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Test Elektroauto Ford Mustang Mach-E: Kein klassischer Mustang - aber gut

Clemens Gleich
Ford Mustang Mach-E

(Bild: Clemens Gleich)

Ford bringt mit dem Mustang Mach-E ein sehr eigenständiges Auto auf den Markt, das sich die Nische "abschaltbare Fahrhilfen" nur mit dem Porsche Taycan teilt.

Wir müssen mit dem Elefanten im Raum beginnen: dem an den Mustang angelehnten Design. Mit einiger emotionaler Entfernung betrachtet ist daran nichts falsch. Im Gegenteil würde ich diese Arbeit als fachmännisch eher gelungen bezeichnen. Sie krankt nicht an der Linienführung, sondern am Kontext: Es gibt eben schon ein Mustang-Design, auf einer ganz anderen Art von Fahrzeug. Sich als pummeliger SUV an einem Muscle Car zu orientieren, kann nur tragisch enden. Porsche musste das bei den ersten Gehversuchen Cayenne und Panamera feststellen, die zwanghaft nach 911 aussehen wollten und daher wie unpassende Russenschuppenkopien aussahen. Wenn Anton Hofreiter morgen versucht, wie Heike Drechsler zu ihren aktivsten Zeiten auszusehen, dann wird das nicht zu einer Verwechslung führen, sondern zu einem Toni im Weitsprung-Leibchen. Wenn er dann noch "Heike Drechsler Mach Toni" aufs Leiberl schreibt, wird das peinlich aussehen, selbst wenn am Grunddesign des Anton Hofreiter erst einmal nichts Falsches ist.

Das gesagt: Wer den Mustang nicht als Kontext im Kopf hat, findet das Design meistens okay oder hässlich, wie er alle SUV-Designs okay oder hässlich findet. Interessanterweise halten Betrachter das Auto üblicherweise für teurer als die rund 50.000 Euro, die es kostet. Da hat Ford viel richtig gemacht bei gekonnt gewählten Ausstattungsdetails. Die Türen öffnen per Knopfdruck, man zieht sie vorn dann an einem Haken auf und hinten einfach irgendwo. Das ist zwar weniger praktisch als, sagen wir: ein normaler Autotürgriff, aber es wirkt anders. Fast schon cool. Von innen gibt es genauso einen kleinen Hebel, der orthogonal zur üblichen Türöffnerrichtung kippt. Es irritiert jeden Einmal-Fahrgast, es ist aber irgendwie lustig. Die Aero passt damit ebenfalls.

In der Mitte zwischen den Sitzen hängt ein großer Bildschirm, der immer ein funktionelles Hauptthema oben groß und drei Nebenthemen unten klein anzeigt. Der Blickwinkel passt mir bei 180 cm Körpergröße nicht ganz, das Ding macht aber unheimlich Eindruck. Dazu gibt es eine gut funktionierende Online-Sprachsteuerung. Das Bedienkonzept gefällt mir insgesamt gut. Die Fehlerrate liegt zwar auf einem spürbaren Niveau, aber immerhin kompensiert Ford sie mit einem nennenswerten Fehlerhandling: Wenn sich die Software vertritt, kommt sie meistens nach ein paar Sekunden von allein wieder klar. Das ist nicht überall so. Fords Party Piece ist jedoch noch etwas ganz Anderes – etwas, das wahrscheinlich erst zum fragwürdigen Pummelpony-Kontext führte.

Denn Fords erstes batterieelektrisches Auto fährt richtig gut. Das ist mehr als das übliche Geseier vom tiefen Schwerpunkt, den jedes E-Auto hat. Nicht jedes E-Auto fährt so wie dieser Mach-E: ausgewogen, lebendig, mitteilungsfreudig, aktiv. Die getestete Variante mit Heckantrieb schwänzelt im Regen beim Herausbeschleunigen schon auf dem Setting "zahm" ein bisschen. Das ist so deutlich, dass der ADAC es in seinem Test soeben als "eklatanten Sicherheitsmangel" monierte [1], woraufhin Ford Nachbesserung per Funk-Update versprach.

Ford Mustang Mach e außen (0 Bilder) [2]

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Das halte ich für eine stark übertriebene Sichtweise, unbestritten ist jedoch der Fakt, dass selbst auf "zahm" das ESP eher spät regelt. Wer es ärger will, kann das haben, bis zum Setting "temperamentvoll". In den Tiefen der Einstellungen geht jedoch noch mehr. Dort gibt es nicht nur die Möglichkeit, Ein-Pedal-Fahren einzustellen, sondern man kann alle Fahrhilfen außer ABS komplett abschalten (nach dem Neustart sind die Basics wieder da).

Wer hier nicht gejubelt hat, ist nur begrenzt Zielgruppe, denn dieses Feature gibt es unter Elektroautos sonst nur noch beim Porsche Taycan. Ford wendet sich also an die Nische der Raser-Connaisseure, die bisher nur Porsche bedient. Das Pummelpony hat sich damit bei mir und beim geistig verbrüderten (Raser!) Kollegen Sebastian sehr beliebt gemacht. Ich bange nach dem ADAC-Zeigefinger, ob uns diese Features erhalten bleiben. Denn das Auto ist kein Witwenmacher aus den Sechzigern [4].

Im Gegenteil: Es fährt toll, vorhersehbar, zugänglich. Die kürzlich vorgestellte GT-Variante passt da hervorragend ins Konzept. Wenn ich mir am Chassis etwas wünschen dürfte, dann vielleicht Doppelquerlenker vorn. Die MacPherson-Aufhängung gerät ob der Last gelegentlich ins Zittern. Das ist aber Jammern auf dem Niveau kurz vor der Abfahrt Zuffenhausen.

Passend dazu liegt der Autobahnverbrauch bei Vmax 130 km/h bei brutto 23,8 kWh (netto nach Bordcomputer: 21 kWh) pro 100 km. Angesichts winterlicher Temperaturen und Bereifungen auf stellenweise feuchten Strecken ein sehr guter Wert. Überland sank dieser Wert intern auf 20 kWh/100 km, am Messgerät standen dabei jedoch am Ende brutto 26 kWh/100 km. Solche Diskrepanzen liegen oft am internen Schätzeisen, das manche Kurzstrecken-Kälteverluste nicht erfasst. Es könnte jedoch auch an Fords mit 12 A ladenden Schuko-Adapter gelegen haben, den wohl kaum jemand dauerhaft für solche Akkugrößen benutzen wird. Dass ich ihn zum Messen benutzte, liegt an der einen großen Schwäche des Mach-E.

Ford Mustang Mach e innen (12 Bilder) [5]

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Fahrmodusstellrad. Auf "L" bremst der Motor im Schiebebetrieb maximal, zum Beispiel bei längeren Bergabfahrten praktisch.

(Bild: Clemens Gleich)

Leider hat sich Ford zu einer extrem konservativen Ladekurve hinreißen lassen. Bei 8° C Außentemperatur lud das Auto nur mit bis gut 50 kW. Bei 80 % SoC bricht die Leistung unabhängig von der Außentemperatur schlagartig auf nur noch rund 8 kW ein, bei der größeren Batterie sind es rund 12 kW. Das sind sehr enttäuschende Werte für ein System, das sicher mehr aushielte. Die Konkurrenz bietet bei kleineren Batterien in älteren Konstruktionen bereits mehr. Ford sagte dazu, man habe erst einmal die Erfahrungen im Feld abwarten wollen, und wir dachten: Muss man jede Erfahrung selber machen?

Die Erfahrungen im Feld der Mitbewerber und Forschungseinrichtungen sind über zehn Jahre akkumuliert verfügbar. Die Erstkunden waren entsprechend enttäuscht von der Ladeperformance. Ford arbeitet daher bereits an einem Software-Update, das nicht nur höhere Ladeleistungen verspricht, sondern obendrein den Batteriehub vergrößern soll. Bedeutet: mehr Nutzkapazität, mehr Reichweite. Es gibt noch keinen Termin für dieses Update, doch es gibt damit Hoffnung auf Besserung. Vielleicht könnten die recht mutigen ESP-Abstimmer sich um eine Ladekurve kümmern, die es krachen lässt?

Die versprochenen 100+ kW konnte ich jetzt im Winterhalbjahr nur mit etwas Gewalt erreichen. Ich fuhr 20 km die Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h, um Temperatur in den Akku zu bringen, dann fuhr ich mit 17 % SoC sofort an den Alpitronic-Lader. Kurz dreistellig! Immerhin. Das Laden ist also die größte Schwäche des Autos. Wer fernfahren will, wartet auf jeden Fall noch ab, wie viel sich Ford beim Update traut. Vielleicht wollen sie ja noch mehr eigene Erfahrungen sammeln.

Was die Erstkunden in den Foren noch beschäftigt, ist Fords Deal mit Volkswagen: Ford-Elektroautos auf dem MEB-Baukasten sollen kommen. Wie die werden, weiß natürlich keiner, doch es stellt sich schon die Frage, was Ford dann mit den Entwicklungen des Mach-E macht. Ich habe da einen Traum, angelehnt an die Prototypen, die vor dem Pummelpony durch die Presselandschaft fuhren: Baut doch einfach einen richtigen elektrischen Mustang. Fahrhilfen weiterhin ganz abschaltbar. Mustang-Design ohne Hofreiter-Kontextfehler. Heckantrieb oder Allrad konfigurierbar. Mutigere Ladeleistung. Und vorne darf der Frunk ruhig kleiner sein, dürfen ruhig noch Lithium-Zellen hängen, damit das Ding den im Vergleich zur Front leichteren Arsch in kilometerlangen Drifts raushängen kann. Ich wäre höchst interessiert.

Der Ford Mustang Mach 3 kostet ab 46.900 Euro.

Hersteller Ford
Modell Mustang Mach e Standard Range
Motor und Antrieb
Motorart Permanentmagnet-Synchronelektromotor
Boost-Leistung in kW 198
Max. Drehmoment in Nm 430
Dauerleistung in kW 130
Antrieb Heckantrieb
Fahrwerk
Spurweite vorn in mm 1617
Spurweite hinten in mm 1626
Radaufhängung vorn MacPherson
Radaufhängung hinten Mehrlenker
Lenkung Zahnstange, elektrisch unterstützt
Wendekreis in m 11,6
Reifengröße vorn 225/60 R 18
Reifengröße hinten 225/60 R 18
Maße und Gewichte
Länge in mm 4713
Breite in mm 1881 (2097 über Spiegel)
Höhe in mm 1625
Radstand in mm 2984
Kofferraumvolumen in Litern 322 bis 1420 max. plus 100 Frunk
Leergewicht in kg nach EU inklusive 68 kg Fahrer und 7 kg Gepäck 1993
Zuladung in kg 637
Dachlast in kg --
Anhängelast in kg 750
Batteriekapazität netto in kWh 68
Batteriekapazität brutto in kWh 76
Fahrleistungen
Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in Sekunden 6,9
Höchstgeschwindigkeit in km/h 180
Laden
Max. Ladeleistung AC in kW 11
Max. Ladeleistung DC in kW 115
Ladeleistung Schuko-Ladeadapter, beiliegend in kW 2,8
Ladezeit 10 bis 80% SoC, Idealbedingungen, in min 38
Verbrauch
Verbrauch kWh/100 km nach WLTP kombiniert 17,2
Testverbrauch Kurzstrecke überland Winter in kWh/100 km brutto 26,0
Testverbrauch BAB 130 Winter in kWh/100 km brutto 23,8
Daten Stand  November 2021

(cgl [7])


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[4] https://www.heise.de/hintergrund/Autos-der-60er-Jahre-6146092.html
[5] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_6263949.html?back=6263925
[6] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_6263949.html?back=6263925
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