womöglich von Val Kilmer gespielt worden oder gar von Arnold Schwarzenegger [9].

The Matrix – Die Darsteller (19 Bilder) [10]

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Keanu Reeves stellte sich als der ideale Neo heraus: Gut aussehend, ausdrucksstark ...
(Bild: Warner Bros / Village Roadshow Pictures)

Die Rolle der Hackerin Trinity war unter anderem Janet Jackson, Salma Hayek und Sandra Bullock angeboten worden. Carrie-Anne Moss wurde nach "The Matrix" so stark mit der Rolle identifiziert, dass sie nicht mit Sonnenbrille auf die Straße gehen konnte, ohne erkannt zu werden.

Hugo Weaving entwickelte für seinen furchterregenden Agenten Smith eine möglichst neutrale Aussprache, die weder nach Maschine klingen sollte noch einer Nationalität zuzuordnen war. Als gebürtiger Australier war Weaving einer der wenigen Darsteller, die für die Dreharbeiten nicht umziehen musste.

Für die weiß gekleidete Switch, gespielt von Belinda McClory, war ursprünglich vorgesehen, dass sie innerhalb der Matrix eine Frau war, in der realen Welt hingegen ein Mann. Dies wurde vom Studio abgelehnt, von der Idee blieb nur der Name – und dass sie in der Matrix weiß gekleidet ist, während die anderen Schwarz tragen.

Vor den Dreharbeiten war hartes Training angesagt: Sechs Monate lang brachten Martial-Arts-Choreographen aus Hong Kong den Hauptdarstellern die komplexen Bewegungsabläufe bei. Bei Sprüngen und Saltos hingen die Stars an Stahlseilen ("Wire Fu") – im Hong-Kong-Kino schon lange gang und gäbe, für westliche Produktionen hingegen ein Novum.

Darüber hinaus bekamen die Darsteller diverse Bücher ausgehändigt, die ihnen die philosophischen Grundlagen des Films nahebringen sollten. Eines davon kommt sogar im Film vor: Neo entfremdet "Simulacres et Simulation [12]" von Jean Baudrillard zur Aufbewahrung seiner Hacking-Programme. Der Philosoph griente später in Interviews, dass die Wachowskis seine Ideen falsch verstanden hätten [13].

Das zähe Stunt-Training der Darsteller zahlte sich zwar aus, blieb aber nicht ohne Folgen: Keanu Reeves musste sich operieren lassen, weil zwei Wirbel zusammengewachsen waren. Hugo Weaving verletzte sich am ersten Drehtag am Bein und musste sich einer Hüft-OP unterziehen. Carrie-Anne Moss verdrehte sich bei einer Probe der Lobby-Szene den Knöchel und fiel deshalb bei einigen Stunts aus.

The Matrix – Visual Effects und Stunts (8 Bilder) [14]

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Die erste Bullet-Time-Sequenz zeigt Trinity im Kranichflug.
(Bild: Warner Bros / Village Roadshow Pictures)

Aufgrund der Verletzungen ließ sich der ursprüngliche Drehplan nicht einhalten; so wurden alle Action-Szenen mit Reeves und Weaving ans Ende des Drehs verschoben. Verständlicherweise wurde das Studio angesichts der Verzögerungen etwas nervös.

Zur Beruhigung stellten die Wachowskis einen Grobschnitt der ersten zehn Minuten zusammen: die nächtliche Flucht von Trinity vor den Agenten der Matrix über die Häuserdächer, inklusive Stunt-Aufnahmen und der ersten Bullet-Time-Sequenz. Das Ergebnis hatte die gewünschte Wirkung: Warner Bros war beruhigt und fand sich schnell damit ab, dass die Drehzeit von 90 auf 118 Tage anstieg.

Derweil perfektionierte das Special-Effects-Studio "Manex Visual Effects" unter der Leitung von John Gaeta den berühmten Bullet-Time-Effekt. Die grundsätzliche Idee war nicht neu: In den 1980ern unternahm der britische Künstler Tim Macmillan erste Experimente [16] mit parallel belichteten Filmstreifen, die er "Time-Slices" taufte.

1985 ließ sich die Metal-Band "Accept" für das Musikvideo "Midnight Mover [17]" von 13 Kameras gleichzeitig filmen, mit einem schwindelerregenden Ergebnis. 1995 morphte Michel Gondry für das Rolling-Stones-Cover von "Like A Rolling Stone [18]" in kurzem Zeitabstand nebeneinander aufgenommene Einzelbilder ineinander und erzielte damit fließendere Übergänge.

Auch langsam fliegende Kugeln gab es bereits vor der Matrix: Schon 1981 blockiert der Held des südafrikanischen Martial-Arts-Films "Kill and Kill Again [19]" von 1981 eine Kugel in extremer Zeitlupe [20]. 1998 weicht in der Comic-Verfilmung "Blade" ein Vampir einer Luftwirbel nach sich ziehenden Kugel [21] aus.

John Gaeta wollte die Ansätze von Tim Macmillan und Michel Gondry zu etwas Neuem kombinieren. In einem Greenscreen-Studio baute er anhand von Computersimulationen einen Kreis von bis zu 120 aufsteigend positionierten Spiegelreflexkameras auf. Diese Standbild-Kameras verwendeten einheitlich geeichte Objektive; am Anfang und Ende des Kreises waren Filmkameras zur Kontrolle montiert.

Der Auslösezeitpunkt der versetzten Kameras wurde in Millisekundenabständen gestaffelt, sodass jede einen minimal verschobenen Zeitpunkt der Action erfasste. Wohlgemerkt: Alle Kameras waren analog und mussten per Hand nach den Vorgaben der Simulation positioniert, gedreht und ausgelöst werden. Um den fließenden Zeitlupeneffekt zu verstärken, bewegten sich die Schauspieler etwas schneller [22] als normal.

Als nächstes scannte Manex Visual Effects die Aufnahmen ein, interpolierte per Morphing zusätzliche Frames und setzte das Ergebnis in einen computergenerierten Hintergrund, der aus Fotos vom Drehort zusammengesetzt wurde. Wer genau hinsieht, bemerkt bei der berühmten Bullet-Time-Sequenz auf dem Hochhausdach [23], wie die von Neo weggeworfenen Pistolen kurz vom Boden verschwinden, um plötzlich wieder aufzutauchen.

Seitdem wurde "Bullet Time" unzählige Male imitiert und parodiert, nicht nur in Filmen wie "3 Engel für Charlie" (2000) und "Scary Movie" (2000), sondern auch in Fernsehserien wie "Hustle - Unehrlich währt am längsten" (2004-2012), Computerspielen wie "Max Payne" (2001) und sogar Grafik-Benchmarks [24]. Inzwischen ist die Technik zum Klischee [25] verkommen

Ebenfalls prägend war die Farbgebung. "The Matrix" arbeitete sehr konsequent mit unterschiedlichen Tönungen für die virtuelle und die reale Welt. Die Matrix ist grün wie der Code, aus dem sie besteht; die Farbe des Codes ist wiederum eine Anspielung an frühe Computer-Monitore. Die reale Welt ist hingegen in kalten Blautönen gehalten, was den Verlust des Sonnenlichts unterstreicht. Darüber hinaus trainieren Neo und Morpheus zwischendurch in einem virtuellen Dojo, in dem Brauntöne dominieren – weil es nicht in der Matrix liegt.

Schon die Set- und Kostüm-Designer hatten auf diese farblichen Betonungen geachtet. Behind-the-Scenes-Material beweist, dass die Anzüge der von der Matrix generierten Agenten dunkelgrün sind und auch die Hochhaus-Lobby in grünlichen Tönen gestrichen wurde. Rot wurde so weit wie möglich vermieden, um es in zwei entscheidenden Szenen besonders hervorheben zu können. (Lesen Sie diesen Text noch oder schmachten Sie der Frau in dem roten Kleid [26] nach?)

Als "The Matrix" in die Kinos kam, waren die Grün- und Blautöne deutlich weniger markant als in den Versionen, die seitdem auf DVD, Blu-ray und Streaming-Diensten zu sehen waren. Als "The Matrix" entstand, war die digitale Farbmanipulation (Digital Color Grading) noch nicht so weit; die Färbungen wurden photochemisch erzeugt. Dadurch waren die Grün/Blau-Unterschiede im Kino dezenter, um mit jeder digitalen Veröffentlichung stärker betont zu werden. Das änderte sich 2018 mit der Ultra HD Blu-ray, für die das Negativ neu abgetastet wurde. Diese Neuabtastung kam auch der aktuellen Blu-ray-Auflage zugute. Einige Streaming-Dienste zeigen allerdings noch das ältere Master.

Auf YouTube sind diverse Vergleiche zwischen den Farben der Matrix-Veröffentlichungen zu finden. Selbst die besseren davon [27] sind mit einer Prise Skepsis zu betrachten: Die Konvertierung der HDR-Version in den SDR-Farbraum geht nie ohne Farbverschiebungen vonstatten.

Die Wachowskis machten aus den Inspirationen für ihre Geschichte keinen Hehl: "The Matrix" ist mit Zitaten und Anspielungen gespickt. Einige sind offensichtlich, etwa direkte Bezüge auf die Alice-Bücher von Lewis Carroll und "Der Zauberer von Oz". Andere sind dezenter, etwa das bereits erwähnte Buch von Baudrillard. Fernseher im Hintergrund zeigen den Angriff der Riesenhasen aus "Rabbits" (Night of the Lepus, 1972) sowie ein Bild aus der Paranoia-Serie "Nummer 6" (The Prisoner, 1967).

Andere Sequenzen sind visuelle Zitate aus japanischen Anime-Filmen: Für die berüchtigte Lobby-Szene stand eindeutig "Ghost In The Shell" (1995) Pate; die Szene im Vorzimmer des Orakels hat Parallelen zu "Akira" (1988).

The Matrix – Anspielungen und Zitate (7 Bilder) [28]

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"Den Löffel gibt es nicht." Neo erkundet die Grenzen der Matrix.
(Bild: Warner Bros / Village Roadshow Pictures)

Einige Elemente des Films lassen Spielraum für unterschiedliche Interpretationen: Trinity und 303 können Synthesizern von Korg und Roland zugeordnet werden, aber auch aufeinander Bezug nehmen. Oder sollte der Name eine Anspielung auf die christliche Dreifaltigkeit sein, womöglich gar vertreten durch Morpheus, Neo und Trinity? Neo lebt in Appartement Nummer 101, was sich genauso gut auf das Anagramm "One" beziehen kann wie auf eine Schlüsselszene in George Orwells Roman "1984".

Schon kurz nach Erscheinen des Films begannen wilde Fan-Spekulationen über diese Anspielungen. Diskussionsforen füllten sich mit teils abenteuerlichen Theorien. Von den Wachowskis kam dabei keine Hilfestellung: Sie weigern sich bis heute standfest, ihr Werk zu erklären.

Immerhin haben sie erklärt, warum sie sich nicht erklären wollen: "Wir mussten feststellen, dass jedes Mal, wenn wir erklärten, was die Filme für uns bedeuteten, andere Personen ihre eigenen Interpretationen seltener vorbrachten." (Texttafeln der DVD-Box "Ultimate Matrix Collection")

Wortmeldungen gibt es nur, wenn Fehlinterpretationen zu sehr überhandnehmen. So wurde einmal Lilly Wachowski durch die Bearbeitung eines Interviews die Behauptung untergeschoben, der ganze Film sei eine Metapher für Transsexualität. Erst Jahre später stellte Wachowski klar, dass sich das lediglich auf die ursprüngliche Absicht bezog [30], die Rolle von Switch doppelt zu besetzen.

Bis heute wird "The Matrix" fleißig neu interpretiert, stets im Kontext des jeweiligen Zeitgeists. Die rote Pille – im Film ein entscheidender Schritt, um das Bewusstsein aus der maschinengenerierten Fantasiewelt zu befreien – hat sich zur bleibenden Metapher entwickelt, wobei die Deutungen allerdings weit auseinandergehen [31]. Matrix-Fans haben viel mit Star-Wars-Fans gemeinsam, insbesondere die Kampflustigkeit.

Immer wieder führt der große Interpretationsspielraum zu Erklärungen, die selten als Interpretation gekennzeichnet sind, sondern meist als absolute Gewissheiten präsentiert werden. Diverse YouTube-Kanäle befassen sich ausschließlich mit solchen Matrix-"Erklärungen". Unterhaltsamer als die eigentlichen Videos sind meist die darunter stehenden Kommentare darüber, warum der Macher total falsch liegt.

Gelegentlich existieren auch mehrere Wahrheiten, etwa bei Zitat-Streitereien. Was ist richtig, "Waffen, 'ne Menge Waffen" oder "Waffen, jede Menge Waffen"? Sagt Smith voller Verachtung "Der Mensch ist eine Krankheit, das Krebsgeschwür dieses Planeten. Und wir bringen die Heilung" oder doch "Der Mensch ist eine Krankheit, das Geschwür dieses Planeten. Ihr seid wie die Pest, und wir sind die Heilung"? Beides stimmt: Das jeweils erste Zitat stammt aus dem Trailer, das zweite aus dem Film.

Es gibt Fans von "The Matrix", die stecken seit 25 Jahren hartnäckig den Kopf in den Sand und beteuern, es sei ja so gut, dass dieser Film niemals fortgesetzt wurde. Sollten Sie zu dieser Gruppe gehören: Dies ist Ihre letzte Chance, danach gibt es kein Zurück. Überspringen Sie den Rest des Artikels und glauben an das, was Sie glauben wollen.

Wenn Sie weiterlesen, bleiben Sie im Wunderland und ich führe Sie in die tiefsten Tiefen des Franchise-Baus. Denn spätestens als "The Matrix" alle DVD-Verkaufserfolge brach, war klar, dass eine Fortsetzung nicht ausbleiben konnte. Dann wurden jedoch nicht eine Sequel angekündigt, sondern gleich zwei.

Vor den Sequels erschienen diverse Comics sowie neun Kurzfilme, die die Handlung ausbauten und weiterentwickelten. Der neunminütige CGI-Kurzfilm "The Last Flight Of The Osiris [32]" lief als Vorfilm für "Dreamcatcher" (2023) sogar im Kino.

Am 22. Mai 2003 kam "The Matrix Reloaded" in die Kinos, sechs Monate später "The Matrix Revolutions". Parallel zur ersten Sequel erschienen das Videospiel "Enter The Matrix". Es verlief parallel zur Filmhandlung und enthielt zusätzliche Szenen mit den Original-Schauspielern.

"The Matrix Reloaded" brach diverse Kassenrekorde, produzierte aber auch viele enttäuschte Reaktionen – nicht zuletzt durch das offene Ende. Letztlich waren die Sequels eine gemeinsame Geschichte in zwei Teilen.

Als "The Matrix Revolutions" endlich in die Kinos kam, setzte sich die Polarisierung des Publikums fort: Die einen empfanden es als mutig, wie die Wachowskis den Erwartungen trotzten. Die anderen reagierten äußerst sauer darauf, was die Sequels mit den lieb gewordenen Figuren anstellten. Fans, für die es vorher nie genug Matrix geben konnte, kehrten der Franchise erbost den Rücken zu.

Das waren schlechte Nachrichten für die Videospiele "The Matrix: Path of Neo" für PC, PS2 und Xbox und "The Matrix Online" für PCs. In "Path of Neo" spielten Spieler die Action-Szenen der Filme als Neo nach – mit einem wesentlichen Unterschied am Ende.

Das Multi-Player-Spiel "The Matrix Online" setzte die Handlung der Filme in Echtzeit fort, mit dem Segen der Wachowskis. Die Kritiken für beide Titel waren durchwachsen; das MMORPG stellte 2009 mangels Spielermasse den Betrieb der Server ein.

Für einige Jahre wurde es still um die Franchise. Immer wieder bekundete das Studio reges Interesse an einer Fortsetzung, immer wieder erklärten die Wachowskis, für sie sei das Thema erledigt. Das änderte sich erst 2019, als Lana Wachowski eine sinnvolle Fortsetzung einfiel. So kam am 17. Dezember 2021 "The Matrix Resurrections" ins Kino und gab der Geschichte ein neues Ende.

Bücher und Filme mit gigantischen Verschwörungen sind nichts Neues. Auch virtuelle Welten kamen in Kino und Fernsehen schon vor "The Matrix" zum Zug: Da wären etwa "Welt am Draht" von 1973, "Tron" von 1982, "Projekt Brainstorm" (Brainstorm) von 1983, "Total Recall - Die totale Erinnerung" (Total Recall) von 1990, "Der Rasenmähermann" (The Lawnmower Man) von 1992, "Wild Palms" von 1993 und "Strange Days" (1995). Von der thematischen Nähe zu "The Matrix" her sei insbesondere der deutsche Zweiteiler "Welt am Draht [33]" ans Herz gelegt.

Kurz vor der Jahrtausendwende muss das Thema der Scheinwelten aber besonders schwer in der Luft gelegen haben. Ein Jahr vor "The Matrix" erschien "Dark City [34]", dessen Handlung streckenweise erstaunliche Parallelen zeigt. Einen Monat nach "The Matrix" kam "eXistenZ [35]" in die Kinos, ebenfalls ein Spiel mit Realitätsebenen. Ende Mai 1999 folgte "The 13th Floor [36]", auch das ein Science-Fiction-Thriller mit Virtual-Reality-Elementen.

Von all diesen geistigen Verwandten blieb jedoch "The Matrix" der Film, der in der Popkultur die deutlichsten Spuren hinterließ. Der Mensch als Geißel des Planeten und das Versinken in virtuellen Welten sind Themen, die 25 Jahre später immer noch so aktuell sind wie am 31. März 1999, als die grünen Buchstaben von "The Matrix" zum ersten Mal die Leinwand herunterrieselten. (dahe [37])


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[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Nokia_8110
[5] https://www.imdb.com/title/tt0112401/
[6] https://www.imdb.com/title/tt0115736/
[7] https://www.buzzfeed.com/adambvary/the-wachowskis-jupiter-ascending-the-matrix-cloud-atlas?utm_term=.ymo5v6emA#.lrRYbkp09
[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Der_ungl%C3%A4ubige_Thomas_(Caravaggio)
[9] https://www.thewrap.com/the-matrix-filmmakers-wanted-sandra-bullock-as-neo-before-keanu-reeves-took-the-role/
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[12] https://de.wikipedia.org/wiki/Simulacres_et_Simulation
[13] https://web.archive.org/web/20080113012028/http://www.empyree.org/divers/Matrix-Baudrillard_english.html
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[16] https://www.youtube.com/watch?v=ocLJWCnMhTo
[17] https://www.youtube.com/watch?v=9el2lg2olpE
[18] https://www.youtube.com/watch?v=7SrN8OubuHo
[19] https://en.wikipedia.org/wiki/Kill_and_Kill_Again
[20] https://youtu.be/M5hwo2Cu6Sg?t=5765
[21] https://youtu.be/E4eb_ozkvXo?t=192
[22] https://www.youtube.com/watch?v=Kjcv-JtUOgA
[23] https://www.youtube.com/watch?v=73ytL_HAwt8
[24] https://youtu.be/yg7Vk4b0Ook?t=130
[25] https://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/Main/BulletTime
[26] https://youtu.be/FTbjIS5DCZI?t=26
[27] https://www.youtube.com/watch?v=LtY_yO68uZg
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[30] https://www.them.us/story/lilly-wachowski-mentoring-the-matrix-interview
[31] https://en.wikipedia.org/wiki/Red_pill_and_blue_pill
[32] https://www.imdb.com/title/tt0350934/
[33] https://de.wikipedia.org/wiki/Welt_am_Draht
[34] https://www.imdb.com/title/tt0118929/
[35] https://www.imdb.com/title/tt0120907/
[36] https://www.imdb.com/title/tt0139809/
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