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Lenovo lässt Kunden-Notebook verschwinden

| Tim Gerber

Wer ihm Anvertrautes beschädigt oder verliert, muss es ersetzen. Doch was eigentlich jedem einleuchtet, ist für Lenovo eine größere Herausforderung.

Hinweis

Dies ist ein Beitrag aus c't 27/2023. Möglicherweise hat sich die Service-Situation beim Händler inzwischen geändert.

Ende November 2021 hatte Florian T. sich für knapp 1000 Euro ein Notebook Lenovo Yoga 14s angeschafft. Da der Berufsschullehrer den Rechner für die Arbeit benötigte, erwarb er ein Jahr später für 155 Euro eine Garantieerweiterung für weitere zwölf Monate, die auch einen Vor-Ort-Service umfasste. Damit war der Kunde gut beraten, denn kein halbes Jahr darauf, Anfang Mai, blieb überraschend der Bildschirm seines Rechners schwarz. Dank des gebuchten "Premier-Service" kam am 12. Mai ein Techniker vorbei, der das Display tauschen sollte.

Zwar funktionierte dieses anschließend wieder, doch der Kunde bemängelte nun, dass der Techniker diverse andere Schäden verursacht habe. Nach seinen Schilderungen hatte der Fachmann das alte Display sehr unsanft aus dem Rahmen gelöst und dabei deutliche Kratzer hinterlassen. Zudem war das Aluminiumgehäuse nach der Aktion verbogen. Deshalb reklamierte Florian T. die Sache nun bei Lenovo. Der Hersteller bat ihn, das Gerät einzuschicken. Das geschah am 19. Mai.

Nach dem Tausch des Displays beim Kunden zu Hause war das Gehäuse deutlich verbogen, sodass der Notebook eingeschickt werden musste – auf Nimmerwiedersehen., Florian T.

Nach dem Tausch des Displays beim Kunden zu Hause war das Gehäuse deutlich verbogen, sodass der Notebook eingeschickt werden musste – auf Nimmerwiedersehen.

(Bild: Florian T.)

Vier Wochen später, am 15. Juni, erhielt Florian T. die Nachricht, dass sein Notebook repariert sei und an ihn zurückgesendet werde. Doch zwei Wochen später war der sehnlich erwartete Rechner noch immer nicht zurück beim Kunden. Laut Sendungsverfolgung lag er bereits seit dem 24. Juni in einem Depot des Versanddienstleisters und bewegte sich kein Stück weiter. Deshalb wandte sich der Kunde an Lenovo und machte auf diese Ungereimtheit aufmerksam. Er möge noch ein paar Tage warten, vertröstete man den Kunden.

Aber das Paket mit seinem dringend benötigten Rechner bewegte sich nicht weiter von der Stelle. Deshalb rief Florian T. am 5. Juli erneut bei Lenovo an. Nun hieß es, man werde den Fall eskalieren und den Versanddienstleister beauftragen, nach dem Verbleib der Sendung zu forschen. Am 12. Juli stellte Florian T. fest, dass das zugehörige Service-Ticket in Lenovos Support-Portal bereits wieder geschlossen worden war. Also rief er aufs Neue an und man sicherte ihm zu, es wiederzueröffnen.

Zwei Tage später meldete sich ein Zusteller bei Florian T. und machte ihn darauf aufmerksam, dass man keine korrekte Anschrift habe, um sein Paket zuzustellen. Die Straße fehle in dem Datensatz. Tatsächlich fehlte sie auch in den Absenderangaben auf dem Retourenlabel, das ihm Lenovo zugeschickt hatte, wie Florian T. aufgrund dieses Anrufes später feststellte. Zunächst aber teilte er dem Zusteller die Straße mit. Das Gerät sollte nun innerhalb einer Woche bei ihm sein, hieß es.

Rechtliche Hintergründe zum hier geschilderten Fall diskutieren wir in Episode 2 des c't-Podcast Vorsicht, Kunde! [1]. Wir klären darin, wie Kunden am besten vorgehen sollten, wenn ihr Gerät auf dem Transportweg verloren geht, und was ihnen im Falle eines Falles zusteht.

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Am 25. Juli meldete sich Lenovo bei dem Kunden und der übermittelte ihnen seine Notiz über das Gespräch mit dem Zusteller zehn Tage zuvor. Per E-Mail vom selben Tag bat Lenovo ihn, sich zu melden, wenn er in den kommende drei Tagen nichts in der Sache hören würde. Dementsprechend rief Florian T. am 28. Juli erneut bei Lenovo an. Abermals vertröstete man ihn mit der Aussage, einen Suchauftrag an den Versanddienstleister richten zu wollen. Was denn aus dem Suchauftrag vom 5. Juli geworden sei, wollte der Kunde wissen. Eine Antwort wusste man bei Lenovo zwar nicht, gab sich aber dennoch optimistisch, dass die Sendung in den nächsten Tagen eintreffen werde.

Doch nach weiteren zwei Wochen war die Sendung immer noch nicht angekommen. Am 14. August schrieb Florian T. deshalb erneut an Lenovo und forderte den Hersteller auf, ihm innerhalb einer Woche zu sagen, wie es mit seinem Notebook weitergehen solle. Da keinerlei Antwort kam, verlangte Florian T. am 13. September per Einschreiben von Lenovo, ihm binnen 14 Tagen das Geld für ein Ersatzgerät zu bezahlen. Gefruchtet hat auch das nichts. So wandte sich der langjährige Leser am 6. Oktober an c’t.

Wir sprachen den Pressesprecher von Lenovo am 19. Oktober auf den Fall von Florian F. an und nun kam tatsächlich etwas Bewegung in die Sache. Zunächst aber nicht so, wie man es erwarten würde: Am 23. Oktober schrieb ein Customer Care Manager dem Kunden, man wolle ihm statt seines defekten Notebooks ein Austauschgerät anbieten. Dazu solle er jedoch erst einmal das defekte Gerät einschicken. Wenn er das Angebot annähme, werde er dafür ein Versandlabel zugeschickt bekommen.

Florian T. war wenig erbaut über dieses Angebot. Wie sollte er denn ein Gerät einschicken, dass er gar nicht hatte? Entsprechend ungehalten antwortete er am selben Tage dem Kundenmanager und bestand auf die schon mit Einschreiben im September geforderte Schadensersatzzahlung. Darauf kam es dann zu einem Telefonat, bei dem die Sache mit dem verschollenen Notebook geklärt werden konnte. In einer weiteren Mail vom selben Tag stellte der Supportmanager klar, dass es sich um einen Verlust handle und der Teil mit der Rücksendung aus dem vorherigen Angebot mithin entfalle. Man werde ihm ein höherwertiges Gerät als Ersatz schicken, eine Barauszahlung lehne man indessen ab.

Service im Visier
Vorsicht Kunde!

Immer wieder bekommen wir E-Mails, in denen sich Leser über schlechten Service, ungerechte Garantiebedingungen und überzogene Reparaturpreise beklagen. Ein gewisser Teil dieser Beschwerden ist offenbar unberechtigt, weil die Kunden etwas überzogene Vorstellungen haben. Vieles entpuppt sich bei genauerer Analyse auch als alltägliches Verhalten von allzu scharf kalkulierenden Firmen in der IT-Branche.

Manchmal erreichen uns aber auch Schilderungen von geradezu haarsträubenden Fällen, die deutlich machen, wie einige Firmen mit ihren Kunden umspringen. In unserer Rubrik „Vorsicht, Kunde!“ berichten wir über solche Entgleisungen, Ungerechtigkeiten und dubiose Geschäftspraktiken. Damit erfahren Sie als Kunde schon vor dem Kauf, was Sie bei dem jeweiligen Unter nehmen erwarten oder manchmal sogar befürchten müssen. Und womöglich veranlassen unsere Berichte ja auch den einen oder anderen Anbieter, sich zukünftig etwas kundenfreundlicher und kulanter zu verhalten.

Falls Sie uns eine solche böse Erfahrung mitteilen wollen, senden Sie bitte eine chronologisch sortierte knappe Beschreibung Ihrer Erfahrungen an: vorsichtkunde@ct.de [3].

Im Ergebnis nahm Florian T. das Angebot dann an. Rechtlich ist das auch in Ordnung. Denn wer für einen entstandenen Schaden aufzukommen hat, muss lediglich den Zustand wieder so herstellen, wie er vor Eintritt des Schadens war. Demnach hatte Florian T. Anspruch auf äquivalenten Ersatz für sein anderthalb Jahre altes Notebook und fährt mit der Lieferung eines höherwertigen Ersatzgerätes sogar besser.

Als Kompensation für das ewige Hinhalten und monatelanges Warten auf die Regulierung des Schadens ist das allerdings mehr als billig. Denn dass es für die Anerkennung der Pflicht zur Schadensregulierung durch den Hersteller erst der Einschaltung der c’t bedurfte, ist für ein großes Unternehmen wie Lenovo ziemlich unrühmlich.

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(tig [7])


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