USA: Demokraten im Aufwind gegen extreme Republikaner

Biden entdeckt die "dunkle Seite" und punktet. Demokraten müssen momentan nur ein Minimum an Anstrengung unternehmen, um als regierungsfähige Partei zu gelten.

Trump wird derzeit von seinem selbst-ernannten Erzfeind, dem "Deep State", in Form des FBI bedrängt, während die Biden-Administration tatsächlich Teile ihres Wahlprogramms umsetzt. Auch scheint den Republikanern der eigene Sieg im Kulturkampf, dass Abtreibungsgesetze infolge des Urteils des Verfassungsgerichts gekippt werden können, nicht gut zu bekommen.

Aufgrund dieser Entwicklungen verbessert sich die Lage der Demokraten vor den Zwischenwahlen im November. Ist es nur ein Hoffnungsschimmer oder doch eine generelle nachhaltige politische Entwicklung, die sich sogar bis zu den Präsidentschaftswahlen 2024 fortsetzen wird, also bis hin zu einer zweiten Amtsperiode Joe Bidens?

Bärendienst

Was die Midterms betrifft, so hat der Oberste Gerichtshof mit der Aufhebung der Grundsatzentscheidung "Roe vs. Wade" von 1973 den Republikanern möglicherweise einen Bärendienst erwiesen.

Denn schon nach kürzester Zeit ließen einige Republikaner, unter anderen Mike Pence, durchblicken, dass es bei der Annullierung des national-geltenden Rechts auf Abtreibung keineswegs, wie zuvor behauptet, um die Selbstbestimmungsrechte einzelner Bundesstaaten geht, sondern schlicht und einfach um die Durchsetzung einer vorsintflutlichen Ideologie in den gesamten USA.

Und selbst wenn ein Großteil der Republikanischen Partei das Urteil befürwortet, die US-Bürgerschaft tut es überwiegend nicht.

Im Visier der rechten Kulturkämpfer steht auch, dass demnächst das Recht auf gleichgeschlechtliche Eheschließung zur Sache der Bundesstaaten erklärt werden könnte.

Eigentlich sind solche Bestrebungen im Einklang mit der politischen Agenda der Republikaner. Es sollte aber nicht vergessen werden, dass in einem Zwei-Parteien-System auch auf der Seite der Konservativen, weniger laute Stimmen und weniger extreme Ansichten existieren, auch wenn diese spätestens seit Trump oft übertönt werden.

Einige Anhänger dieser Strömung, ihres Zeichens erzkonservative Neoliberale, eben nicht Faschisten oder religiöse Fanatiker, könnten von dem immer eindeutigeren Kurs ihrer Partei abgeschreckt werden.

Das soll nicht heißen, dass auf republikanischer Seite in nächster Zukunft mit einem Aufstand der Gemäßigten zu rechnen ist, nicht, solange die "Frontmänner" Trump und DeSantis heißen. Dennoch, die Kippung von Roe vs. Wade kam etwas zu früh für die Konservativen.

Die Frauen

Wäre die Entscheidung nach einer Wiederwahl Trumps oder einer andersgearteten konservativ dominierten Legislaturperiode getroffen worden, so hätten die Republikaner das Ende der Entrüstung eventuell abwarten oder anderweitig abfedern können, so aber machen sie sich derzeit die größten marginalisierten Gruppen des Landes zu Feinden: Frauen.

Der Sieg kam zu schnell, auf solch drastische Maßnahmen hätte man die eigene Wählerschaft sanfter vorbereiten müssen.

Ein weiterer Grund, warum die Demokraten gerade vielleicht etwas Morgenluft schnuppern oder zumindest verhalten aufatmen dürfen, ist ganz einfach Donald Trump.

Wie Trump den Demokraten hilft

Der Mann, der die konservative Partei, genauer gesagt ihre Basis fest im Griff hält, auch wenn einige DeSantis gerne an der Spitze sehen würden, ist und bleibt skandalumwittert.

Im Unterschied zu anderen Trump-Affären wie den Russia Scandal, die zumindest teilweise wohl stark vom Clinton Wahlteam im Zusammenspiel mit einigen liberal eingestellten Medien aufgebauscht wurden, scheint der neueste Skandal ziemlich ernst.

Was die tatsächlichen Gründe für die Durchsuchung des Trump-Anwesens "Mar-a-Lago" auch sein mögen, gegen Trump wird auf Basis des Espionage Acts ermittelt und das ist immer ernst.

Ob ihm und seinem inneren Zirkel von Getreuen und Familienmitgliedern unterdessen vorgeworfen wird, "Nuklear-Geheimnisse" an das Saudische Königshaus oder Namenslisten von CIA-Informanten an andere Regime weitergegeben zu haben, ist fast schon unerheblich. Trumps Problem ist in diesem Fall, dass ihm die US-amerikanische Öffentlichkeit alles zutraut - auch einige seiner Anhänger.

Ein solcher Rechtsstreit kostet Zeit, die ihm während eines langen (Vor-) Wahlkampfes fehlen könnte. Auch wenn die Ermittlungen wohl nicht "unamerikanisch, ungerechtfertigt und unnötig" sind, wie vom Ex-Präsidenten behauptet, ist es nie gut, wenn sich die dreibuchstabigen Institutionen des staatlichen Sicherheitsapparates gegen einen wenden, erst recht nicht, wenn man einen Wahlkampf zu gewinnen hat.

Der wohl überraschendste und vielleicht fadenscheinigste Grund, warum Politikexperten den Demokraten auf einmal wieder Chancen für die Mid-Terms im November und die darauffolgenden Präsidentschaftswahlen einräumen, sind Joe Bidens letzte politische Erfolge.

"Dark Brandon" Biden: Erfolge und Imagekorrektur

Die Demokraten, inklusive Senator Joe Manchin, haben sich doch tatsächlich dazu durchgerungen, eine Version von Bidens Built Back Better Plan zu verabschieden, sogar inklusive einiger Richtlinien für eine Förderung alternativer Energien.

Und auch wenn es sich bei dem Gesetz um eine komplett unzureichende Form der Energiewende handelt, die zum Beispiel einen der global größten Umweltsünder, das US-Militär, unberührt lässt, so ist es im historischen Vergleich trotzdem als Erfolg zu verbuchen.

Auch kündigte Biden eine Annullierung von Studienkrediten an. So sollen 10.000 Dollar Schulden erlassen für alle, die weniger als 125.000 Dollar pro Jahr verdienen, und 20.000 Dollar für diejenigen, die "Pell-Zuschüsse" für einkommensschwache Familien erhalten haben.

Vielleicht kommt der Erlass zu spät, dennoch handelt es sich um eine weitreichend populäre Maßnahme. Daran kann auch die Kritik der Republikaner, nun würde die Arbeiter-Klasse die Allüren der Oberschicht mitfinanzieren müssen, nichts ändern. Denn die meisten dürften verstehen, dass gerade Studenten aus diesen Schichten oft auf Studienkredite angewiesen sind - und genau diese profitieren von Bidens Schuldenerlass.

Joe Biden hat es also tatsächlich geschafft und Regierungsfähigkeit bewiesen, was bei Mehrheiten der Demokraten in Senat und Repräsentantenhaus eigentlich kein Kunststück sein sollte. Auch darf man nicht davon ausgehen, dass die beiden "Stolpersteine", Senator Joe Manchin und die Abgeordnete Kyrsten Sinema, auch in Zukunft die Füße stillhalten werden, wenn Biden Reformen auf den Weg bringen möchte.

Immerhin, im Moment hat ihnen die Angst vor einer "roten Welle" in den Midterms kurzzeitig so etwas wie ein politisches Gewissen - oder zumindest ein Mindestmaß an Parteisolidarität - beschert.

Wie lange dieser Zustand anhält, ist offen. Dieser leichte Rückenwind scheint den alten Mann im Weißen Haus wiederbelebt zu haben, und so zeigt sich Präsident Biden derzeit ungewohnt angriffslustig gegenüber seinen republikanischen Widersachern. Dieses Phänomen, von der Rechten als "Dark Brandon" bezeichnet, steht Biden gut zu Gesicht.

Ob nun gezielte Angriffe gegen die Republikanische Partei bezüglich ihrer Position zu Roe vs. Wade oder Seitenhiebe gegen die Ultrarechten im Repräsentantenhaus wie Marjorie Taylor Greene, ein wacher, angriffslustiger Joe Biden ist definitiv unterhaltsamer, und das ist wichtig im Wahlkampf.