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Test Land Rover Velar P400e: Plug-in-Hybrid löst Sparversprechen nicht ein

Martin Franz
Land Rover Range Rover Velar

(Bild: Pillau)

Der Range Rover Velar fährt als PHEV leise und flott, was gut zu seinem Charakter eines gediegenen Reisewagens passt. Sparsam ist er jedoch nicht.

Was sich Politiker unter der tatkräftigen Unterstützung einer wirkmächtigen Autolobby bei der Verbrauchserfassung im WLTP überlegt und umgesetzt haben, treibt seit einigen Jahren seltsame Blüten. Da werden wahrhaft füllige SUV-Modelle mit reichlich Leistung ohne zu Zögern mit Verbrauchswerten zwischen zwei und drei Litern angepriesen. Autos wie der Range Rover Velar, den es seit gut einem Jahr auch als Plug-in-Hybrid P400e gibt, sind Kinder dieser Entwicklung. Im Test erwies sich das SUV als sehr harmonisch motorisiert, sofern den Fahrer der Energieverbrauch nur am Rande tangiert.

Innerhalb des Velar-Sortiments gehört der Plug-in-Hybrid P400e zu den kräftigsten Auslegern. Die Systemleistung liegt bei 297 kW, zu denen ein Elektromotor, der im Getriebe integriert ist, 105 kW beisteuert, ein Zweiliter-Benziner mit vier Zylindern 221 kW. 640 Nm werfen beide gemeinsam in den Ring. Das alles reicht, um die schon leer mehr als 2,2 Tonnen schwere Fuhre jederzeit sehr nachdrücklich in Bewegung zu setzen.

Die 5,4 Sekunden, die Land Rover im Standardsprint benennt, beschreiben den Fahreindruck wie so häufig nicht einmal ansatzweise. Es ist stets derart viel Leistung vorhanden, dass der Fahrer nur selten alle Reserven mobilisieren muss. Er könnte, wenn er nur wollte, meist schneller unterwegs sein, doch der Velar reizt dazu nicht. Er ist ein Reiseauto der gehobenen Art, was keinesfalls zuletzt an seiner insgesamt ausgezeichneten Dämmung liegt. Ihm behagt das Gleiten weit mehr als die Hast. Dann bleibt auch der in diesem Umfeld vergleichsweise schmächtige Zweiliter-Vierzylinder akustisch dort, wo er hingehört: Im Hintergrund.

Land Rover Range Rover Velar P400e Antrieb (0 Bilder) [1]

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Leise und kräftig – es fällt nicht schwer, diesem Antrieb spontan Sympathie entgegenzubringen. Auf der anderen Seite muss man sich verdeutlichen, warum er in ein SUV dieses Formats eingezogen ist: Er hilft dem Hersteller beim Flottenverbrauch und wird bei einigen Kunden das wohlige Gefühl hinterlassen, einen „umweltschonenden“ Antrieb gewählt zu haben. Ersteres ist unbestritten richtig, letzteres natürlich Unsinn.

Der elektrische Streckenanteil hat seinen Reiz, keine Frage. Manche werden es zweifelsohne auch mögen, in einem voluminösen Auto mit reichlich Leistung zu sitzen. Dann sollte man aber nicht so tun, als wäre das in der Praxis mit einem geringen Verbrauch zu verknüpfen. Denn ein Auto mit diesem Gewicht (ab 2233 kg) und dieser Stirnfläche (2,62 m2) lässt sich nicht mit Almosen abspeisen – egal, ob es mit Strom oder Sprit bewegt wird. Noch wird dieser Velar übrigens subventioniert: Für ihn kann die Bafa-Prämie beantragt werden, und auch die reduzierte Besteuerung der privaten Nutzung eines Firmenwagens greift hier. Die Unterstützung beim Kauf könnte ab Januar 2022 wegfallen, sofern der Hersteller untätig bleibt.

Der V6 mit ähnlich viel Kraft braucht noch viel mehr, das ist schon richtig. Dennoch: Wer einen Velar P400e erwählt, dem muss der Verbrauch insgesamt schon wirklich ziemlich egal sein. Das ist gewissermaßen konsequent im Sinne der Zielgruppe, denn niemand, den das tatsächlich interessiert, kauft sich ein Auto dieses Formats. Vielleicht reicht ihnen ja aber auch einfach das Gefühl, irgendwie „grün“ unterwegs zu sein.

Mein Kollege Christian kam maximal 47 km elektrisch weit, wohlgemerkt unter idealen Bedingungen. Über volle Landstraßen waren es in meiner Hand 41 km. Im Winter dürften es bei nicht bewusst auf eine maximale Reichweite ausgerichteter Fahrweise deutlich unter 30 km sein. Die Batterie hat einen Energiegehalt von brutto 17,1 kWh, netto sind es 13,7 kWh. Für eine Aufladung benötigten wir inklusive der Ladeverluste zwischen 14,2 und 15 kWh – je nach Stromquelle. Mittelt man nun diese Werte und die Minimalverbräuche von Christian und mir, ergibt sich ein Stromverbrauch von 33,2 kWh/100 km als unterster Durchschnittswert in unserem Test, der bei Temperaturen zwischen 20 und 25 Grad Celsius stattfand. Im Jahresmittel ist mit höheren Werten zu rechnen, unter winterlichen Bedingungen auf kurzen Strecken vermutlich mit mehr als 40 kWh/100 km.

Ohne vorherige Aufladung waren es in unserem Test minimal 7,6 Liter Benzin. Verkostet der Fahrer die Systemleistung auch nur zaghaft, stehen schnell 9 Liter auf der Rechnung für 100 km – und da ist, es sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt, natürlich das obere Ende noch lange nicht erreicht. Die Idee, ein 2,2-Tonnen-SUV mithilfe eines Hybridantriebs sparsam betreiben zu können, dürfte freilich für keinen Velar-Hybrid-Interessenten ernsthaft den Ausschlag geben. Spielt das eine Rolle, stellt er oder sie zuerst das Format infrage, und nicht den Antrieb.

Land Rover Range Rover Velar P400e außen (0 Bilder) [3]

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Es ist lobenswert, dass Land Rover beim Laden viel mehr bietet als fast jeder andere Hersteller. 32 kW sollen es an Gleichstrom sein, das ist für Plug-in-Hybride ein Wort. Damit lässt sich der Speicher beispielsweise beim Einkaufen schnell nebenbei befüllen. Kaum ein Konkurrent bietet ähnliches. Relevanter ist für die meisten Ladewilligen vermutlich aber die Befüllung der Batterie an Wechselstrom. 7 kW nennt Land Rover hier, also fast doppelt so viel wie beispielsweise in Plug-in-Hybriden von BMW oder VW bestenfalls möglich ist.

Doch leider kippen die Briten einen Schluck Essig in diesen Wein: Das interne Ladegerät ist nur einphasig ausgelegt. Damit lässt sich die maximal mögliche Ladeleistung in Deutschland in der Regel nur an öffentlicher Infrastruktur nutzen. Durch die Schieflastverordnung ist hierzulande in der Regel daheim bei spätestens 4,6 kW Schluss, mit den gerade so umfangreich geförderten 11-kW-Ladestationen sogar schon bei 3,7 kW. Bei einer zweiphasigen Auslegung und der damit auch in vielen Haushalten möglichen Ladeleistung von 7,4 kW wäre die Batterie vermutlich in rund zwei Stunden befüllt.

Zu einem überzeugenden Reiseauto gehören nicht nur ein standesgemäßer Antrieb und eine wirksame Dämmung, sondern auch eine weitreichende Filterung von Unebenheiten des Weges. Land Rover hat der Versuchung widerstanden, dem Velar auf diesem Pfad eine Dynamik überzuhelfen, die dem Format entgegensteht. Das war richtig so, denn so bleibt den Insassen verborgen, über welch üble Oberfläche sich das SUV gerade hinweg begibt. Im Sportmodus schwingt sich der Velar zu einem beachtlichen Kurventempo auf, der Reiz, den schweren Brocken hier zur Eile zu treiben, bleibt freilich gering.

Im Rahmen der 2020er-Überarbeitung bekam der Velar auch ein neues Infotainmentsystem. Die Hardware ist nun spürbar moderner, das System arbeitet flott. Die Bedienung ist größtenteils intuitiv, wenngleich es mir nicht gelungen ist, den Stromverbrauch des Antriebs auszulesen. Da ich mir ziemlich sicher bin, dass das irgendwie möglich ist, liegt der Fehler nicht im System, sondern saß davor. Dieselbe Ursache dürfte auch für die fehlgeschlagene Konfiguration des Kombiinstrumentes verantwortlich sein. Nicht auf der Höhe der deutschen Konkurrenz ist die Sprachsteuerung. Sie wirkt hölzern verglichen mit dem, was BMW und vor allem Mercedes in diesem Bereich derzeit auffahren.

Richtig gut gelungen ist dagegen das mittlere von drei Soundsystemen. Zwar lösen manche Konkurrenten im oberen Frequenzbereich noch etwas feiner auf, doch wer sich in die andere Richtung so weit nach unten wagt, hat zweifellos zuvor tüchtig in Membranfläche und Verstärkerleistung investiert. Ob nun Paul David Hewson oder Jonas Kaufmann: Es macht Freude, hier zuzuhören.

Land Rover Range Rover Velar P400e Innenraum (7 Bilder) [5]

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Eher zurückhaltend als überzeichnet ist das Design des Armaturenbretts. Schön wären mehr Ablagen im Griffbereich für täglichen Kleinkram wie Schlüssel, Handy, Geldbörse, Sonnenbrille.

Das Basismodell kostet 72.045 Euro, der umfangreich ausgestattete Testwagen dürfte die Marke von 100.000 Euro locker überschritten haben. Viele Extras sind für das Einstiegsmodell erheblich teurer als für die höheren Ausstattungslinien, es lohnt sich also, genau zu überlegen, was gewünscht ist. Das ist mitunter gar nicht so einfach: 22 von 78 Seiten der Preisliste beschäftigen sich nur mit den Sitzen und all ihren Optionen.

Es bleibt schlussendlich der Eindruck eines gediegenen Reisewagens mit geschliffenen Umgangsformen. Der Velar P400e ist komfortabel gefedert, souverän motorisiert und sorgsam gedämmt, die Fortschritte im Bereich der Unterhaltungselektronik sind unverkennbar. Die Sitze sind auch auf längeren Strecken bequem, das Platzangebot großzügig. Die Möglichkeit, die Batterie auch mit Gleichstrom aufladen zu können, findet hoffentlich bald viele Nachahmer. Nachrüsten sollte Land Rover ein zweiphasiges Ladegerät und eine verständigere Sprachsteuerung. Kritiker mögen dem Velar P400e vorwerfen, dass der Verbrauch zu hoch ist. Das ist richtig – und der Zielgruppe dieses Autos vermutlich mehrheitlich vollkommen egal.

Der Testwagen wurde vom Hersteller kostenlos bereitgestellt. Kosten für Fahrenergie wurden von der Redaktion übernommen.

Hersteller Land Rover
Modell Range Rover Velar P400e
Motor und Antrieb
Motorart Plug-in-Hybrid-Benziner
Zylinder 4
Ventile pro Zylinder 4
Hubraum in ccm 1997
Leistung in kW (PS) 221 (300)
Leistung in kW E-Motor 105
Systemleistung in kW (PS) 297 (404)
Systemdrehmoment in Nm 640
Antrieb Allrad
Getriebe Wandlerautomatik
Gänge 8
Fahrwerk
Spurweite vorn in mm 1643
Spurweite hinten in mm 1662
Lenkung Elektromechanische Servolenkung
Wendekreis 11,94
Reifengröße 265/45 R21
Maße und Gewichte
Länge in mm 4797
Breite in mm 2147 (inklusive Außenspiegeln)
Höhe in mm 1678
Radstand in mm 2874
Kofferraumvolumen in Litern 503
Leergewicht in kg nach EU inklusive 68 kg Fahrer und 7 kg Gepäck 2233
Zuladung in kg 562
Dachlast in kg 79
Tankinhalt in Litern 69
Batterie in kWh netto 13,7
Fahrleistungen
Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in Sekunden 5,4
Höchstgeschwindigkeit in km/h 209
Verbrauch
Verbrauch WLTP in Litern/100 km 2,2
CO2-Emission WLTP in g/km 57
Ladeleistung an AC in kW 7
Ladeleistung an DC in kW 32
E-Reichweite in km 47
Testverbrauch ohne Aufladung 8,8
Schlüsselnummern zu 2/zu 3 1590 / AJT
Daten Stand August 2021

(mfz [7])


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