An die Hand genommen

Die Software von Gero Decker (34) macht Unternehmen transparent: Endlich weiß auch bei komplizierten Prozessen die linke Hand, was die rechte tut.

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Von
  • Claudia Wessling

Als Gero Decker sich auf Skype zuschaltet, ist er gerade in Seattle. "Unser Team wächst in schnellen Schritten", sagt der Gründer der Firma Signavio. Das 2009 in Berlin gegründete Unternehmen will weiter wachsen in den USA, wo es mit einer Handvoll Mitarbeiter ein Viertel seines Umsatzes macht. Der vergrößerte US-Hauptsitz soll an der Ostküste sein, noch an diesem Tag wird der 34-Jährige Vorstellungsgespräche in Boston führen.

Der Informatiker hätte es vielleicht bequemer haben können: Nach der Promotion am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam hatte er mehrere Jobangebote, arbeitete eine Zeitlang bei der Unternehmensberatung McKinsey. Doch Decker wollte selbstständig sein: In seiner Doktorarbeit hatte er sich mit Prozessmanagement beschäftigt, lange ein Nischenthema. Als beispielsweise Anfang des Jahrtausends die schnellen DSL-Telefonanschlüsse aufkamen, gerieten viele Anbieter unter Druck. Die Kundenbetreuung nahm alle Anträge an und versprach schnelle Lieferung, doch die Technikabteilungen kamen nicht hinterher. In solchen Fällen soll Prozessmanagement helfen, die einzelnen Schritte besser abzustimmen, um den DSL-Kunden realistische Angaben machen zu können, wann ihr Anschluss kommt. Die Experten dafür kaufen viele Unternehmen aber nur zeitweise ein, sie verschwinden nach getaner Arbeit wieder. Decker und seine Kollegen wollten eine nachhaltigere Lösung: Inspiriert von sozialen Netzwerken und Kommunikationsplattformen im Internet, entwickelten sie eine Software, die Mitarbeiter im laufenden Prozess mitgestalten lässt. Signavio – übersetzt heißt das in etwa "Den Weg weisen" – war geboren.

Der Bedarf an Orientierung war da: Kurz nach der Gründung gewann das Start-up die Krankenkasse AOK als großen Kunden. Beim Internet- und Telefonprovider 1&1 sprang Signavio ein, als der Ansturm auf DSL-Anschlüsse einsetzte. Heute verkauft Signavio seine Software an mehr als 900 Kunden weltweit – darunter finden sich Behörden, Versicherungen, Banken, Verlage und die verarbeitende Industrie.

Deckers jüngstes Produkt geht noch einen Schritt weiter: Der sogenannte Decision Manager hilft Mitarbeitern und Managern bei Entscheidungen. Die Wirtschaftsprüfer von KPMG etwa füttern ihn mit Gesetzesänderungen und neuen Steuerrichtlinien. Anschließend kann die Signavio-Software die Berater durch den Finanzdschungel führen. "Unsere Lösung hilft dabei, die richtigen Gesetze zum richtigen Zeitpunkt zu beachten", sagt Decker.

Das Konzept scheint aufzugehen: Binnen weniger Jahre ist die Belegschaft auf etwa 100 Mitarbeiter gewachsen. Ende 2015 kündigte der IT-Investor Summit Partners an, 31 Millionen Dollar in das Unternehmen zu stecken. Seine dreieinhalb Jahre und neun Monate alten Söhne sieht er derzeit nicht oft, auch sein Hobby Segeln muss warten: "Ich werde viel pendeln müssen, aber ich freue mich auf die kommende Zeit." (bsc)