Mars-Astronauten müssen mit Demenz und anderen kognitiven Schäden rechnen

Der rote Planet in der Nachbarschaft. Bild: NASA/Greg Shirah

Eine lange Aussetzung an kosmischer Strahlung führt nach einer Studie bei Mäusen zu schweren und anhaltenden Schädigungen im Gehirn

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Der nächste Stopp für die Menschheit im Weltall soll der Mars sein, der Nachbarplanet der Erde im Sonnensystem. Wegen der elliptischen Umlaufbahnen schwankt die Entfernung zwischen Erde und Mars bei der Opposition zwischen schlappen 56 Millionen und 100 Millionen Kilometern, was aber schon eine Reisezeit einfach je nach Route und Antrieb von 5-7 Monaten und länger mit sich bringen würde. Mit einem notwendigen 500-tägigen Aufenthalt auf dem Mars und der Rückfahrt wären die Marsreisenden, wenn sie kein One-Way-Ticket haben sollen, wie das Mars One plant, bis zu zwei Jahre unterwegs (Marsbesiedelung als Lösung der Flüchtlingskrise).

Gesundheitsrisiken bei längerem Aufenthalt in der Schwerelosigkeit sind bekannt. Neben psychischen Belastungen und Stress in der Gruppe bei langem Aufenthalt in kleinen geschlossenen Räumen mit der Aussicht, anders als von der ISS, im Notfall nicht schnell zurückkehren zu können, kommen die Folgen der Strahlenbelastung, Muskel- und Knochenschwund, da auch auf dem Mars nur ein Drittel der irdischen Schwerkraft herrscht, möglicherweise Krebs, Sehstörungen und anderen, vielleicht unbekannten Faktoren. Die Strahlungsbelastung der Astronauten auf der ISS ist relativ gering, da die Raumstation sich noch in der schützenden Magnetosphäre der Erde befindet. Jedenfalls wird an Plänen auch von privaten Unternehmen wie SpaceX, Mars One, Boeing oder der Mars Foundation gestrickt. China will möglichst vor der Nasa Mernschen auf den Nachbarplaneten schicken.

Doch jetzt haben Wissenschaftler erneut schlechte Nachrichten für die möglichen Astronauten, die den Mut haben, sich auf den unwirtlichen Planeten mit ungewissen Aussichten begeben zu wollen. Die kosmische Strahlung, die Astronauten ausgesetzt wären, könnten zu einem "Weltraumgehirn" führen. Die Untersuchung wurde im Rahmen des Human Research Program der Nasa ausgeführt. Festgestellt wurde an Mäusen, wie die Forscher an der medizinischen Fakultät der University of California in ihrer Studie schreiben, die in den Scientific Reports von Nature erschienen ist, dass eine Aussetzung an die Strahlung zu Gehirnschäden mit kognitiven Beeinträchtigungen bis hin zur Demenz führt. Die Schäden im Hippocampus und Cortes hielten noch ein halbes Jahr nach der Aussetzung an und zeigten sich anhand von Verhaltenstests.

Hellas-Tiefebene, die in eine eisbedeckte Fläche übergeht. Bild: ESA/DLR/FU Berlin/CC BY-SA 3.0 IGO

Für die Studie wurden Mäuse einer Partikelstrahlung durch ionisierten Sauerstoff (16O) und Titan (48Ti) im Nasa-Labor am Brookhaven National Laboratory in New York zwischen 0,05 and 0,25 Gy/min ausgesetzt. Die Folgen zeigten sich schon bei einer relativ geringen Dosis von 5 Zentigray (cGy) bzw. 0,05 Gy bei Gedächtnisleistungen zusammen mit Einschränkungen der exekutiven Funktionen und vermehrter Angst. Dazu kommen eine Abnahme der Dichte der Dendritenkomplexität sowie der Dichte und Beschaffenheit des Dornenfortsatzes der Neuronen im präfrontalen Cortex. Die Folgen waren auch noch nach einem halben Jahr zusammen mit erhöhter Neuroinflammation und den aus den Schädigungen der Signalübertragung der Nervenzellen hervorgehenden Verhaltensstörungen.

"Das sind keine positive Neuigkeiten für Astronauten, die sich auf einer zwei- bis dreijährigen Reise zum Mars befinden", sagt Charles Limoli, der Erstautor der Studie. Lange Weltraumreisen können zu "unterschiedlichen Leistungsverschlechterungen, Gedächtnisdefiziten, Angst, Depression und beinträchtiger Entscheidungsfähigkeit" führen, die anhalten und sich verstärken können. Neben dem Gedächtnisverlust ist vor allem beunruhigend, dass offenbar durch die Strahlung die Angst nicht mehr abgebaut bzw. verdrängt werden kann. Bekannt sind ähnliche kognitiven Beeinträchtigungen bei Krebspatienten, die eine hohe, photonenbasierte Strahlentherapie erhalten hatten. Die Entwicklung von kognitiven Beeinträchtigungen während einer längeren Weltraumfahrt sind alleine schon deswegen riskant, weil die Astronauten mit Ungewissheiten, vielen Herausforderungen und Stressfaktoren konfrontiert sind, die sie dann erst recht nicht mehr bewältigen können. Zwar könnten menschliche Gehirne anders reagieren, vermutlich aber nicht grundsätzlich. Gut möglich also, dass die Astronauten auf dem Mars den Überblick verlieren, in Panik geraten und, sollten sie die Rückkehr schaffen, nicht mehr wissen, was sie erlebt haben.

Ziel der Forschung ist natürlich auch, nach Möglichkeiten zu suchen, wie die Astronauten geschützt werden können. So könnten Teile des Raumschiffs, beispielsweise die Ruhe- und Schlafbereiche, besonders vor Strahlung geschützt sein, was aber nicht wirklich das Risiko senken würde, weil man den hochenergetischen Partikeln nicht entkommen kamm, wie Limoli sagt. Möglicherweise könnte man, woran im Labor von Limoli geforscht wird, Medikamente entwickeln, die freie Radikale binden und die Neurotransmission, also die Informationsübertragung, schützen.

Die Wissenschaftler sind, gut kalifornisch und wohl in Rücksicht auf die Nasa, optimistisch: "Anders wie die anderen großen Abenteuer der Menschheit ist der Weltraum wirklich die letzte Frontier. Unsere Erkundung von fremdartigen neuen Welten sollte nicht von der Angst vor kosmischer Strahlung behindert werden, sondern vielmehr große Anstrengungen inspirieren, um unser Verständnis eines zuvor unbekannten Problems zu verbessern."