c't 3003: Schnellstes Windows-on-ARM-Notebook ist lahm | Thinkpad x13s im Test

Das Lenovo Thinkpad x13s arbeitet mit dem Snapdragon 8cx Gen 3; dem aktuell schnellsten Prozessor für Windows on ARM. Leider läuft nicht einmal Videoschnitt.

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Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Jan-Keno Janssen

In der Apple-Welt macht die ARM-Architektur der Wintel-Konkurrenz gerade ernsthaft Konkurrenz: Anwendungen wie Videobearbeitung laufen auf ARM-Macs oft schneller, aber vor allem deutlich stromsparender als auf x86-Rechnern. Mit Qualcomms Snapdragon 8cx Gen 3 gibt es nun ein (laut Eigenwerbung) leistungsstarkes ARM-SoC für Windows-Rechner. Der Lenovo Thinkpad x13s ist das erste Gerät mit dem Chip, von Microsoft sind aber bereits mehrere Surface-Geräte mit dem 8cx Gen 3 angekündigt. c't 3003 hat das x13s ausführlich getestet – und war erstaunt.

(Hinweis: Es handelt sich hier um einen Bonusinhalt für Menschen, die das Video oben nicht schauen können oder wollen. Die Informationen auf der Bildspur gibt das Transkript nicht wieder.)

In diesem Video teste ich Windows on ARM auf dem zurzeit schnellsten erhältlichen ARM-Notebook: Dem lüfterlosen Lenovo Thinkpad x13s mit dem Qualcomm Snapdragon 8cx Gen 3. Zwei Wochen lang habe ich das Teil als Haupt-Arbeitsrechner benutzt. Und ehrlich gesagt war ich ziemlich hyped, weil ja schließlich die aktuellen Apple-Rechner zeigen, wie schnell und effizient die ARM-Architektur sein KANN. Ich hatte damals ja ein Video dazu gemacht: Der Apple-M1 bläst Wintel-Prozessoren in vielen Disziplinen locker weg. So, und jetzt das Ganze noch mal unter Windows, dachte ich. Ja, nee, die Leistung von dem Ding ist nicht nur enttäuschend, sondern in einiger Hinsicht sogar katastrophal: Der x13s kann zum Beispiel einfach keinen Videoschnitt – und zwar wirklich einfach NICHT, also es läuft keines der relevanten Programme: Nicht Adobe Premiere, nicht Da Vinci Resolve und nicht mal Kdenlive richtig. Geht einfach nicht. Bei einem Rechner für über 2100 Euro. Bleibt dran.

Liebe Hackerinnen, liebe Internetsurfer, herzlich willkommen hier bei…

Das hier ist das Lenovo Thinkpad x13s. DIE Thinkpads sind ja neben MacBooks die wohl bekannteste Notebook-Marke der Welt. 1992 kam das erste Thinkpad raus, damals noch von IBM. 2005 hat Lenovo die Marke übernommen. Ja und ich würde so weit gehen und sagen, dass das DIE ikonischen Windows-Notebooks sind, so ein ganz kleines bisschen uncool, aber durch dieses kastige ungestylte dann auch wieder doch ziemlich cool. Auf jeden Fall wirklich robuste Arbeitstiere. Und mit diesem roten Mauszeiger-Nubsi hier erkennt man die halt auch auf Anhieb.

Thinkpads waren immer x86-Architektur, doch nun gibt es mit dem x13s das erste mit ARM, also der Prozessorarchitektur, die heutzutage auf quasi allen Geräten außer den meisten Windows- und Linux-Rechnern läuft, also Smartphones, Tablets, Fernseher, Raspis, VR-Headsets… ARM galt jahrelang immer als die energiesparsame Architektur für die „kleinen“ Geräte – aber seit Apple komplett auf ARM umgestiegen ist und sogar seine fetten Studio-Rechner damit ausrüstet, ist klar, dass ARM auch bei leistungshungrigen Anwendungen das Potenzial hat, x86 alt aussehen zu lassen.

So. Und nun gibt’s mit dem Qualcomm Snapdragon 8cx Gen 3 endlich einen leistungsstarken ARM-Prozessor für Windows-Rechner – sagt zumindest Qualcomm. Mit „extremer Performance“ wird das Ding auf der Qualcomm-Website beworben. Und es ist auch zurzeit auch der schnellste Chip für Windows on ARM, aber es gibt halt auch keine ernsthafte Konkurrenz. Lenovos Thinkpad x13s ist das erste Gerät mit 8cx Gen 3 auf dem Markt, angekündigt sind aber weitere, unter anderem ein Surface direkt von Microsoft.

Das von mir hier getestete x13s ist die Variante mit 5G-Simkarten-Slot und 32 GByte RAM, das kostet in dieser Konfiguration 2139 Euro. Das günstigste x13s-Thinkpad kostet 1719 Euro und hat dann keinen SIM-Slot und nur 16 Gig RAM. Das Testgerät hat uns übrigens Lenovo ausgeliehen.

Dass das hier kein Billiggerät ist, merkt man wirklich sofort: schönes Display mit 1920 x 1200 Pixeln, schönes Gehäuse mit Magnesium-Legierung, wertig anfühlende Tastatur. Soweit also alles gut.

Und auch beim ersten Rumfummeln in Windows gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass hier nicht das „normale“ Windows läuft, sondern die Windows-on-ARM-Variante. Das steht auch nicht in den Versionshinweisen drin, man sieht es tatsächlich nur, wenn man auf System und dann Info geht, da steht dann bei „Systemtyp: 64-Bit-Betriebssystem, ARM-basierter Prozessor. Tatsächlich ist bei Windows seit Windows RT aus dem Jahr 2012 viel passiert: Bei diesem früheren Windows für ARM-Rechner konnte man nur Software aus dem damals noch sehr neuen Microsoft-Online-Store installieren – was bedeutet, dass es sehr, sehr, sehr wenig Software dafür gab.

Bei dem aktuellen Windows on ARM – übrigens Windows 10 und Windows 11 – läuft eine Kompatibiliätsschicht im Hintergrund, ein Emulator sozusagen, der x86 bzw. die 64-Bit-Variante davon, also x64 -Code in ARM-Code umwandelt. Das klappt tatsächlich erstmal gut, man kann also problemlos auch sehr unpopulärere Software installieren, zum Beispiel die von mir täglich verwendete Steuersoftware für meine Videolampe. Und auch mit Treibern hatte ich keinerlei Probleme, alles, was ich an den x13s angeschlossen habe, ging auf Anhieb, also externe Festplatte, Audio-Interface, Webcam. Soweit also alles prima.

Aber nachdem ich dann ein bisschen Zeit mit dem Laptop verbracht hatte, fingen die Probleme so langsam an: Zum Beispiel ist Firefox regelmäßig eingefroren, sodass ich das immer wieder neu starten musste. Und das übrigens, obwohl Firefox eine native ARM-Version ist. Tatsächlich ist mir das erst aufgefallen, als ich Firefox deinstallieren wollte, also „im Programme hinzufügen und entfernen“-Menü, da stand dann nämlich „AArch64“, das ist der Name für die 64-Bit-Geschmacksrichtung von ARM. Windows ist da wirklich nicht sehr wenig gesprächig, man darf nicht erwarten, dass man das automatisch mitbekommt, was da genau passiert auf Systemebene.

Jedenfalls bin ich nach den ständigen Firefox-Crashes dann notgedrungen auf den vorinstallierten Edge-Browser umgestiegen, der übrigens auch ARM-nativ ist. Der lief stabil, zeigte mir dafür aber bei jedem neuen Fenster eine Liste mit richtig fiesen Clickbait-Artikeln und Werbung. (Ich weiß, man kann das personalisieren, aber trotzdem bäh.)

Gut, also Browser, Office, Teams – das funktioniert alles ok mit x13s. Tatsächlich auch GEFÜHLT einigermaßen schwuppsig. Spiele ohne hohe Hardwareanforderungen funktionieren auch. ABER: Schaut man sich die Vergleichs-Benchmarks an, die meine c’t-Kollegen gemacht haben, sieht man, dass bei der CPU-Leistung (also in Cinebench) und bei der 3D-Leistung (in 3D Mark-Timespy) kein einziges Vergleichs-Notebook in der gleichen Preisklasse so schlecht performte. Bei den Cinebench-Multicore-Werten schafften fast alle Geräte mehr als DOPPELT so viel. Wenn ihr jetzt denkt, ja, ok, Benchmarks-Schwänzmarks, ja, habt ihr recht, was zählt ist die gefühlte Geschwindigkeit; und die ist bei Office-Anwendungen und beim Browsen ok. ABER: Man kauft sich ja vermutlich kein 2000-Euro-Notebook für ein bisschen Word und Browsen. Sondern da will man ja womöglich ein bisschen an die High-Performance-Sachen ran, zum Beispiel Videoschnitt.

Also mal die Adobe-Creative-Suite aufmachen: Häää, was? Wieso wird denn da die ganze Software nicht angezeigt? Also zum Beispiel ist hier kein Premiere und auch kein After Effects? Whaaat? Zum Vergleich: So sieht das auf einem x86-Rechner aus. Tja, das ist kein Fehler, sondern das ist tatsächlich die Realität: Es gibt lediglich Photoshop und Lightroom als ARM-Version, die andere Software soll oder kann nicht unter der x86-Emulation laufen und ist deshalb gar nicht erst installierbar hier über die Adobe-Creative-Suite-Abosoftware. Gut, dann probiere ich halt DaVinci Resolve, das finde ich eh in einigen Belangen besser als Premiere: Tja, das lässt sich zwar installieren, aber nicht starten. Da kommt dann immer diese Fehlermeldung hier. Ich habe dann als allerletzten Versuch das Open-Source-Videoschnittprogramm Kdenlive installiert: Tja, das lief zwar, aber mit unseren 3003-4K-Videodateien so langsam, dass man es nicht benutzen konnte – immer wenn, man irgendwo hinskippen wollte, dauerte das mehrere Sekunden, bis sich das Bild aufbaute. Und nach einigen Minuten crashte Kdenlive dann auch.

Und eine weitere Software, die ich regelmäßig verwende, weigerte sich ebenfalls, und zwar Dropbox. Dropbox hat mir lediglich die Microsoft-Store-Version angeboten, die nicht viel mehr als ein Wrapper der Dropbox-Website ist. Was ich aber eigentlich will (und das geht wohl den meisten so): Eine Dropbox-Systemsoftware, die Ordner automatisch synchronisiert, ohne dass man da irgendwie manuell mit interagieren muss. Aber das kann die ARM-Dropbox-Version nicht.

Und jetzt könntet ihr denken, jaaaaaa, ok, ist jetzt kein Leistungsking das Teil, aber dafür läuft doch der Akku bestimmt ewig. Leider nicht mal das. Zwar haben offenbar Software-Updates dafür gesorgt, dass das x13s bei meinen Tests 22 Stunden bei ruhendem Desktop durchhielt – im Test meiner c’t-Kollegen waren es vor ein paar Wochen nur 12 Stunden. Aber auch diese 22 Stunden sind jetzt keine absolute Offenbarung. So schaffte der ebenfalls lüfterlose HP Spectre Folio 13 bei unserem Test 2019 sage und schreibe 40,7 Stunden bei ruhendem Desktop und 100 cd/m2 Bildschirmhelligkeit. Sogar mit kleinerem 47-Wattstunden-Stunden-Akku, das Thinkpad x13s hat 50 Wattstunden.

Unser Fazit

Das x13s ist ein super verarbeitetes, sehr leichtes (1,06kg!) Notebook mit guter Tastatur, feinem Display, alles prima. ABER: Wenn man mehr machen will als Office und Browsen liegt man bei dem ARM-Thinkpad wirklich falsch. Vor allem, dass es aktuell keine Möglichkeit gibt, Videoschnittsoftware wie Adobe Premiere und DaVinci Resolve zu nutzen, ist schon ziemlich hart. Und diese Einschränkung gilt Stand heute für alle Windows-on-ARM-Geräte, also auch die, die noch kommen werden.

Das einzige, was für Windows on ARM spricht: Dass die Geräte lüfterlos sind. Tatsächlich ist das x13s das einzige neu vorgestellte Windows-Notebook ohne Lüfter, ansonsten gibt’s nur das Macbook Air. Die Geräteklasse „Passiv gekühlte Windows-Notebooks“ waren vor ein paar Jahren übrigens noch ein Ding, da gab es noch Intels Y-Dualcore-Prozessoren, die auf 4,5 Watt beschränkt waren. Aber das ist leider erstmal vorbei – mal sehen, ob da nochmal was kommt in der x86-Welt. Und mal sehen, wie es im ARM-Universum weitergeht. Qualcomm hat ja letztes Jahr die Chip-Design-Firma Nuvia gekauft, die von ehemaligen Apple-Ingenieuren gegründet wurde. Nuvia arbeitet an leistungsfähigen ARM-Chips – mal sehen, ob das vielleicht doch noch was wird mit ernsthafter x86-Konkurrenz unter Windows. Mit den aktuellen Chips wird das jedenfalls definitiv nichts.

Und noch mal ganz kurz was in eigener Sache: c’t 3003 soll wachsen und deshalb suchen wir Leute, die uns beim Skripten unterstützen können. Falls du dir vorstellen kannst, auf freiberuflicher Basis Skripte für 3003 zu schreiben: Wir freuen uns über deine Mail an 3003@ct.de. Tschüss!


c't 3003 ist der YouTube-Channel von c't. Die Videos auf c’t 3003 sind eigenständige Inhalte und unabhängig von den Artikeln im c’t magazin. Redakteur Jan-Keno Janssen und die Video-Producer Johannes Börnsen und Şahin Erengil veröffentlichen jede Woche ein Video.

(jkj)