Mercedes C 300 Mildhybrid im Test: Rückbesinnung auf alte Stärken

Die C-Klasse ist wieder ein komfortables Reiseauto, mit spürbaren Fortschritten beim Infotainment. Schwächen leistet sie sich, wo wir es nicht erwartet haben.

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Mercedes C-Klasse

Die Mercedes C-Klasse fügt den klassischen Stärken weitere im Bereich Infotainment hinzu. Doch im Antriebsbereich fehlt der große Schritt.

(Bild: Pillau)

Lesezeit: 11 Min.
Inhaltsverzeichnis

Über viele Jahre hinweg dominierten japanische Autohersteller, wenn es um die zufriedensten Kunden ging. Das lag nicht etwa daran, dass sie unumstritten die besten Autos der Welt bauten, sondern schlicht besser als andere die Erwartungen ihrer Käufer erfüllten. Mercedes gehört zu den Marken, an die in dieser Hinsicht besonders hohe Ansprüche gestellt werden. Der Konzern befeuert dies noch mit dem Slogan "das beste oder nichts". Keine Frage, an Selbstbewusstsein mangelt es Verantwortlichen nicht. Der C-Klasse fällt dabei eine besondere Rolle zu, und die inzwischen fünften Auflage startet in eine Zeit des Umbruchs mit klassischen Werten. Was Überraschungen nicht ausschließt, wie unser Test mit einem C 300 zeigt.

Zunächst einmal müssen wir festhalten, dass dort ein inzwischen ziemlich stattliches Auto steht. Mit einer Länge von 4,75 m legt er gegenüber dem Vorgänger nicht nur 6 cm zu. Statt 1615 wiegt der C 300 4Matic nun 1730 kg. Letzteres mag dazu beitragen, dass sich die C-Klasse beim Fahren der E-Klasse annähert. Im Fahrmodus "Comfort" vermittelt sie mit jeder Faser den Eindruck einer schweren Limousine. Vier Jahre lang begleitete mich der Vorgänger samt Komfortfahrwerk und einer 225/50 R17-Bereifung. Der Neue ist nochmals erheblich weicher als diese Kombination, so sehr, dass sogar dem Fotografen beim Einfangen der Außenaufnahmen auffiel, wie die C-Klasse über die Rollachse wippt.

Hat Mercedes mit dieser Nachgiebigkeit übertrieben? Das ist sicher eine Geschmacksfrage, die ich als ausgesprochener Komfortfan wie folgt beantworten würde: Die Abstimmung in den Modi "Sport" und "Sport plus" liefert mehr Rückmeldung, ohne jemals in Unkomfortable zu kippen. Wer also nicht die maximale Entkopplung von der Straße sucht, kann vermutlich bedenkenlos zum Sportfahrwerk greifen. Damit einher geht auch eine direkter abgestimmte Lenkung, im Testwagen noch verbunden mit der Hinterachslenkung. Mercedes ist für meine Begriffe ein sehr guter Kompromiss zwischen Rückmeldung und Dämpfung gelungen, wobei letzteres auch bei der Lenkung im Vordergrund stand.

Mercedes C 300 außen (7 Bilder)

Die neue C-Klasse nähert sich dem Fahrgefühl nach der größeren E-Klasse an. Sie wird damit nochmals komfortabler als der Vorgänger, allerdings ...

In der vorherigen Generation dieser Klasse näherten sich Mercedes und BMW hinsichtlich der Fahrwerksphilosophie an, mit den Neuauflagen der ewigen Kontrahenten wird die Markenbotschaft wieder klar ersichtlich. Ob einem die aktive Art des 3er oder die Entkopplung der C-Klasse eher liegt, klärt eine kurze Probefahrt unmissverständlich. Dabei ist der BMW nicht unkomfortabel, und der Mercedes keine Schaukel. Dennoch ist klar, wo die Entwickler jeweils hinwollten. Beides hat seine Berechtigung und lässt sich in gewissen Grenzen über die Konfigurationen verstärken (BMW M-Paket und Mercedes Komfortfahrwerk) oder eben abmildern. Nebenbei: Einen solchen Lenkradkranz, dick wie eine schwäbische Flachswickel, hätte sich vor ein paar Jahren nur die M GmbH getraut.

Der Testwagen hatte die zum Testzeitpunkt maximale Ausbaustufe der Motoren eingebaut. Der grundsätzliche Aufbau gleicht sich: Es wird auch perspektivisch nur noch Vierzylinder geben, die ausnahmslos über einen 48-Volt-Startergenerator mildhybridisiert sind. Der Zweiliter-Benziner leistet 190 kW. Im unteren Drehzahlbereich schiebt bei Bedarf ein E-Motor mit an, der nun 15 statt, wie im Vorgänger, 10 kW beisteuert. Das soll nicht nur den Anschub aus niedrigen Drehzahlen verbessern, sondern vor allem den Verbrenner in dieser verbrauchsintensiven Phase entlasten.

Letztlich ist der Gesamteindruck des aktuellen Topmodells zwiespältig. Positiv bleibt zu vermerken, dass die realen Fahrleistungen trotz minimal schlechterer Werte gegenüber dem Vorgänger ausgezeichnet sind. Auch das Zusammenspiel mit der Neungang-Wandlerautomatik ist sehr harmonisch. Wohlwollend formuliert behelligt die Maschine die Insassen auch nicht mit einer nachdrücklichen Leistungsentfaltung. Denn der subjektive Eindruck bleibt hinter dem zurück, was dieser Antrieb bei Bedarf abzuliefern imstande ist. Etwas weniger charmant ließe sich das auch so ausdrücken: Zu den besonders antrittsfreudigen Motoren gehört der Zweiliter-Benziner in seinem direkten Umfeld nicht.

Im Vorgänger bot Mercedes keine Sechszylinder-Diesel mehr an, nun ist auch bei den Benzinern mit diesem Luxus Schluss. Dahinter steckt ein knallhartes Kalkül: Nur wenige Käufer griffen zum C 400, der mit seiner überragenden Laufkultur die C-Klasse stets etwas aus dem in diesem Umfeld Üblichen heraushob. Diesen Zopf der automobilen Extravaganz hat Mercedes abgeschnitten. Die bisherige Rechnung, mit der sich der Kunde für viel mehr Geld mehr Laufkultur erkaufen konnte, ist Geschichte. Der C 300 klingt nicht nur wie ein ordinärer Vierzylinder, er ist akustisch sogar überraschend präsent. Natürlich ist die C-Klasse kein lautes Auto, ein herausragend leises aber auch nicht. Das ist eine Überraschung, und es bleibt nicht die einzige.

Der Verbrauch bewegte sich im Test zwischen 6,7 und 11 Litern. Beide Extreme muss der Fahrer bewusst provozieren. Im Alltag wird der Verbrauch vermutlich bei rund 8 Litern liegen, außerordentlich sparsam ist das nicht. Auf der anderen Seite greift wohl auch kaum jemand zum Topmodell, um besonders niedrige Verbräuche zu erzielen. Falls das im Vordergrund stehen sollte, sind praktisch alle anderen Motoren in der C-Klasse besser geeignet. Dass Mercedes eine C-Klasse ohne batterieelektrischen Antrieb geplant hat, könnte die Marke noch teuer zu stehen kommen. Rechnet man mit den üblichen Produktionszeiträumen, soll dieses Modell immerhin bis 2028 gebaut werden. Bis dahin wird sich in diesem Kapitel eine Menge verändern.

Mercedes C 300 Technik (3 Bilder)

Der Zweiliter-Benziner treibt die C-Klasse durchaus temperamentvoll an. Akustisch ist er erstaunlich präsent.

Für diesen Test bekamen wir einen Account bei der Telematik-Versicherung "InScore" von Mercedes freigeschaltet. Dort lässt sich der eigene Fahrstil analysieren. Das Ganze ist mehr als nur eine Spielerei, denn dahinter steckt die Möglichkeit, sich einen Rabatt zu "erfahren". Wer also Fahrten zur Hauptverkehrszeit verhindert und einen gleichmäßigen Fahrstil pflegt, kann etwas Geld sparen. Klar ist allerdings, dass man dafür dem Versicherer sein Fahrprofil offenlegen muss. Ob das reicht, um einen überschaubaren Prämiennachlass zu bekommen, wird jeder anders beurteilen. Mein Fahrstil wäre dem Versicherer ein Nachlass von acht Prozent wert.

Lange haben die C-Klasse-Fahrer auf das Infotainmentsystem MBUX verzichten müssen, mit dem Modellwechsel ist das nun auch hier zu haben. Es ist ein riesiger Schritt: Gerade die Sprachsteuerung funktioniert weitgehend so, wie man sie sich schon immer gewünscht hat. Selten muss man Befehle wiederholen. Der Umfang dessen, was sich auf diesem Weg bedienen lässt, ist enorm. Wer sich damit nicht anfreunden mag, wird rasch feststellen, dass sich Mercedes viele Gedanken um eine intuitive Oberfläche bemüht hat. Trotz eines gewaltigen Funktionsumfangs findet man sich schnell zurecht. Die Displays lösen sehr hoch auf, dem Rechentempo ist anzumerken, dass Mercedes hinter den Kulissen nicht an Hardware gespart hat.

Ganz lustig ist die Idee des Überraschungsmixes. Dabei wird beispielsweise die Bibliothek des USB-Sticks ausgewertet und 100 Titel zusammengewürfelt. Bei mir startete der erste Versuch mit U2s "I will follow" – keine schlechte Wahl. Noch etwas geschickter arbeiten könnte die KI bei der Titelauswahl. Denn in der gut durchmischten Abspielliste tauchen dann auch mal ein Zwischen-Häppchen von einem Hörbuch auf. Im konkreten Fall folgte auf Jonas Kaufmann ein Dialog aus Assassini, dem sich dann Grönemeyer anschloss. Überraschungsmix umschreibt die Funktion also ziemlich exakt.

Nicht alles im Bereich der Unterhaltungselektronik ist gelungen: Der riesige Bildschirm in der Mitte sitzt niedriger als im Vorgänger und lenkt so den Blick stärker ab. Die Entscheidung, die Bedienung der Klimaautomatik auf das Display zu verlegen, ist in der Praxis weniger schlecht als zuvor befürchtet. Leider geht Mercedes den Trend mit, immer mehr Funktionen über Wischflächen zu steuern. Doch ob nun am Schiebedach, auf dem Lenkrad oder in der Mittelkonsole: Wirklich überzeugend funktioniert das meines Erachtens nirgendwo. Immer mal wieder müssen Eingaben wiederholt oder korrigiert werden. Es mag sein, dass man diese Dysfunktionalität irgendwann nicht mehr wahrnimmt. Beim Umstieg aus dem Vorgänger wird einem aber bewusst, dass das schon einmal deutlich besser gelöst war.

Von einem Auto dieser Preisklasse und dieses Anspruchs darf sich der Fahrer erhoffen, mit allerlei Assistenten beim Fahren spürbar entlastet zu werden. Schließlich ist die C-Klasse auf der Langstrecke daheim, dort spielt sie ihre Stärken aus. In der Tat ist bemerkenswert, auf welchem Niveau die Helfer inzwischen arbeiten: Der Abstandstempomat regelt nochmals feiner und sanfter als im Vorgänger. Die Kameras der Einparkhilfe liefern ein brillantes Bild.

Das teure Matrix-Licht ist auf nächtlichen Landstraßen eine Wohltat und ein enormer Sicherheitsgewinn. Es löst nun noch feiner auf als im Vorgänger, die notwendigen Schatten sind nochmals präziser geschnitten. Auch die Erkennung von Verkehrsschildern, obgleich nicht immer fehlerfrei, gehört zu den besten auf dem Markt. Keinesfalls verschwiegen sei jedoch, dass sich diverse Helfer nach etlichen Kilometern auf der Autobahn auf einmal verabschiedeten, ohne das ein Grund ersichtlich gewesen wäre. Nach einer Pause waren sie alle wieder auf ihrem Posten.

Mercedes C 300 innen (21 Bilder)

Außen mag Mercedes die C-Klasse nur sanft verändert haben, innen hat sie mit ihrem erfolgreichen Vorgänger kaum mehr etwas gemein. Alles wirkt moderner, funktional allerdings ...

Die für mich größte Enttäuschung liefert Mercedes aber in einem anderen Bereich ab, was auch daran liegen mag, dass ich in dieser Hinsicht empfindlich bin und mit einer Schwäche nicht gerechnet hatte. Der Anteil an harten Kunststoffen im Innenraum ist erstaunlich hoch. Das feine Leder an Lenkrad und Sitzen, die edlen Hölzer der Interieurleisten werden eingerahmt von zum Teil billigem Hartplastik. Die hintere Verkleidung der Kopfstützen ist angesichts der aufgerufenen Preise und des immer wieder vorgetragenen Anspruchs eine tapfere Ansage. Der Opel Corsa-e meiner Frau steckt den teuren Mercedes an dieser Stelle locker in die Tasche, der eigene Vorgänger ebenfalls. Der Rückschritt in diesem Bereich ist nicht zu übersehen.

Es gibt Fortschritte gegenüber dem Vorgänger, die nicht zu leugnen sind. Das Auto fährt insgesamt ausgezeichnet, doch an einigen Stellen wird man das Gefühl nicht los, dass es der Hersteller ist, der am meisten vom Modellwechsel profitiert. Diese Idee hatte Mercedes nicht etwa als Erster. Doch es ist bemerkenswert, wie deutlich sichtbar für Fahrer sie in dieser Klasse an die Oberfläche transportiert wurde. Es ist das Experiment, wie weit man bei der Kundschaft gehen kann, ohne massenhaft Protest einzusammeln.

Mercedes hat damit schon einmal Erfahrungen gesammelt: Bei der 2007 vorgestellten C-Klasse wirkten manche Materialien innen schlichter als sie tatsächlich waren. 2011 rüsteten die Schwaben auf aufwendig nach. Gut möglich, dass Mercedes hier wieder schneller nachlegen muss als die Controller hoffen. Schließlich hat die Marke eine ziemlich anspruchsvolle Kundschaft, deren Murren man im ureigensten Interesse besser nicht überhört.

Die Kosten für die Überführung hat Mercedes übernommen, jene für Kraftstoff der Autor.

Hersteller Mercedes
Modell C 300 4Matic
Motor und Antrieb
Motorart Benziner
Zylinder 4
Ventile pro Zylinder 4
Hubraum in ccm 1999
Leistung in kW (PS) 190 + 15 (258 + 20)
Drehmoment in Nm 400
Antrieb Allrad
Getriebe Wandlerautomatik
Gänge 9
Fahrwerk
Spurweite vorn in mm 1582
Spurweite hinten in mm 1594
Wendekreis 11,45
Reifengröße 225/45 R18
Maße und Gewichte
Länge in mm 4751
Breite in mm 2033
Höhe in mm 1438
Radstand in mm 2865
Kofferraumvolumen in Litern 455
Leergewicht in kg nach EU inklusive 68 kg Fahrer und 7 kg Gepäck 1730
Zuladung in kg 605
Dachlast in kg 100
Tankinhalt in Litern 50
Fahrleistungen
Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in Sekunden 6
Höchstgeschwindigkeit in km/h 250
Verbrauch
Verbrauch WLTP in Litern/100 km 7,1
CO2-Emission WLTP in g/km 160
Testverbrauch 8,6
Daten Stand November 2021
Modell Mercedes C 300 4Matic
Ausstattungslinie Basis
Preis für diese Ausstattungslinie 50.272
Infotainment
USB-Anschluss Serie
Soundsystem ab 547
Navigationssystem ab 1779 (Paket)
Freisprecheinrichtung Serie
Head-up-Display 1178
Android Auto/Apple CarPlay ab 1779 (Paket)
kabelloses Laden von Handys ab 1779 (Paket)
Assistenz
Tempomat Serie
Abstandstempomat 476
Einparkassistent 1243 (Paket)
Rückfahrkamera 1243 (Paket)
Müdigkeitserkennung Serie
Spurhalteassistent Serie
Matrix-Licht 1607
Nachtsicht-Assistent -
Funktion
LED-Scheinwerfer Serie
elektrische Heckklappe 298
Alarmanlage 821
schlüsselloser Zugang 655
Fahrwerksoption 405 (Sportfahrwerk)
Hinterachslenkung 1250
Komfort
Sitzheizung 625 (Paket)
Sitzbelüftung 898
Massage 1012
Ledersitze ab 1952
beheizbares Lenkrad 309
Lederlenkrad Serie
Klimaautomatik Serie
Automatikgetriebe Serie
Schiebedach ab 1250
Akustikverglasung 143
Sonstiges
Metalliclack ab 928
Leichtmetallfelgen Serie
Preisliste Stand November 2021

(mfz)