Anga Com & Medienforum: Streit über Geoblocking und Regulierungen

Provider wollen mit Videos Geld verdienen, TV-Sender ihre Kundschaft online erreichen. Die Branche hofft auf Unterstützung aus Brüssel, fürchtet jedoch auch die Konsequenzen.

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Anga Com & Medienforum

Die Kernfrage der Breitbandmesse Anga Com: Wie lässt sich mit Fernsehinhalten Geld verdienen?

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Torsten Kleinz
Inhaltsverzeichnis

Wie können Rundfunk und Internet zusammenwachsen? Die Konvergenz des Mediensektors, war eines der Hauptthemen auf dem Medienforum NRW und der Providermesse Anga Com diese Woche in Köln. Während sich deutsche Regulierer aufgeschlossen zeigen, den Fernsehsendern alte Regulierungen wie strenge Werbezeitbeschränkungen zu erlassen, arbeitet die EU-Kommission an übergreifenden Regeln für alle Mediengattungen.

Die technische Entwicklung treibt dabei die Regulierung vor sich her. So protzten gerade die Kabel-Anbieter damit, im kommenden Jahr mit der Einführung des neuen Übertragungs-Standards DOCSIS 3.1 Datenübertragungraten im Gigabit-Bereich anbieten zu können. Was noch fehlt: genügend Inhalte, die diese Bandbreite für zahlende Kunden attraktiv macht. Parallel wollen Privatsender mit der Verschlüsselung ihrer bisher kostenlos ausgestrahlten Programme neue Einnahmequellen erschließen.

Die Strategie der Kabel-Anbieter: Sie wollen so weit wie möglich zum Lieferanten aller möglichen audiovisuellen Inhalte für ihre Kunden werden, statt nur das überkommen geglaubte lineare Fernsehen 1:1 auszuliefern. So arbeitet die Deutsche Telekom seit Jahren daran, auf der eigenen Multimedia-Plattform Entertain Fernsehen und weitere Internetdienste mit Premium-Funktionen zu vereinen. Unitymedia versucht ähnliches mit der Plattform Horizon. "Wir sind technisch so weit, dass wir unseren Kunden alles überall zu jeder Zeit auf jedem Gerät anbieten zu können", betonte auch Silke Brenner von Vodafone Kabel Deutschland in Köln. Das Problem: Die üblichen Lizenzen erlauben es nicht einfach, Fernsehinhalte auf anderen Übertragungswegen wie WLAN oder gar einer Mobilverbindung auszuliefern.

Die Hoffnungen ruhen auf der Überarbeitung der so genannten SatCab-Richtlinie der EU aus dem Jahr 1993, die die länderübergreifende Ausstrahlung von Fernsehprogrammen erlaubt, wenn die lizenzrechtlichen Fragen im Herkunftsland des Senders geklärt sind. Kabelbetreiber wünschen, dass diese Richtlinie auf die Übertragung über IP-Netze ausgeweitet wird, so dass sie mit vertretbarem Aufwand für ihre Kunden Mehrwertdienste anbieten können, wie zum Beispiel eine netzseitige Rückspulfunktion, um verpasste Sendungen zu beliebiger Zeit zu schauen.

Widerstand kommt von Verwertungsgesellschaften und der Filmindustrie. "Die jetzige Rechtslage untersagt oder unterbindet keine Lizenzierungen", betonte Christian Sommer von der Motion Picture Association (MPA). Die SatCab- Richtlinie sei überbewertet und ohnehin wenig angewendet. So haben viele Sender Verschlüsselungen aktiviert, um weiterhin auf Landesgrenzen beschränkte Inhalte ausstrahlen zu können. Dieses Geoblocking, das auch immer mehr im Online-Bereich um sich greift, sieht die Filmindustrie als alternativlos an. Sommers Behauptung, benötigte Lizenzen seien einfach bei den Mitgliedsunternehmen seines Verbandes zu erwerben, wurde von den Anwesenden in Köln aber mit Gelächter quittiert – die Vertreter der Sender hatten andere Erfahrungen gemacht.

Helge Langhoff von der deutschen Verwertungsgesellschaft Gema drang darauf, den neu geschaffenen europäischen Institutionen der Verwertungsgesellschaften eine Chance zu geben, ihre Leistungsfähigkeit zu beweisen. Sollte die EU die Lizenzierung zu weit lockern, befürchten Verwertungsgesellschaften, dass sich Lizenznehmer künftig nur noch im billigsten Markt versorgen und diese Rechte dann in der gesamten EU nutzen. Eine mögliche Folge wäre, dass die Rechteinhaber nur noch paneuropäische Lizenzen anbieten, die sich die wenigsten Sender leisten könnten. Auch öffentlich-rechtliche Sender könnten auf diese Weise von beliebten Inhalten ausgeschlossen werden, da ihr gesetzlicher Auftrag nur den Ankauf nationaler Lizenzen vorsieht.

Die Überarbeitung der SatCab-Richtlinie ist jedoch nur eine von vielen Baustellen in Brüssel. So arbeitet die EU-Kommission derzeit an der Überarbeitung der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-RL), die das Regelungsungleichgewicht zwischen Online- und Rundfunkdiensten beseitigen – oder zumindest verringern – soll. Damit kommt Brüssel den Sendern entgegen, die sich seit Jahren darüber beschweren, strenge Regulierungen erfüllen zu müssen, während Online-Anbieter von jeder Haftung weitgehend ausgeschlossen sind.

Die ersten Pläne der Kommission sorgen jedoch auch bei etablierten Medien für Proteste. So beklagte Gerald Mai von der Verlagsgruppe Bauer Media, dass die nun vorgesehenen Regeln präventive Maßnahmen gegen Hassreden forderten. Seine Befürchtung: Netzkonzerne wie Google werden künftig eigene Filter entwickeln, um vermeintlich in der EU unzulässige Inhalte zu blockieren. "Damit würden auch viele rechtmäßige Videos rausgefiltert", erklärte Mai. Eine solche Vorsortierung durch Algorithmen sei mit der Pressefreiheit nicht zu vereinbaren.

Angesichts der erwarteten Verlagerung der Kompetenzen nach Brüssel geben sich deutsche Medienwächter bereits etwas resigniert. Jürgen Brautmeier, Vorsitzender der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten und Direktor der Landesanstalt für Medien NRW, zeigte sich zu dem in früheren Jahren heiß umkämpften Thema der Werbebeschränkungen inzwischen sehr entspannt: "Wenn die Fernsehsender mit Werbung übertreiben, schaltet der Zuschauer irgendwann ab", sagte der Medienwächter. Über Netflix und Amazon Prime hätten die Zuschauer schließlich Zugang zu komplett werbefreien Angeboten. (anw)