Filmklassiker: 100 Jahre "Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens"

Vor 100 Jahren hat der Spielfilm "Nosferatu" Premiere – heute ein Klassiker der Stummfilmzeit. Ein Gerichtsbeschluss wollte alle Kopien vernichten lassen.

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(Bild: Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung / Transit Film)

Lesezeit: 14 Min.
Von
  • René Meyer
Inhaltsverzeichnis

Am 4. März 1922 wird "Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens" uraufgeführt; während eines glänzenden Mottofests im Zoologischen Garten Berlin, im prächtigen Marmorsaal (der während des Zweiten Weltkriegs zerstört wird). Alle Gäste sind angehalten, in Biedermeier-Kostümen zu erscheinen. Davor gibt es einen szenischen Prolog. Der eigentliche Film wird durch ein Orchester begleitet: Der Tonfilm setzt sich erst Jahre später durch (vorwiegend in Deutschland, wo man sich besonders ziert); und so werden Filme in der Regel durch Musik begleitet. Durch ein Klavier, durch eine Kinoorgel oder bei größeren Veranstaltungen wie hier durch ein Orchester. Für viele Filme wird gar keine Musik geschrieben; der Interpret improvisiert oder orientiert sich am "Cue Sheet" des Produzenten; an einer Liste der Szenen des Films mit einem Vorschlag, was für eine Musik oder welches Musikstück konkret passen würde. Bei "Nosferatu" aber gibt es nicht nur eine eigens dafür geschriebene Musik; sie wird bei der Premiere vom Komponisten Hans Erdmann sogar dirigiert. Nach dem Film wird ein Kostümball gegeben. Die Goldenen Zwanziger eben.

"Nosferatu" ist der erste Film, der sich um Dracula dreht, jene Sagengestalt, der man ein reales Vorbild nachsagt: den rumänischen Fürsten Vlad III. aus dem 15. Jahrhundert. Er trägt den Beinamen Drăculea, was je nach Interpretation für Sohn des Drachen oder Sohn des Teufels steht, und ist berüchtigt für seine Vorliebe für Pfählungen als Folter und bei Hinrichtungen. Die Schauergeschichten über ihn werden niedergeschrieben und verbreiten sich dank des gleichzeitig aufkommenden Buchdrucks weit. In neuerer Zeit populär wird die Gestalt durch den 1897 erschienenen Roman "Dracula" von Bram Stoker, wenngleich umstritten ist, inwieweit die historische Figur tatsächlich als Vorlage für den Vampir dient. Doch erst die Verfilmungen des Stoffes machen aus Dracula einen auch visuell greifbaren Star. Und davon ist "Nosferatu" die Erste. Der erste große Gruselfilm aus Deutschland.

Die Idee zum Film stammt von Albin Grau. Er ist eigentlich Werbegrafiker und entwirft Plakate für Filme, bis er 1921 eine eigene Produktionsfirma gründet. Die, soviel sei bereits verraten, nur diesen einen Film dreht. Natürlich gestaltet Grau für "Nosferatu" Plakate und Grafiken, aber auch Dekorationen und Kostüme.

Für die Regie gewinnt er Friedrich Wilhelm Murnau, für dessen "Der Gang in die Nacht" er bereits für die Werbung verantwortlich ist. Murnau hat schon eine Reihe von Filmen gedreht, von denen die meisten heute verschollen sind; sein Durchbruch kommt mit "Nosferatu". Großes Lob erhält er auch für "Der letzte Mann" zwei Jahre später, insbesondere für die neue Technik der "entfesselten" Kamera, die nicht mehr an einer Stelle steht, sondern etwa auf ein sich bewegendes Fahrrad oder eine Feuerwehrleiter montiert wird. Der Film ist sein Ticket nach Hollywood, wo er das Liebesdrama "Sonnenaufgang" dreht. Es wird auf der ersten Oscar-Verleihung überhaupt (1929) mit drei Preisen ausgezeichnet. Zwei Jahre später stirbt Murnau an einem Verkehrsunfall.

Die titelgebende Hauptrolle übernimmt Max Schreck. Er kommt, wie viele Schauspieler seiner Zeit, ursprünglich vom Theater. Seine hagere dünne Gestalt, sein bleiches Gesicht, seine Hakennase und seine langen Finger sind wie prädestiniert für die Rolle des undurchsichtigen Grafen, zumal er auch abseits der Bühne als kauziger Einzelgänger gilt.

Meisterhaft in Szene gesetzt wird die an sich schon gruslige Gestalt durch die Kamera und das Zusammenspiel von Licht und Dunkelheit. In der bekanntesten Szene des Films schleicht sie sich die Treppe hinauf, nur als Schatten zu sehen, mit überlangen Fingern, die sich am Ende an einen Hals legen, zu einem Herz greifen.