zurück zum Artikel

Motorrad Suzuki GSX-8S im Test: Ein bisschen Streetfighter

Ingo Gach
Suzuki GSX-8S

(Bild: Ingo Gach)

Die Suzuki GSX-8S überzeugt mit ihrem neuen Reihenzweizylinder, fährt handlich und dynamisch. Trotz kleiner Kritikpunkte hat sie das Zeug zum Erfolgsmodell.

Es hat lange gedauert, aber jetzt gibt Suzuki endlich wieder Gas in der Mittelklasse. Die Marke aus Hamamatsu präsentiert ein komplett neu konstruiertes Naked Bike, das mit einer langen V2- und Vierzylindertradition bricht: Die GSX-8S hat einen Reihenzweizylindermotor mit 776 cm3. Sie soll die SV 650 [1] ablösen, die in ihren Grundzügen aus dem Jahr 1999 stammt, aber immer noch die meistverkaufte Suzuki in Deutschland ist.

Das Design der GSX-8S lehnt sich stark an das der GSX-S 1000 an und ist doch eigenständig. Die Entwickler haben sie nicht ganz so konsequent als Streetfighter gezeichnet wie die große Vierzylinderschwester. Dennoch weist die GSX-8S entsprechende Elemente auf, wie den sehr tief angesetzten Scheinwerfer, das kurze Heck und die nach vorn-unten zulaufenden Linien. Über die Ästhetik der beiden übereinander angeordneten, viereckigen LED-Scheinwerfer lässt sich streiten und die Frontmaske der Suzuki erinnert frappierend an die der KTM 690 Duke von 2008. Die Gesamterscheinung der GSX-8S ist aber stimmig.

Die Verpackung gelang schon recht attraktiv, aber mindestens genauso interessant ist der neue Motor. Mit etwas mehr als einem dreiviertel Liter Hubraum gesegnet, produziert er 83 PS bei 8500/min und bringt es auf ein maximales Drehmoment von 78 Nm bei 6800/min. Die Kurbelwelle des Reihenzweizylinders hat einen Hubzapfenversatz von 270 Grad, wie es gerade Mode ist, um damit akustisch einen V2-Motor zu imitieren. Suzuki ist besonders stolz darauf, seinem neuen Aggregat zwei Ausgleichswellen gegen Vibrationen mitgegeben zu haben. Der Hersteller bezeichnet es als "Cross Balancer", eine liegt vor und die andere unterhalb der Kurbelwelle. So blieben die Ausmaße des Motors kompakt. Überhaupt ging es bei der GSX-8S viel um Massenzentrierung, so wurde der Tank möglichst tief im Rahmen platziert und die Auspuffanlage hat zwar einen großen Sammler, aber nur ein ultrakurzes Rohr als Endschalldämpfer.

Test Suzuki GSX-8S (0 Bilder) [2]

[3]

Beim Rahmen unternahm Suzuki keine teuren Experimente, sondern beließ es bei einem einfachen, aber bewährten Brückenrahmen aus Stahl, der den Motor als tragendes Element aufnimmt. Den angeschraubten Heckrahmen macht seine Gitterrohrstruktur optisch interessant. Das Aufsteigen ist selbst für eher kurze Staturen kein Problem, denn die Sitzhöhe beträgt moderate 810 mm. Die Sitzposition ist angenehm, wenn auch leicht nach vorne orientiert, was an der flachen Kröpfung des Lenkers liegt – Suzuki will seiner GSX-8S eindeutig Sportlichkeit einhauchen. Der Kniewinkel bleibt jedoch erfreulich entspannt, eine höhere Positionierung der Aluminiumfußrasten wären für die Alltagstauglichkeit abträglich gewesen.

Lobenswert finde ich das gut strukturierte TFT-Display und seine Bedienung. Es ist möglich, im fünf Zoll großen Display die wichtigsten Informationen auf einen Blick zu erfassen. Über einen kleinen Knopf am linken Lenkerende lassen sich die Fahrmodi und die Schlupfregelung ansteuern und mit einem großen Knopf die jeweils drei Stufen auswählen. Simpel, aber effektiv, denn es gibt kaum etwas, das beim Fahren mehr ablenkt als eine komplizierte und unübersichtliche Bedienung des Menüs.

Der Motor erwacht mit dezenter Geräuschkulisse. 88 dB(A) Standgeräusch stören den Nachbarn am Sonntagmorgen ebenso wenig wie die 72 dB(A) Fahrgeräusch. Die GSX-8S gehört damit zu den absoluten Leisetretern, auch wenn ihr Sound durchaus wohlklingend ist. Der nicht einstellbare Kupplungshebel bedient eine leichtgängige Seilzugkupplung, der erste Gang rastet vernehmlich ein. Alle drei Fahrmodi rufen die volle Leistung von 83 PS ab, wobei Modus C die sanfteste Gasannahme bietet und für nasse Straßenverhältnisse gedacht, und daher alles andere als dynamisch ist. Modus B ist sogar für den Stadtverkehr etwas zu zurückhaltend. Modus A bietet die direkteste Gasannahme, kann mich zumindest bei forcierter Kurvenhatz nicht vollständig überzeugen. Beim plötzlichen Gasanlegen machen sich Lastwechsel bemerkbar. Die drei Stufen der Schlupfregelung erscheinen in Anbetracht der möglichen Höchstleistung etwas übertrieben, sie lässt sich auch abschalten.

Doch trotz der kleinen Kritikpunkte konnte mich die GSX-8S begeistern. Sie erweist sich als sehr handlich und bereitet enorm viel Spaß auf kurviger Strecke. Wer glaubt, nur mit den 152 PS der größeren GSX-S 1000 glücklich zu werden, könnte eine Probefahrt auf der 800er eines Besseren belehren. Der Zweizylinder baut früh Drehmoment auf, was der Suzuki gute Beschleunigungs- und Durchzugswerte beschert. Sie lässt sich ohne Kraftaufwand über die breite Lenkstange einlenken und trifft die anvisierte Linie präzise. Dabei rollt die GSX-8S hinten auf einem 180er-Pneu, ich frage mich, was erst mit einem 160er-Hinterreifen möglich wäre. Aufsetzen in Schräglage ist für die Suzuki ein Fremdwort. Obwohl die GSX-8S mit 202 Kilogramm rund zehn Kilogramm schwerer ist als die meisten Konkurrenten, ist davon während der Fahrt nichts zu spüren.

Test Suzuki GSX-8S (9 Bilder) [4]

[5]
Der kompakt gebaute Reihenzweizylinder verfügt über zwei Ausgleichswellen. Er baut früh Drehmoment auf und bietet guten Durchzug.
(Bild: Ingo Gach)

Das Fahrwerk ist bis auf die Vorspannung des hinteren Federbeins nicht einstellbar und funktioniert dennoch erstaunlich gut. Hier haben die Entwickler von KYB ganze Arbeit geleistet. Die Upside-down-Gabel ist eher straff ausgelegt und arbeitet auf 130 mm recht sensibel. Das Heck ist nicht übertrieben hart abgestimmt, sodass auf holpriger Strecke noch genügend Komfort übrigbleibt und es dennoch beim ernsthaften Angasen in Schräglage nicht anfängt zu pumpen. Einen guten Teil zum vorbildlichen Fahrverhalten tragen die Dunlop SportSmart 2-Reifen bei, die viel Grip aufbauen. Für einen flüssigen Fahrstil sorgt zudem der serienmäßige, bidirektionale Quickshifter.

Die beiden Vierkolben-Bremszangen von Nissin mit 310-mm-Bremsscheiben können mit vehementer Verzögerung und klarem Druckpunkt überzeugen. Das ABS arbeitet sensibel und greift nicht übertrieben früh ein. Das ist vor allem beruhigend, wenn man weiß, dass die GSX-8S eine Höchstgeschwindigkeit von 210 km/h erreicht. Durchhänger erlaubt sich der Motor beim Hochdrehen bis zum roten Bereich bei 9800/min nicht und die Getriebeabstufung ist gelungen. So erklärt sich die dynamische Performance auf der Landstraße. Allerdings machen sich ab 6000/min feine, hochfrequente Vibrationen bemerkbar. Mich stören sie zwar nicht weiter, aber sie stellen den Aufwand zweier Ausgleichswellen infrage.

Nach einigen Stunden Ausritt im Mittelgebirge fühle ich mich noch erstaunlich frisch, der Komfort ist besser als erwartet. Das gilt allerdings nur für den Fahrer, das winzige hintere Sitzkissen möchte ich niemandem zumuten. Was zur Frage führt, warum Suzuki das Heck derartig knapp gestaltet hat. Es endet etwa über der Hinterachse. Ein dadurch überlanger Ausleger trägt das Rücklicht, die Blinker und das Kennzeichen. Bei nasser Straße ist der Rücken im Handumdrehen von einer Schmutzkruste paniert. Unter der Soziussitzbank haben die Entwickler zwar lobenswerterweise zwei Schlaufen angebracht, durch die Spanngurte gezogen werden können, aber was will man denn auf dem winzigen Heck verzurren? Hier wurde die Alltagstauglichkeit dem Design geopfert. Am meisten irritiert mich die Reichweitenangabe des Computers. Selbst randvoll getankt, verkündet mir die Suzuki, dass ich 239 km fahren könnte. Der Durchschnittsverbrauch im Test liegt jedoch bei 4,4 Liter auf hundert Kilometer. Bei einem Tankvolumen von 14 Litern ergibt sich eine Reichweite von 318 km, was sich im Fahrbetrieb auch annähernd bestätigt. Warum Suzuki den Fahrer unnötig früh an die Tankstelle treibt, bleibt mir ein Rätsel.

Für die GSX-8S ruft der Hersteller 8900 Euro auf und bietet sie in den Farbvarianten Blau, Weiß und Schwarz an, wobei letztere als einzige Heckrahmen und Felgen schwarz lackiert hat, ansonsten leuchten die Komponenten in Blau. Die Preisgestaltung ist in Anbetracht der Ausstattung sicher gerechtfertigt, liegt aber über der Konkurrenz. Die neue Honda CB 750 Hornet etwa kostet exakt 910 Euro weniger. Immerhin gewährt Suzuki seit Kurzem vier Jahre Garantie auf seine Modelle über 300 cm3, vorausgesetzt die Servicearbeiten werden beim Suzuki-Händler regelmäßig durchgeführt.

Die GSX-8S erweist sich im Test auf Anhieb als sehr gelungen. Der neue Motor kann überzeugen und die Verarbeitungsqualität liegt auf hohem Niveau. Bei der Handlichkeit macht ihr so schnell keiner was vor und ihre Dynamik bereitet viel Spaß. Ob sie die Erfolgsgeschichte der SV 650 fortsetzten kann – die übrigens vorerst im Suzuki-Programm bleibt – wird die Zukunft zeigen.

Hersteller Suzuki
Modell GSX-8S
Motor und Antrieb
Motorart Otto
Zylinder 2
Ventile pro Zylinder 4
Hubraum in ccm 779
Leistung in kW (PS) 61 (83)
bei U/min 8500
Drehmoment in Nm 78
bei U/min 6800
Antrieb Kette
Getriebe Sequenzielles Schaltgetriebe
Gänge 6
Fahrwerk
Rahmen Stahlbrückenrahmen, Motor teiltragend
Radaufhängung vorn Upside-Down-Telegabel
Radaufhängung hinten Aluminium-Zweiarmschwinge mit direkt angelenktem Feder-Dämpferbein
Reifengröße vorn 120/70-17
Reifengröße hinten 180/55-17
Bremsen vorn Doppelscheibe, 310 mm
Bremsen hinten Einzelscheibe, 240 mm
Maße und Gewichte
Radstand in mm 1465
Nachlauf in mm 104
Lenkkopfwinkel in Grad 65
Gewicht vollgetankt in kg 208
Tankinhalt in Litern 14
Sitzhöhe in mm 810

(fpi [6])


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-9222446

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Schlicht-ergreifend-Die-neue-Suzuki-SV-650-3027946.html
[2] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_9222462.html?back=9222446;back=9222446
[3] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_9222462.html?back=9222446;back=9222446
[4] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_9222464.html?back=9222446
[5] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_9222464.html?back=9222446
[6] mailto:fpi@heise.de