30 Jahre Suzuki DR 350

Die Suzuki-Enduro ist ein Bestseller der 90er. Wie gut ihr Motor war, zeigt sich daran, dass er noch 20 Jahre nach Einstellung der DR 350 weitergebaut wurde.

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30 Jahre Suzuki DR 350

Einfach, gut: Die simple Maschine erwies sich als Erfolg über zehn Jahre.

(Bild: iga)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Als Suzuki 1990 die DR 350 S präsentierte, war sie nicht unbedingt eine Sensation. Yamaha und Honda boten schon seit einigen Jahren Enduros mit 350 Kubikzentimetern an und somit kam die Suzuki eigentlich viel zu spät auf den Markt, zumal auch der Motor keine Vorteile gegenüber den Rivalen bot: Es war ein luft-/ölgekühlter Einzylinder mit einer obenliegenden Nockenwelle und vier Ventilen, der es auf 30 PS brachte.

Die DR 350 S besaß so viel Charme, dass sie in der folgenden Dekade zehntausende von Käufern überzeugte, als die Konkurrenz ihre 350er-Modelle schon längst zugunsten kräftigerer Modelle aus dem Programm genommen hatte. Tatsächlich war die kleine Suzuki-Enduro in den 1990er Jahren ein weltweiter Bestseller. Man sah sie in der City und traf sie in der Wüste.

30 Jahre Suzuki DR 350 (15 Bilder)

Vor 30 Jahren brachte Suzuki eine kleine Enduro auf den Markt, deren Erfolg 1990 noch nicht unbedingt absehbar war. Doch die DR 350 mauserte sich in der folgenden Dekade zum Bestseller. Sie wurde von Einsteigern wie Profis gleichermaßen geliebt.

Die Optik der DR 350 war eng an die der Motocrosser angelehnt. Sie strahlte in jedem Detail Geländetauglichkeit aus und enttäuschte die Erwartungen auch im Fahrbetrieb nicht. Mit üppigen 280 Millimetern Federweg vorn und hinten überbot sie ihre Konkurrentinnen und auch ihre spielerische Handlichkeit kam dem Enduristen beim Wühlen im Dreck entgegen. Das Fliegengewicht mit nur 140 Kilogramm Leergewicht überforderte niemanden, was vor allem Geländeeinsteiger an ihr schätzten.

Der drehfreudige Motor bot zwar nicht sonderlich viel Punch aus dem Drehzahlkeller, vertrug aber klaglos 9500/min. Dank einer Ausgleichswelle hielten sich die Vibrationen in Grenzen. Das Fahrwerk war eher weich abgestimmt, aber wer das Federbein an der Aluminiumschwinge genügend vorspannte, die Druckstufe am externen Druckbehälter hochdrehte und die Telegabel ebenfalls auf maximalen Druck einstellte, brachte es selbst bei engagiertem Einsatz im Gelände nicht zum Durchschlagen. Auf Schotterstrecken und holprigen Pfaden lief die kleine Suzuki zur Höchstform auf und hing so manche deutlich hubraumstärkere, aber schwerere Enduro locker ab.

Doch auch im Alltag konnte die DR 350 S überzeugen, sie sprang stets brav an und lieferte mit einer Beschleunigung von null auf hundert in acht Sekunden und einer Höchstgeschwindigkeit von 135 km/h akzeptable Fahrwerte für eine Enduro. Wer fleißig schaltete und den Einzylinder bei Drehzahlen hielt, war auf kurvigen Landstraßen verblüffend flott unterwegs. Lediglich ihre Sitzhöhe von 890 Millimeter machte Kurzbeinigen zu schaffen. Zwar war auch die relativ schmale Sitzbank nicht gerade ein Sofakissen, bot aber immer noch einen gewissen Grad an Komfort. Die Vorderradbremse verzögerte im Straßenbetrieb eher mäßig, aber im Gelände waren zu heftig zubeißende Stopper ohnehin unerwünscht.

Die DR 350 S fand sowohl unter Einsteigern, also auch unter Experten viele Fans und vor allem Motorradfahrer mit klammen Portemonnaie schätzten die günstige Suzuki. Auch in Unterhalt und Reparaturfreundlichkeit wusste die kleine Enduro zu glänzen. Sogar die Fernreisefraktion fand rasch Gefallen an der DR 350 S, sie mochte besonders ihre Zuverlässigkeit. Die Motoren galten als haltbar und wer die Service-Intervalle einhielt, brauchte keine bösen Überraschungen zu befürchten. Ihr neun Liter großer Stahltank war für Endurorennen ausreichend, auf Langstrecken aber zu klein und so gab es bald diverse große Kunststoff-Tanks auf dem Zubehörmarkt, ebenso wie Gepäckbrücken, Alukoffer, stabilere Lenker, härtere Federbeine und Gabelfedern. So gerüstet begaben sich viele mit der DR 350 S sogar auf Fernreisen quer über Kontinente.

Dass die kleine Suzuki tatsächlich rallyetauglich war, bewies sie beim Einsatz auf der berüchtigten Paris-Dakar, wo sie von einigen Privatfahrern präpariert und eingesetzt wurde. Patricia Schek – Tochter des Enduro-Urgesteins Herbert Schek aus dem Allgäu – wurde 1992, als die Rallye aus Sicherheitsgründen nicht nach Dakar sondern den langen Weg bis nach Kapstadt führte, auf einer Suzuki DR 350 Zweite in der Damenwertung.

In Amerika wurde die kleine Suzuki auch von Beginn an als verschärfte Sportenduro DR 350 mit noch längeren Federwegen, leichteren und stabileren Felgen, Kunststofftank, kleinerem Scheinwerfer und kürzerer Sekundärübersetzung angeboten. Dank eines Mikuni-Flachschieber-Vergasers und einem Sportauspuff leistete sie 33 PS. Ohne Soziusfußrasten, Kettenschutz, Kotflügelverlängerung und Werkzeugbox wog sie nur 113 Kilogramm trocken. Nach Europa kam die Sportversion offiziell nicht, allerdings bekam man die DR 350 auf Sonderbestellung mit Zulassung per Einzelabnahme.

1992 kam die DR 350 SH mit einer sehr cleveren Lösung, die es so an keinem anderen Motorrad gab: Sie verfügte über eine hydraulische Höhenverstellung. Das Suzuki Height Control (SHC) genannte System konnte per Handrad bedient werden und veränderte über Hydraulikzylinder an Gabel und Federbein die Sitzhöhe um 40 Millimeter, wobei der volle Federweg erhalten blieb. Die Energie dafür bezog die Suzuki über eine Membranpumpe am Federbein. Obwohl die DR 350 SH nur vier Kilogramm mehr wog, eine Upside-down-Gabel besaß und mit 7950 Mark gerade Mal 700 Mark mehr kostete als die S-Version, konnte sie sich nicht richtig durchsetzen und verschwand nach drei Jahren wieder vom Markt. Heute gehört die rare SH zu den gesuchtesten DR 350-Modellen. Es ist ausgesprochen schade, dass Suzuki das SHC nicht weiterentwickelt hat.

Im Jahr 1994 erhielt die DR 350 endlich einen E-Starter und das Kürzel SE verpasst. Auch wenn der Motor per Kickstarter immer gut ansprang, wünschten sich viele Kunden den praktischen Startknopf am Lenker. Die Verkaufszahlen sprachen eindeutig für die SE-Variante, sodass das Kickstarter-Modell ein Jahr später aus dem Programm flog. Vor allem der Frauenanteil unter den Käufern der DR 350 SE wuchs deutlich. Allerdings war es immer noch möglich, den Kickstarter nachzurüsten, denn die Welle war weiterhin vorhanden. Viele Enduristen schätzten gerade bei Rennen die doppelte Möglichkeit den Motor zu starten, falls die Batterie mal leergeorgelt sein sollte.

Der 349-cm3-Motor erwies sich nicht nur als sehr zuverlässig sondern auch als sehr begehrt. Selbst nachdem die DR 350 SE Ende 1999 zugunsten ihrer Nachfolgerin DR-Z 400 S eingestellt wurde, lief der Motor weiterhin vom Band, denn die italienische Marke Beta bezog für ihr Modell Alp 4.0 den DR-350-Motor weiterhin von Suzuki. Die Produktion des Einzylinders endete erst 2019, weil er die Euro-5-Norm nicht mehr schaffte. So überlebte der Motor das Motorrad um zwanzig Jahre.

Die DR 350 hat sich in ihren diversen Varianten in den 1990er Jahren einen hervorragenden Ruf erarbeitet. Für tausende Einsteiger waren die Suzuki DR 350 S und DR 350 SE das erste Motorrad und sie denken heute mit Wehmut an das leichte Allroundtalent zurück. Wie begehrt sie immer noch ist, zeigt die Tatsache, dass sie auf dem Gebrauchtmarkt inzwischen rar geworden ist und die angebotenen Exemplare zu Preisen gehandelt werden, die teilweise über ihrem damaligen Neupreis liegen. Der Grund liegt darin, dass die oft langjährigen Besitzer sich einfach nicht von ihrer DR 350 trennen wollen, die so ungemein viel Spaß bereitet, im Unterhalt kaum etwas kostet und immer noch zuverlässig ihren Dienst versieht.

(fpi)