Generative Sprachmodelle: "Inmitten einer großen Revolution"

Auf der Konferenz "Hinterland of Things" forderten Experten schnell eine KI-Regulierung, damit der europäische Markt nicht von China und den USA abgehängt wird.

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Diskussionsrunde zum Thema künstliche Intelligenz; Moderation: Varinia Bernau, Ressortleiterin bei der Wirtschaftswoche

Diskussionsrunde zum Thema künstliche Intelligenz; Moderation: Varinia Bernau, Ressortleiterin bei der Wirtschaftswoche

(Bild: Hinterland of Things)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Ein klarer rechtlicher Rahmen ist beim Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) entscheidend, sagt Bernd Leukert, Chief Technology, Data and Innovation Officer der Deutschen Bank. Ohne baldige Richtlinien könne die Wirtschaft geschwächt werden, bekräftigte er auf der Konferenz "Hinterland of Things" der Founders Foundation. Neben verschiedenen Fragen, wie zum Beispiel dem Urheberrecht bei KI-Bildgeneratoren, ist den Endnutzern oft nicht klar, wohin die Daten gehen können. Für generative Sprachmodelle würden große Datenmengen benötigt, sodass unterschiedliche Infrastrukturen für den Umgang mit den Daten erforderlich seien.

Banken bräuchten Sicherheit und würden daher auch wissen wollen, in welchen Ländern die datenverarbeitenden Server der Start-ups oder Unternehmen stehen, so Leukert. Es lohne sich nicht, in ein KI-Produkt zu investieren, das nach seiner Fertigstellung möglicherweise nicht den europäischen Richtlinien entspreche. Experten fordern daher so schnell wie möglich klare Richtlinien für Europa, für die die Abgeordneten des EU-Parlaments kürzlich gestimmt haben.

In den Augen von Start-up-Investorin Zoé Fabian dauert die Debatte zu lange an. OpenAI sei früh gestartet und hat mittlerweile Investitionen in Höhe von 10 Milliarden US-Dollar erhalten. Auch das KI-Start-up Cohere hat erst kürzlich in einer Finanzierungsrunde 270 Millionen Dollar erhalten – unter anderem von Nvidia, Oracle und Salesforce. André Christ, Gründer des Start-ups LeanIX, bezeichnet es als seinen persönlichen iPhone-Moment, "dass generative KI nun nicht mehr nur den großen Hyperscalern vorbehalten ist".

Laut Dominik Gross, Gründer der Founders Foundation, haben wir keine andere Wahl, als zu handeln. "Wir können nicht sagen, wir in Europa machen das nicht. Dann machen es China und die USA." Für eine nachhaltige Umsetzung und Integration von KI-Modellen bräuchte es entsprechende Rahmenbedingungen und ethische Grundlagen. Die Zahl der Start-ups im Bereich KI und der Einsatz von KI-Methoden in Unternehmen nehme rasant zu. "Dem können wir uns nicht verschließen", so Gross. Noch sei es für Europa nicht zu spät, so die einhellige Meinung der Diskussionsteilnehmer.

"Dass Datenschutz gerade für uns in Europa ein hohes Gut ist, ist unbestritten. Wir brauchen Spielregeln im Umgang mit KI – und zwar schnell, damit Unternehmen jetzt Planungssicherheit haben", sagt Christ. Wichtig sei aber, "dass wir nicht alles unter KI fassen und damit eine Überregulierung schaffen". So könne der Rest der Welt die Chancen der Zukunftstechnologien nutzen, während Europa ins Hintertreffen geraten könnte.

Laut Vanessa Cann, noch bis Ende Juni Geschäftsführerin des Bundesverbandes Künstliche Intelligenz und Gründerin des KI-Startups Nyonic, führen aktuelle Unsicherheiten beim Datenschutz jedoch unter anderem dazu, dass Menschen für die Nutzung von ChatGPT sogar ein weiteres Gerät verwenden, um das System von kundenspezifischen Anwendungen zu trennen. Dabei befänden wir uns mitten in einer großen Revolution. Um diese mitgestalten zu können, fordert Leukert neben dem rechtlichen Rahmen auch Interoperabilitätsstandards für den sicheren Datenaustausch.

Über die Sorge, dass Menschen ersetzt würden, zeigten sich alle Beteiligten unbesorgt. Im Gegenteil: Die Entwicklung von KI sei unerlässlich, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können. Außerdem werde es immer Jobs geben, die sich nicht einfach automatisieren ließen. Als beispielsweise der Taschenrechner an den Schulen eingeführt wurde, hätten Skeptiker den Kompetenzverlust ganzer Generationen prophezeit, erinnert sich Christ. "Stattdessen konnten die Schülerinnen und Schüler ihre Zeit statt auf Rechenwege auf andere Fragestellungen der Mathematik lenken".

Auch mit Blick auf den Arbeitsmarkt habe die Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass technologischer Fortschritt zu Veränderungen führt – aber nicht zur Vernichtung von Arbeitsplätzen. "Ob Industrialisierung, Digitalisierung oder Automatisierung: Stets haben sich aus neu gewonnenen Freiräumen auch neue Berufsbilder entwickelt", so Christ. Zudem könne der Einsatz von KI-basierter Software dem Fachkräftemangel entgegenwirken.

Im Fokus der Hinterland of Things standen zahlreiche Start-ups, wie VisionAI für den Einsatz von generativer KI im E-Commerce-Bereich oder Lene Health, eine App für mentale Gesundheit am Arbeitsplatz. Einen mit 25.000 Euro dotierten Preis beim Start-up-Wettbewerb gewann das aus Großrinderfeld stammende Start-up PlanerAI für ihre gleichnamige App – eine "KI-basierten Planungslösung für frische Lebensmittel". 2021 startete das Unternehmen mit dem Ziel, die Lebensmittelverschwendung mithilfe von Künstlicher Intelligenz innerhalb von fünf Jahren zu halbieren.

(mack)