Test: Mercedes GLE 350de

Seite 2: Sinnvoll für wen?

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Niedrigere Werte waren auf der Landstraße ablesbar. Der GLE ist eben ein Riesenauto, das trotz gutem Luftwiderstandsbeiwert (cW 0,29) die große Stirnfläche nicht verleugnen kann, und 2655 kg Gewicht (inklusive Normfahrer und Gepäck) zeigen, dass die Konkurrenz in der Liga von Range Rover, Porsche Cayenne und Toyota Land Cruiser zu suchen ist.

Gute Verbrauchswerte - gemessen am Format

Mit Geschmeidigkeit funktioniert der Übergang zum Diesel-hybridischen Betrieb. Der Selbstzünder läuft zwar deutlich rauer als der Elektromotor, aber der akustisch-vibratorische Schock, den frühe Dieselhybride ausgelöst haben, findet nicht statt. Im GLE 350 de passt alles zusammen, und die beinahe ruckfreie Fortbewegung unterstreicht das komfortabel-luxuriöse Grundgefühl. Die Bremsenergierückgewinnung bleibt selbstverständlich auch im Hybridmodus erhalten, und so ergeben sich Verbrauchswerte, die für ein Fahrzeug dieser Größen- und Gewichtsklasse gut sind: Bei Richtgeschwindigkeit liegt der Dieselkonsum bei etwa neun Litern. Minimal waren es auf Bundesstraßen 5,7 Liter. Zweistellig wird es erst, wenn man wirklich schnell fährt. Das ist machbar – entspricht aber nicht dem Wesen dieses Autos, mit dem man beim entspannten Gleiten immer noch zügig unterwegs ist.

Lobenswert ist einmal mehr die automatische Rekuperation. Sie verstellt – gesteuert über den Abstand zum Vordermann – die Bremsenergierückgewinnung von null auf scharf (bis 1800 Nm). Diese automatische Verzögerung wirkt intuitiv und so vorbildlich, dass sie wahrscheinlich von anderen Herstellern übernommen werden wird. Die Fahrautomatisierungssysteme sind auch sonst auf hohem Niveau. Die Abstandsregelung funktioniert perfekt, auf der Autobahn wird niemals rechts überholt, und der Fahrspurwechsel kann über den Blinker eingeleitet werden. Abstriche gab es trotzdem: Die Hands-off-detection ist zu sensibel und die Verkehrszeichenerkennung mit Geschwindigkeitsübernahme war nicht unter allen Umständen fehlerlos. Das kann und sollte besser werden.

Dass Mercedes dem GLE 350 de eine große Batterie gibt und sie dankenswerterweise DC-ladefähig macht, ist auch ein Ergebnis der gesetzlichen Vorgaben. Plug-in-Hybridautos müssen in Deutschland und anderen EU-Ländern Mindestauflagen erfüllen, um förderfähig zu sein. Für ein E-Kennzeichen etwa muss entweder die Reichweite über 40 km betragen, oder der CO2-Wert muss unter 50 Gramm pro Kilometer liegen. Nach dem aktuellen Verfahren WLTP wohlgemerkt, nicht nach NEFZ. Im WLTP wiederum werden die Daten ausstattungsindividuell erhoben. Der Testwagen war branchenüblich mit sehr vielen Extras versehen, was im Fahrzeugschein unter Position V.7 zu einem CO2-Wert von 46 g / km führt.

Für Kaufkräftige und Eigenstromerzeuger

Vom Mercedes GLE Baureihe V167 werden pro Monat gut 1000 Exemplare neu zugelassen. Angesichts des Grundpreises, der sich mithilfe der 78-seitigen Preisliste mühelos um mehrere 10.000 Euro erhöhen lässt, kann davon ausgegangen werden, dass die Unterhaltskosten für die Käufer zweitrangig sind. Die Kundschaft rekrutiert sich eher nicht aus Dienstwagenberechtigen, denen SUVs oder Geländewagen dieser Größe durch unternehmensinterne Car Policies meistens untersagt sind. Wahrscheinlicher sind gutverdienende Selbstständige, die von der auf 0,5 Prozent reduzierten Pauschalbesteuerung des geldwerten Vorteils der privaten Nutzung profitieren.

Es gehört wenig Fantasie dazu, sich die Nutzergruppen vorzustellen: Gut situierte Landwirte, die selbst Strom erzeugen und regelmäßig schwere Anhänger ziehen. Geschäftliche Vielfahrer, die neugierig auch den technischen Fortschritt sind. Mediziner, die im knappen Wochenende in die Berge oder ans Meer wollen. Und alle anderen, bei denen Geld eine untergeordnete Rolle spielt, weil so viel davon vorhanden ist.

Bisher waren die Zulassungszahlen des Mercedes GLE 350 de gering. Der Plug-in-Hybrid wurde erst im September 2019 vorgestellt. Für die CO2-Flottenbilanz 2020 der Daimler AG ist es besser, wenn die Autos jetzt erst auf die Straße kommen. Der Mercedes GLE 350 de könnte für die Fans von rein batterieelektrischen Antrieben eine Provokation sein. Im Alltag kommt er der Vision vom Besten aus zwei Welten wegen der DC-Schnellladefähigkeit und dem sparsamen Dieselmotor jedenfalls näher als viele andere Plug-in-Hybride. Und anders als bei besonders preisgünstigen Modellen von Mercedes gibt es hier noch die traditionellen Tugenden – ein solides, hochwertiges und detailverliebt gebautes Stück Technik.

Der Hersteller hat den Testwagen kostenfrei zur Verfügung gestellt und überführt. Der Autor hat die Fahrenergiekosten getragen. (mfz)