Das Erdbeben in Taiwan lässt die Weltwirtschaft erzittern

Seite 3: Keine Souveränität absehbar

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EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen.

(Bild: dpa, Etienne Ansotte/European Commission/dpa)

Beim Drängen auf mehr europäische Chiptechnik hat Thierry Breton die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wohl an seiner Seite. Schließlich pumpt Deutschland besonders viele Subventionen in Chiptechnik, siehe Intel Magdeburg, Infineon Dresden, TSMC/ESMC, Wolfspeed Ensdorf und andere.

Die deutsche Regierung wirbt für diese Subventionen auch mit dem Argument, die Chipbranche erscheine zukunftsfähiger als etwa Braunkohlegruben, Stahlwerke und Verbrennungsmotoren. Zudem braucht die Chipfertigung eher Strom als Gas.

Doch viele sehen die Chip-Subventionen kritisch. Die meisten Gegner argumentieren mit den hohen Kosten für die Steuerzahler und den Risiken, dass Subventionen auf Dauer verpuffen. Beispielsweise plädierte der ehemalige "Wirtschaftsweise" Prof. Dr. Lars P. Feld vor einigen Monaten in der Talkshow von Markus Lanz dafür, Chips im Wesentlichen beim jeweils billigsten Anbieter zu kaufen.

Viele halten die Versorgung der wichtigen hiesigen Industriesparten wie Auto- und Maschinenbau sowie Medizintechnik für ausreichend, weil die erwähnten EU-Chip-Firmen STMicro, Infineon, NXP, Bosch und X-Fab genau dafür wichtige Bauelemente produzieren.

Klar ist zudem: Auch mit sehr viel mehr Geld kann sich die EU keine "Chip-Souveränität" erkaufen, zumindest nicht innerhalb weniger Jahre beziehungsweise Regierungszeiträume.

Dazu sind die Verflechtungen in der Chip-Industrie zu komplex und global verteilt. Eine einzige Fab kann bis zu 15.000 verschiedene Zulieferer haben, die ihrerseits hochspezielle Vorprodukte fertigen.

Daher argumentiert Thierry Breton auch dafür, die EU durch einen höheren Anteil am Chip-Weltmarkt erst einmal in eine bessere Verhandlungsposition zu bringen. Damit sinkt das Drohpotenzial von Konkurrenten.

Letztlich ist es eine politische Richtungsentscheidung, wie hoch der lokale Anteil an der weltweiten Chipfertigung in der EU sein soll. Die Marktwirtschaft wird das nicht regeln, ganz im Gegenteil beschleunigte der Preisdruck die Abwanderung in Länder wie Korea und Taiwan.

Investitionen in Chiptechnik sind riskant, weil sich die Technik rasant fortentwickelt. Schon nach wenigen Jahren können jeweils andere Verfahren profitabler sein. Davor warnt etwa TSMC-Gründer Morris Chang: Mit hohen Subventionen geförderte Chip-Werke in den USA und der EU könnten relativ rasch unrentabel werden, wenn sie es nicht schaffen, auf Dauer zu konkurrenzfähigen Preisen zu produzieren.

Auch der bekannte "Schweinezyklus" durch den Wechsel von Unter- und Überkapazitäten fordert von den Investoren Weitsicht und Nerven. Der (Wieder-)Aufbau einer konkurrenzfähigen Chip-Industrie ist ein Mammutprojekt, das langen Atem braucht.

Es stellt sich letztlich also die simple Frage, was der EU eine größere Unabhängigkeit von Taiwan bei der Chipfertigung wert ist. Ein Blick auf andere Branchen ernüchtert: Ähnliche Probleme gibt es auch bei anderen wichtigen Gütern wie Arzneimitteln, Munition oder Solarmodulen. Bei vielen dieser Produkte wäre die lokale Herstellung weitaus einfacher zu bewerkstelligen als bei Halbleitern mit feinsten Strukturen. Trotzdem bewegt sich wenig.

(ciw)