Ukraine-Krieg: Sorge um Europas größtes AKW nach Brand

In Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine spitzt sich die Lage um ein Atomkraftwerk zu. Die Sorge ist international groß.

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Das AKW Saporischschja

(Bild: SNRIU)

Update
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Nach dem Vorrücken russischer Truppen zu Europas größtem Atomkraftwerk in der Nähe der Großstadt Saporischschja ist in der Nacht zu Freitag ein Feuer in einem Gebäude der Anlage ausgebrochen. Am Morgen wurde es nach Angaben des ukrainischen Innenministeriums gelöscht. Gebrannt habe ein Trainingskomplex. Erhöhte Radioaktivität wurde nicht gemeldet, versicherte die Internationale Atomenergiebehörde IAEA, die sich dabei aber auch auf ukrainische Angaben beruft.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von einem gezielten Beschuss von Reaktorblöcken durch russische Panzer. Energieminister Herman Haluschtschenko forderte ein Eingreifen der NATO. Der britische Premierminister Boris Johnson sagte, die "rücksichtslosen Aktionen" des russischen Präsidenten Wladimir Putin "könnten nun die Sicherheit ganz Europas direkt gefährden". Er wolle "in den kommenden Stunden" eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates erreichen. US-Präsident Joe Biden forderte Russland auf, militärische Aktivitäten in dem Gebiet um das Kernkraftwerk einzustellen.

Das Atomkraftwerk steht seit Tagen im Fokus der Aufmerksamkeit. Zivilisten sollen sich dort zu Hunderten auf einer Zufahrtsstraße zu dem AKW versammelt haben, um den Vormarsch der russischen Streitkräfte aufzuhalten. Zuvor hatte es geheißen, die Anlage sei von den russischen Truppen bereits eingenommen worden. Das hatte sich als voreilig herausgestellt.

Angesichts der Entwicklungen im Ukraine-Krieg kommen die Außenminister der EU-Staaten am Nachmittag erneut zu einem Sondertreffen in Brüssel zusammen. Erwartet wird auch die Teilnahme von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg und des US-Außenministers Antony Blinken.

[Update 04.03.2022 – 10:20 Uhr] Inzwischen haben russische Truppen der ukrainischen Aufsichtsbehörde zufolge das AKW besetzt. Aus Russland gibt es keine Bestätigung. Der NATO-Generalsekretär hatte das Vorrücken der Truppen zuvor scharf verurteilt. Der Angriff zeige die Rücksichtslosigkeit, mit der vorgegangen werde.

[Update 04.03.2022 – 10:30 Uhr] Der australische Experte für Nuklearenergie Tony hat gegenüber dem Science Media Center darauf hingewiesen, dass das AKW Saporischschja anders konstruiert ist, als der Reaktor in Tschernobyl. In dem umkämpften Kraftwerk gebe es ein Notfallkühlungssystem, das im Fall eines Problems automatisch Wasser in den Reaktor einleite. Außerdem sei der Reaktor selbst von einem massiven Betonmantel unter anderem vor Feuer geschützt. David Fletcher von der Universität Sydney ergänzt, dass man aktuell keine Sorge vor einer Explosion wie 1986 in Tschernobyl habe. Sollte das Kühlungssystem beschädigt werden, könnte das aber zur Katastrophe in Fukushima vergleichbare Folgen haben. Maria Rost Rublee weist noch darauf hin, dass die Notstromaggregate mit Diesel betrieben werden, was die Feuergefahr deutlich erhöhe.

[Update 04.03.2022 – 13:15 Uhr] Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hat am Freitag mitgeteilt, dass es die Lage um das AKW aufmerksam beobachtet. Aufgrund der Situation vor Ort seien nur wenige Informationen verfügbar, aber nach Stand der Informationen seien radiologische Auswirkungen auf Deutschland nicht zu befürchten. Das Bundesministerium für nukleare Sicherheit hat zur Situation in der Ukraine eine Reihe von Fragen beantwortet.

(mit Material der dpa)/ (mho)