Klimawandel? Energiekrise? Egal, wir machen Winterspiele in Saudi-Arabien

Die asiatischen Winterspiele 2029 sollen in Saudi-Arabien stattfinden. Damit hat sich das IOC erneut selbst unterboten.

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(Bild: Rejdan/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

Ich weiß, nicht, auf welchen Koordinaten des Raum-Zeit-Gefüges sich das asiatische Olympia-Komitee befindet. Der Planet Erde im Jahr 2022 kann es jedenfalls nicht sein. Die Entscheidung, ausgerechnet die asiatischen Winter(!)spiele 2029 in einen Wüstenstaat wie Saudi-Arabien zu verlegen, ist auf so ziemlich jeder Ebene krank und pervers.

1. Umwelt

Falls es sich noch nicht bis zum Komitee herumgesprochen haben sollte: Es gibt da ein gewisses Problem auf dem Planeten Erde, und Energie sinnlos damit zu verballern, Schnee zu erzeugen, wo sonst keiner liegt, und Wasser dorthin zu schaffen, wo sonst keines ist, trägt nicht wirklich zu dessen Lösung bei. Die Saudis haben zwar versprochen, die Winterspiele zu hundert Prozent mit erneuerbarer Energie auszurichten, aber die könnte besser dazu genutzt werden, fossile Energien zu ersetzen. Energieverschwendung bleibt Energieverschwendung.

Ein Kommentar von Gregor Honsel

Gregor Honsel ist seit 2006 TR-Redakteur. Er glaubt, dass viele komplexe Probleme einfache, leichtverständliche, aber falsche Lösungen haben.

2. Menschenrechte

Es ist erst vier Jahre her, dass der Journalist Jamal Kashoggi, offenbar unter Beteiligung der saudischen Regierung, ermordert und zerstückelt wurde. Von Frauen- und weiteren Menschenrechten in Saudi-Arabien brauchen wir hier gar nicht erst anzufangen. Aber kein Regime ist offenbar abstoßend genug, dass nicht doch irgendein internationaler Sportverband schwanzwedelnd angekrochen kommt, wenn die Kohle stimmt.

3. Vertrauen

Der Fifa fliegt durch die Fußball-WM in Katar gerade das letzte bisschen Restvertrauen um die Ohren. Der Lerneffekt beim Komitee? Null wäre noch geschönt. Selbst im Vergleich zur Fifa hat das asiatische Olympia-Komitee es geschafft, eine noch einmal um eine ganze Größenordnung absurdere Entscheidung zu treffen. Das muss man erstmal hinkriegen. Die Tatsache, dass es für 2029 keinen anderen Bewerber gab, ist keine Entschuldigung. Wenn sich andere Länder diesen Bombast nicht mehr antun können oder wollen, fällt das auch auf das Komitee zurück.

4. Sport

Wie auch immer die Saudis ihren Schneematsch herstellen wollen – ich wage die Prognose: Mit Wintersport wird das Ganze nur begrenzt zu tun haben. Deutlicher kann man nicht machen, wie egal einem Sportler und Zuschauer eigentlich sind.

Eine Erklärung liefert @marko_kovic auf Twitter: "Es ist eine der grössten Propagandaaktionen der Geschichte – und sie funktioniert. Die Winterspiele in Saudi-Arabien als idiotisches Mega-Projekt sind Teil der Strategie, Saudi-Arabien zum neuen Dubai zu machen. Die könnte klappen, denn Grossunternehmen und Superreiche schätzen Grössenwahn und finanzielle Anreize (und pfeifen auf Moral).“

Klingt plausibel. Die Frage ist nur: Warum muss das Olympia-Komitee als ehemals idealistischer Verband jedem, aber wirklich jedem auf dem Leim gehen, der mit Geldscheinen herumwedelt?

(grh)