E-Scooter: "Deutsche Kommunen streben kein gesetzliches Verbot an"

Frankreichs Hauptstadt verbietet Leih-E-Scooter. Gerd Landsberg, GF des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, spricht im Interview über die Lage bei uns.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 106 Kommentare lesen
Elektro-Stehroller liegen herum.

Herumliegende E-Stehroller.

(Bild: heise online / anw)

Lesezeit: 6 Min.
Inhaltsverzeichnis

Die Einwohner von Paris haben sich in einer Abstimmung mit großer Mehrheit gegen den öffentlichen Verleih von E-Scootern in der französischen Hauptstadt ausgesprochen. Von rund 1,4 Millionen Wahlberechtigten nahmen 103.084 an der Abstimmung teil, davon votierten 91.385 gegen die Selbstbedienungs-Roller, 11.256 dafür.

Damit werden die derzeit rund 15.000 Stehroller von drei Vermietern laut Aussagen von Bürgermeisterin Anne Hidalgo zeitnah von den Pariser Straßen verschwinden. Im Interview mit MIT Technology Review sagt Gerd Landsberg, Geschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, welche Auswirkungen das auf Deutschland haben könnte – und wie zukunftsfähige Mobilität ohne Konflikte funktionieren soll.

Herr Landsberg, in der französischen Hauptstadt Paris wurde jetzt per Bürgerbefragung entschieden, dass Leih-E-Scooter verboten werden sollen. Ginge so etwas auch in deutschen Städten und Gemeinden?

Gerd Landsberg: Wenn wir es nicht hinbekommen, mehr Ordnung bei E-Scooter-Leihangeboten im Stadtbild zu erreichen, dann werden zumindest strengere Regeln und Beschränkungen diskutiert werden müssen. Die E-Scooter haben ja derzeit ein Akzeptanzproblem. Das kommt natürlich bei den Kommunen und auch beim Gesetzgeber an. Aber um eines klarzustellen: Die Kommunen in Deutschland streben kein gesetzliches Verbot von E-Scootern an. So etwas sollte immer nur ein letztes Mittel sein. Im Vordergrund sollten lokale Lösungen stehen.

Welche Schwierigkeiten melden Ihnen Ihre Mitglieder im täglichen Umgang mit den Leih-E-Scootern?

Die Problemlagen bei E-Scootern ähneln sich in vielen Städten weltweit. Insbesondere das falsche Abstellen der Leihfahrzeuge auf Gehwegen ist weit verbreitet.

(Leih-)E-Scooter sind nun seit 2019 offiziell bundesweit erlaubt. Hat sich an der Situation seither etwas verbessert? Welche Rolle spielen Sondernutzungsgenehmigungen?

Bei der Einführung der E-Scooter gab es unterschiedliche Herangehensweisen der Städte im Umgang mit den Leihangeboten. In Deutschland nutzt mittlerweile eine zunehmende Zahl an Kommunen das Instrument der Sondernutzungserlaubnis. Diese kann Anbietern bei Nicht-Einhaltung der Vorgaben entzogen werden. Wir halten das für den richtigen Weg.

Wie muss man sich die Abstimmung zwischen Anbietern und Kommunen vorstellen? Kann ein Anbieter einfach kommen und loslegen?

Das war 2019 so, wobei die Anbieter in der Regel die Abstimmung mit den Städten gesucht haben. Das läuft dann über freiwillige Vereinbarungen, wo z.B. Verbotszonen wie Parks etc. vereinbart werden. In den Kommunen, wo E-Scooter als so genannte Sondernutzung eingestuft werden, braucht es jetzt zwingend diese Genehmigung.

Seh- und Gehbehinderte fühlen sich von falsch abgestellten E-Scootern in ihrer Mobilität beschränkt. Welche Hilfe können Städte und Gemeinden hier geben?

Machen wir uns nichts vor, die Ordnungsämter werden es kaum schaffen, jeden E-Scooter auf dem Gehweg wegzuräumen. Das ist eine klare Aufgabe der Anbieter, die das Fehlverhalten einiger Nutzer sanktionieren müssen. Leider stehen aber auch nicht nur E-Scooter manchmal auf dem Gehweg und gefährden somit die Sicherheit von Fußgängerinnen und Fußgängern.

Was ist mit technischen Lösungen, etwa, dass man die E-Scooter nur an bestimmten Stellplätzen abgeben kann? Gibt es eine Art technisches Allheilmittel?

Die verpflichtende Nutzung fester Abstellbereiche halten wir für den richtigen Weg. Abseits solcher Bereiche, also z.B. auf Gehwegen sollte das Abstellen dann generell nicht möglich sein. Das ist technisch mit dem so genannten Geofencing kein Problem.

Städte und Gemeinden kommen immer mehr Aufgaben zu. Wäre es gut gewesen, ihnen die (Leih-) E-Scooter zu ersparen oder ist dies eben eine Frage des mobilen Fortschritts?

Dr. Gerd Landsberg, Geschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes.

(Bild: (c) Bernhardt Link - Farbtonwerk)

Wir sollten uns vor neuen Mobilitätskonzepten und Innovationen nicht scheuen, sondern diese so regulieren, dass wir damit sowohl ein zusätzliches Angebot schaffen als auch verkehrspolitische Ziele erreichen. Gerade in den Innenstädten wollen wir Alternativen zum Auto stärken. Das ist neben der Klimafrage auch eine Platzfrage. Aber was die Ersetzung von Autofahrten angeht, ist bei geliehenen E-Scooter noch Luft nach oben. Übrigens ganz anders werden private E-Scooter genutzt. Die werden mit in die Bahn genommen oder liegen im Kofferraum und werden dann auf der letzten Meile eingesetzt. Mit dem eigenen Fahrzeug geht man auch ganz anders um und lässt es nicht irgendwo herumliegen.

Helfen E-Scooter bei einer Verbesserung der Mobilität oder nehmen Sie anderen Verkehrsmitteln, die sowieso schon umweltfreundlich sind, Nutzer weg?

Damit E-Scooter einen Beitrag zur nachhaltigen Mobilität auf eine stadtverträgliche Art leisten können, müssen sie in die Verkehrssysteme vor Ort integriert werden. Das funktioniert bereits in einigen Städten an Mobilitätsstationen oder im Verbund mit dem Öffentlichen Nahverkehr. Anbieter und Kommunen müssen also kooperieren.

Ist das Verkehrsrecht ausreichend auf E-Scooter vorbereitet, etwa im Hinblick auf Sanktionierungen?

Änderungen in den Straßengesetzen von Bund und Ländern sowie der StVO könnten den Umgang der Kommunen mit den Anbietern unterstützen. Die Leihangebote sollten dort klar als Sondernutzung und übermäßige Straßenbenutzung eingestuft werden. Hier ist die Situation noch nicht in allen Bundesländern gleich. Das würde dann auch unnötige Gerichtsverfahren ersparen. Wir können uns zudem vorstellen, dass in bestimmten Bereichen, die Geschwindigkeit der Fahrzeuge automatisch gedrosselt wird. Auch das ist technisch möglich.

Fühlt sich der deutsche Städte- und Gemeindebund von der Politik auf Bundes- und Landesebene ausreichend unterstützt, um Konflikte um die (Leih-)E-Scooter lösen zu können?

Unabhängig von dem Kooperationswillen der Anbieter braucht es wirksame Steuerungsinstrumente, um insbesondere das Abstellen von stationslosen Mieträdern und Miet-Elektrokleinstfahrzeugen im öffentlichen Straßenraum zu regeln und die Systeme als nachhaltige Mobilitätsform auszugestalten. Das gewerbliche Abstellen von Fahrrädern und E-Scootern sollte bundesweit durch eine Ergänzung der StVO als übermäßige Straßenbenutzung eingestuft werden. Die Bereitstellung der Angebote muss zudem in den Straßengesetzen von Bund und Ländern klarstellend als Sondernutzung verankert werden.

(bsc)