Labor im Kleinformat gegen Grippeepidemie

Ein kleines, transportables Gerät analysiert innerhalb weniger Stunden das Genom von Influenza-Viren.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Sarah J. Heim

Stellen Sie sich vor, eine Grippe-Pandemie sei in Asien ausgebrochen. Ein Flugzeug mit Passagieren, die dem Virus ausgesetzt waren, fliegt über den pazifischen Ozean nach Los Angeles. Einer der Personen beginnt zu husten, was seine Mitpassagiere in Angst und Schrecken versetzt. Doch eine der Flugbegleiterinnen handelt schnell und bestimmt: Sie greift sich ein kleines Gerät aus dem Gepäckfach, nimmt einen Halsabstrich des betroffenen Reisenden und identifiziert noch im Flugzeug eine Influenza-Infektion. Nach der Landung werden alle Passagiere unter Quarantäne gestellt, die Verbreitung der Pandemie ist gestoppt.

Das beschriebene Szenario könnte sich in nicht all zu ferner Zukunft abspielen. Eine Gruppe von US-Forschern arbeitet derzeit an einer Methode, genetische Informationen kostengünstig aus menschlicher DNS zu extrahieren. Kombiniert mit drahtlosen Netzwerken könnte man damit in Zukunft gar die Verbreitung von Grippevirenarten auf der ganzen Welt beobachten.

1992 startete eine multidisziplinäre Gruppe an der University of Michingan mit der Arbeit an einem "Lab-on-a-Chip"-- Gerät namens Genotyper. Damit sollten sich die notwendigen Schritte deutlich reduzieren, die zur Identifizierung genetischer Informationen aus menschlicher DNS benötigt werden.

DNS-Details ermöglichen die verschiedensten Tests - beispielsweise, ob ein Stück Huhn gesundheitsgefährdend ist, wo ein Blutfleck an einem Tatort herkommt oder ob ein Kind sich mit einer Virusgrippe angesteckt hat.

Nachdem die Forscher in Michigan mehrere Jahre an einem Prototypen gearbeitet hatten, begannen sie mögliche Anwendungen für ihren Genotyperzu diskutieren, denn das Gerät ist schließlich kaum größer als eine Fernbedienung.

"In dieser Tragbarkeit liegt der Hauptvorteil", sagt Ronald G. Larson, Leiter des Bereiches Chemieingenieurwesens an der University of Michigan. "Das Gerät erschien uns ideal, um das Genom von Viren gleich vor Ort zu untersuchen -- die Influenza ist da natürlich der ideale Kandidat."

Weil es sich bei der Virusgrippe um ein RNS-Virus handelt, muss diese RNS zunächst zu DNS umgewandelt werden. Bei der Genom-Analyse kommt ein Prozess namens Polymerase-Kettenreaktion, kurz PCR, zum Einsatz. Dabei werden Enzyme eingesetzt, die die DNS an bestimmten punkten "verdauen" - oder besser: zerschneiden.

"Wie das Gen zerschnitten wird, hängt ganz davon ab, um welchen Virentyp es sich handelt", sagt Larson. Die mit fluoreszierenden Markierungen versehenen DNS-Fragmente werden dann durch ein Gel geleitet und ausgelesen, um so die die einzelnen Grippetypen zu unterscheiden. So können die Wissenschaftler auch erkennen, ob eine neue Influenza- Art aufgetaucht ist.

Der Genotyper wurde bereits an menschlichen sowie an Mäuse-Genen getestet, die gern für die Untersuchung genetischer Variationen verwendet werden. Außerdem wurde die DNS zweier Grippestämme untersucht.

"Das Gerät entspricht einem Mikroprozessor, also einem Stück Hardware", sagt Chemie- und Biomedizin-Professor Mark A. Burns, der zum Urteam des Genotypers gehört. "Dann braucht es nur noch eine andere Software. In unserem Fall würde ich sie aber eher "Wetware" nennen. Man braucht verschiedene Reagenzien, um auf verschiedene Dinge zu testen."

Die Forscher aus Michigan haben bislang noch nicht mit Halsabstrichen gearbeitet, weil es hier noch Probleme mit dem Reinheitsgrad der Probe gibt. Bislang wurde immer nur vorgesäuberte DNS verwendet, deren Erbgut dann bestimmt wurde.

Obwohl die letzte Grippe-Pandemie 36 Jahre zurückliegt, ist die Gefahr eines neuerlichen Ausbruchs ständig gegeben. Die jüngsten Fälle der Vogelgrippe unterstreichen dies deutlich. Grippeviren mutieren ständig, sind leicht übertragbar und können vom Tier zum Menschen überspringen. Es ist also sehr wichtig, dass das Aufkommen neuer Grippeviren ständig überwacht wird.

William A Petri Jr., Professor für Medizin, Mikrobiologie und Pathologie an der Universität von Virginia, sagt, dass nahezu alle Grippeexperten an eine neue Pandemie glauben.

Als Arzt kann sich Petri gut vorstellen, dass er eines Tages ein Genotyper-artiges Gerät verwenden wird, um schnell Typ, Subtyp und Stamm eines Grippevirus zu identifizieren, mit der er es bei einem Patienten zu tun hat. Anschließend könnte er dann das richtige Medikament wählen.

In 15 bis 20 Jahren soll es dem Patienten selbst möglich sein, eine Probe aus Hals oder Nase zu nehmen, um sie dann mittels Genotyper- Chip zu überprüfen und eine Selbstdiagnose zu stellen. Die Daten würden dann in ein drahtloses Netzwerk eingespeist, mit dem sich eine Influenza-Karte der ganzen Stadt erstellen ließe -- oder gar der ganzen Welt.

Derzeit warten die meisten Grippe-Patienten zwei bis drei Tagen, bevor sie zum Arzt gehen. Würden sie ihre Selbstdiagnose innerhalb der kritischen ersten 48 Stunden stellen, könnte ihnen wesentlich effektiver geholfen werden. Außerdem würde so die Infektionsgefahr bei den Mitmenschen sinken.

Burns denkt noch an allerlei weitere Einsatzmöglichkeiten eines integrierten Genotypers. Allerdings könnte die Technik auch zu Missbrauch führen. Skrupellose Krankenversicherer oder gewissenlose Arbeitgeber könnten Informationen über die DNS eines einzelnen Menschen abfangen und ihn dann aufgrund von Krankheitsgefahren diskriminieren.

Wie realistisch ist ein solches Gerät aber überhaupt? "Damit sich das kommerziell lohnt, müssen nicht nur technische, sondern auch soziologische und wirtschaftliche Dinge geklärt sein", meint Forscher Larson. Dennoch glaubt er daran, dass das Gerät zum günstigen Massenmarktprodukt werden könnte.

Es sei wichtig, nach vorne zu schauen: "Die Nachfrage nach Geräten, mit denen die Verbreitung von Viruserregern überwacht werden kann, ist groß." (wst)