Künast-Fall: Bewährungsstrafe für rechtsextremen Blogger Sven Liebich

Der Angeklagte hatte Politiker wie Renate Künast und Martin Schulz mit Falschzitaten verleumdet. Die Folge: elf Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung.

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Künast-Fall: Bewährungsstrafe für rechtsextremen Blogger Sven Liebich

(Bild: New Africa / shutterstock.com)

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Das Amtsgericht Halle hat den rechtsradikalen Blogger Sven Liebich am Montag zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten auf Bewährung verurteilt. Die Haftstrafe verhängten die Richter wegen zwei Verleumdungsfälle gegen Personen des öffentlichen Lebens. Der Angeklagte hatte der Grünen-Abgeordneten Renate Künast und dem Ex-SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz in Beiträgen auf seinem Blog und in sozialen Medien Falschzitate in den Mund gelegt.

Die Behauptungen waren laut dem Gericht bewusst unwahr, beleidigend sowie diffamierend und so nicht durch die an sich weitgehende Meinungsfreiheit gedeckt. Sie seien daher strafrechtlich zu verteilen. Das Strafgesetzbuch sieht bei Verleumdung eine Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und fünf Jahren vor. Nach Angaben des MDR legte das Gericht allein wegen eines Falschzitats über Künast eine achtmonatige Gefängnishaft fest. Zudem müsse Liebich die Anwaltskosten der Ex-Ministerin tragen, die als Nebenklägerin im Verfahren aufgetreten war.

Im April hatte das Oberlandesgericht Frankfurt dem vom Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt als rechtsextrem Beobachteten bereits untersagt zu behaupten, Künast habe Pädosexualität als "doch ganz ok" bezeichnet. Mit dem Falschzitat hatte Liebich eine Welle an Hassäußerungen gegen die Berliner Politikerin ausgelöst, was nun mit zu seiner Verurteilung führte. Die Bewährungszeit beträgt drei Jahre.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig, Liebich kann also etwa noch in die Berufung gehen. Das Gericht folgte weitgehend dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die zwölf Monate Freiheitsstrafe zur Bewährung gefordert hatte. Sie hatte dem 49-Jährigen unter anderem Volksverhetzung, Verleumdung, Beleidigung und Beschimpfung politisch aktiver Menschen vorgeworfen. Auf seinem Blog habe er seit 2016 gegen Migranten gehetzt und über seinen Onlineshop Aufkleber angeboten. Er habe Menschen damit wegen ihrer ethnischen Herkunft böswillig verächtlich machen, Dunkelhäutige pauschal als gewalttätige Sexualstraftäter darstellen und verunglimpfen wollen.

Der Angeklagte hatte die Vorwürfe zurückgewiesen. Er war aber auch in der Vergangenheit schon zu mehreren Geldstrafen wegen vergleichbarer Delikte verurteilt worden. Prozessbeobachter und Betroffene kritisieren seit Jahren, dass eine Staatsanwältin in Halle viele Anzeigen und Verfahren gegen den Hetzer eingestellt und damit eine härtere Strafe verhindert habe.

Künast zeigte sich trotzdem "sehr zufrieden, dass die Systematik der Methode Liebich mit einer deutlichen juristischen Antwort quittiert wird". Der organisierte Rechtsextremismus nutze Verleumdung gezielt, "um Hass gegen politisch unliebsame Menschen zu schüren und sie aus der öffentlichen Debatte und ihrem Engagement zu verdrängen". In einem früheren, später korrigierten Urteil hatte das Berliner Landgericht noch befunden, Politiker müssten auch schwere Beschimpfungen unter Umständen hinnehmen. Künast war auf Facebook etwa als "altes grünes Drecksschwein" tituliert worden.

Anna-Lena von Hodenberg von der Hilfsorganisation Hate Aid, die Künasts Nebenklage finanziell unterstützte, sprach von einem "überfälligen" Urteil mit Signalwirkung auch für viele Täter im Netz. Es zeige, dass Hass und Hetze ernstzunehmende Konsequenzen hätten.

Der unter hohen Sicherheitsvorkehrungen geführte Prozess wurde überschattet von Liebichs Auftreten vor Gericht. Der Angeklagte trug etwa einen Mundschutz mit der Aufschrift "Maulkorb" und versuchte, in orangefarbener, an Guantanamo erinnernder Häftlingskleidung im Saal zu erscheinen. Das letzte Wort nutzte er, um die Unabhängigkeit des Gerichts in Frage zu stellen.

(olb)