Fleisch aus dem Labor: Warum Markt und Verbraucher noch nicht so weit sind

Ethisches, umweltfreundliches, in Massenproduktion hergestelltes Fleisch klingt zu gut, um wahr zu sein. Doch es scheint keine echte Lösung zu sein.

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Lust auf Lasagne?

(Bild: etorres/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Jessica Hamzelou
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Zahlreiche Unternehmen arbeiten derzeit daran, Fleich aus dem Labor zu erzeugen. Dafür schlachten sie keine Tiere, sondern erzeugen die Muskel- und Fettzellen in Bioreaktoren und verarbeiten diese anschließend zu fertigen Produkten. Das soll nicht nur umwelt- und tierfreundlich sein, sondern dem Original auch geschmacklich in nichts nachstehen, versprechen die Unternehmen. Aber ist es wirklich so einfach?

Hat Fleisch aus dem Labor bei Verbraucherinnen und Verbrauchern eine Chance? Das Thema hat mich in den vergangenen Wochen aus mehreren Gründen beschäftigt. Auf der jüngsten ClimateTech-Veranstaltung von MIT Technology Review in den USA interviewte mein Kollege James Temple den CEO von Impossible Foods, Pat Brown. Das Unternehmen stellt Fleischalternativen her, die dem echten Fleisch sehr ähnlich sein sollen, aber eine pflanzliche Basis haben – das bekannteste Produkt im Sortiment ist der "Bleeding"-Burger. Auf die Frage, was er von "zellbasiertem" Fleisch halte, antwortete Brown: "Ich sehe es sicherlich nicht als Konkurrenz", was ich bemerkenswert fand.

Passend dazu erschienen in der jüngsten Ausgabe der Fachzeitschrift "Nature Food" einige Artikel, in denen die Argumente für und gegen kultiviertes Fleisch näher beleuchtet werden. Und dann sind da noch ganz persönliche Gründe: Als jemand, der kein Fleisch isst, ist es meine Aufgabe, eine Alternative zu finden, die allen schmeckt, auch meinen wählerischen Kindern und meinem fleischliebenden Vater – was leichter gesagt ist, als getan.

Auf dem Papier gibt es jedenfalls viele Argumente dafür, warum Fleisch, das in Bioreaktoren gezüchtet wird, eine brillante Idee ist. Zunächst einmal könnten wir damit die vielerorts grausame Massentierhaltung einschränken. Eine solche Aufzucht von Tieren auf engstem Raum schadet nicht nur dem Tierwohl, sie schafft auch perfekte Bedingungen für die Ausbreitung von Krankheiten, die sogar auf den Menschen übertragen werden können. Der Einsatz von Antibiotika zur Vermeidung solcher Krankheitsausbrüche ist problematisch. Man schätzt, dass etwa 70 Prozent der Antibiotika, die wir zur Behandlung von Infektionen bei Menschen einsetzen, auch bei Nutztieren verwendet werden. Mikroorganismen, die dadurch gegen Antibiotika resistent werden, können in Nutzpflanzen, Böden, Flüsse und Menschen gelangen und unbehandelbare und möglicherweise tödliche Krankheiten verursachen. So starben im Jahr 2019 schätzungsweise mindestens 1,2 Millionen Menschen an antibiotikaresistenten Infektionen.

Die traditionelle Fleischproduktion ist zudem umweltschädlich. Die Tierhaltung ist für einen großen Teil unserer Treibhausgasemissionen verantwortlich. Wir nutzen mehr als ein Drittel des bewohnbaren Landes auf unserem Planeten für die Tierhaltung – Land, das früher vielleicht aus CO2-speichernden Wäldern bestand. Die Zerstörung von Wäldern für die Landwirtschaft kann außerdem die Artenvielfalt dezimieren, da vor allem bedrohte Arten ihres Lebensraums beraubt werden.

Die einfache Lösung für diese Probleme: Wir sollten Fleisch – und tierische Produkte im Allgemeinen – aus unserer Ernährung streichen. Das ist derzeit aber kaum umsetzbar. Denn obwohl pflanzliche Alternativen beliebter werden, sind sie für viele Menschen keine schmackhafte Option. Studien aus den USA, Europa und Australien zeigen, dass nur eine kleine Minderheit bereit ist, auf Fleisch zu verzichten, selbst wenn die Menschen um dessen Umweltauswirkungen wissen. Kultiviertes Fleisch, das dem "echten" Fleisch in nichts nachsteht, aber nachhaltig und ohne zusätzliche Grausamkeiten für das Tier hergestellt wird, wäre möglicherweise ein Kompromiss.

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Leider ist es nicht ganz so einfach. Zum einen ist es nicht gerade günstig, tierische Zellen so zu züchten, dass sie einem Burger, Steak oder Nugget ähneln. Die Herstellung des ersten im Labor gezüchteten Burgers kostete im Jahr 2013 rund 330.000 US-Dollar. Seitdem sind die Preise zwar gesunken, aber nicht in dem Maße, dass sie mit den derzeit erhältlichen Fast-Food-Produkten konkurrieren könnten. Laut einer im vergangenen Jahr veröffentlichten Analyse wäre es mit den vorhandenen Technologien unmöglich, ein konkurrenzfähiges Produkt für den gleichen Preis herzustellen.

Bevor in Bioreaktoren gezüchtetes Fleisch auf unseren Tellern landet, muss es zum anderen von den Aufsichtsbehörden genehmigt werden. Vor ein paar Jahren gaben die Behörden in Singapur grünes Licht für ein im Labor hergestelltes Hähnchen-Nugget des kalifornischen Unternehmens Eat Just. Viele glauben jedoch, dass die Zulassung in anderen Ländern noch in weiter Ferne liegt.

Nehmen wir an, wir überwinden diese beiden Hürden und bringen ein günstiges Produkt aus gezüchtetem Fleisch auf den Markt. Würde es jemand essen? Mich persönlich reizen diese Produkte nicht. Ich habe die meiste Zeit meines Lebens Fleisch gemieden und kann den Gedanken nicht ertragen, tierische Muskelfasern zu essen, selbst wenn sie in einem Bioreaktor gezüchtet wurden. Ich halte Linsen immer noch für eine billigere, gesündere und nachhaltigere Alternative als selbst im Labor gezüchtetes Fleisch. Aber vielleicht sind Menschen wie ich auch nicht die Zielgruppe. Der Niederländer Mark Post, der die Entwicklung des ersten Burgers mit gezüchtetem Fleisch leitete, wird mit den Worten zitiert: "Offen gesagt, Vegetarier sollten Vegetarier bleiben, das ist besser für die Umwelt als gezüchtetes Rindfleisch."

Es geht also eher darum, eingefleischte Fleischesser zum Umdenken zu bewegen. Viele Menschen, die Fleisch essen, sollten ihrer eigenen Gesundheit zuliebe ihren Speiseplan umstellen. Nun gibt es aber keinen offensichtlichen Grund, warum kultiviertes Fleisch gesünder sein sollte als echtes. Technisch gesehen könnte man das Fett weglassen, aber dadurch würde es weniger fleischähnlich werden. Und das macht den Zweck irgendwie zunichte.

Nicht zuletzt ist es einfach immer noch so, dass viele Menschen wahrscheinlich gar nicht auf Fleisch verzichten wollen. Ein Umfrage aus dem Jahr 2016 ergab, dass etwa ein Drittel der Befragten wahrscheinlich oder auf jeden Fall bereit wäre, für eine im Labor gezüchtete Alternative auf Fleisch aus der Landwirtschaft zu verzichten. Ein ähnlicher Anteil lehnte dies jedoch ab. Die Gegner gingen davon aus, dass kultiviertes Fleisch weniger schmackhaft, weniger ansprechend und teurer sein würde.

Es ist noch zu früh, um Schlussfolgerungen darüber zu ziehen, wie schmackhaft oder nicht schmackhaft kultiviertes Fleisch sein wird, da es noch kaum jemand probiert hat. Aber vielleicht bleibt das auch so. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass Truthahn aus dem Bioreaktor in absehbarer Zeit auf unserem Festtagstisch landet.

(jle)