Passagierkapsel für den Fernverkehr: Schnelle und nachhaltige Züge mit Hyperloop
Seite 3: Schnell, sicher, leise
600 bis 1200 Kilometer pro Stunde
Über die technisch sinnvolle Höchstgeschwindigkeit eines Hyperloop-Systems herrscht noch keine Einigkeit. Klar ist, dass im Bereich der Schallgeschwindigkeit bei etwa 1200 Kilometer pro Stunde in einer geschlossenen Röhre problematische aerodynamische Effekte eintreten. Während man aber an der TU München mit einer Spitzenreisegeschwindigkeit von 900 Kilometer pro Stunde rechnet, was wesentlich größere Kurvenradien als bei heutigen Hochgeschwindigkeitsbahntrassen verlangt, konzipieren die Hardt-Entwickler ihr System mit Blick auf die Flächenverhältnisse in Europa für Geschwindigkeiten zwischen 600 und 800 Kilometer pro Stunde.
Bei den Beschleunigungen würde man sich an den Höchstwerten von Verkehrsflugzeugen orientieren, sagt Semino. Wie in der Start- oder Landephase wären das also maximal 0,3 g. Wo Reisen ohne Anschnallpflicht möglich sein soll, müsste man sich wie im heutigen Bahnverkehr auf 0,1 g, also ein Zehntel der Erdbeschleunigung beschränken.
Geräuscharm und energiesparend
Das Hyperloop-System ist nicht nur schnell, sondern auch energieeffizient und Anwohner werden wenig dadurch gestört. Das berührungslose Antriebssystem erzeugt fast keinen Abrieb und eingekapselt in die Röhre dringt von Fahrgeräuschen kaum etwas nach außen – zumal die Kapseln im Unterdruck nur wenig Luft zu verdrängen haben und damit ohnehin wenig Lärm erzeugen.
Bei anderen Hochgeschwindigkeitszügen wie dem ICE oder dem Shinkansen in Japan sind über 80 Prozent der aufgewendeten Energie nötig, um den Luftwiderstand zu überwinden – "und diese Energie ist dann einfach weg, verbraucht", verdeutlicht Schüning. Ein Hyperloop-Pod hingegen häuft durch den drastisch verringerten Luftwiderstand in der Röhre nur sehr wenig Verlustenergie an. Beim Abbremsen aus hoher Geschwindigkeit kann die Technik sogar Strom zurückgewinnen. Schüning schätzt, dass der Hyperloop auf diese Weise lediglich 20 Prozent des Energieaufwands anderer Bahnsysteme erfordert. Dabei ist der Stromverbrauch der Vakuumpumpen bereits eingerechnet.
Eine Kapsel in Magnetschwebetechnik kann auch Steigungen besser überwinden als eine Bahn auf Schienen. Stahlräder auf Schienen haben nur eine geringe Reibung, weshalb Züge generell nicht sehr schnell beschleunigen und steile Anstiege fahren können, ohne dass die Räder durchdrehen. In Magnetschwebetechnik seien hingegen schon senkrechte Aufzugsysteme entwickelt worden, sagt Semino.
Sicherheit im Vakuum
Anders als Züge bei der Eisenbahn ist der Hyperloop-Pod in seiner Röhre vor vielen Störungen von außen geschützt. Sollte doch etwas die Ummantelung beschädigen, so verrät sich dieser Schaden durch ein Leck und den ansteigenden Luftdruck. Auf diese Weise ist das System vor Überraschungen auf der Strecke ziemlich sicher. Für ein Leck an der Transportkapsel werde man in Zukunft wohl wie im Flugzeug Sauerstoffmasken an Bord haben, schildert Semino.
Das Hyperloop-Konzept sieht nicht vor, dass ein Fahrer an Bord ist, um die Kapsel zu steuern. Dadurch, dass Antrieb und Regelungstechnik ohnehin außerhalb liegen, ergibt sich eine zentrale Steuerung. An dieser Stelle müssen Betreiber auch die Sicherheitssysteme installieren, die die Abstände zwischen den einzelnen Pods auf der Strecke überwachen. Sämtliche Fahrdaten müssen ohnehin zentral vorliegen. Wenn die Position eines Pods nicht genau bekannt ist, kann dieser vom Antrieb gar nicht angefahren und beschleunigt werden.
Nicht teurer als der ICE
Nach derzeitigen Hochrechnungen liegen die Kosten für eine Hyperloop-Strecke pro Kilometer etwa bei den Kosten für eine neue ICE-Strecke. Für den laufenden Betrieb rechnen die Forscher mit geringeren Kosten, weil die Instandhaltung des nach außen abgeschotteten, vor Witterung geschützten Systems leichter ist und der Fahrbetrieb durch die zentrale Steuerung voraussichtlich weniger Personal erfordert. Angesichts dieser Daten rechnet auch Semino damit, dass der Hyperloop in Europa das Ende der Kurzstreckenflüge bewirken kann.
Bereits 2020 hat das Unternehmen Virgin Hyperloop in einer Testfahrt eine Kapsel mit zwei Mitarbeitern bei Las Vegas durch eine 500-Meter-Röhre gejagt. Auf der kurzen Strecke gelang immerhin eine Spitzengeschwindigkeit von 172 Kilometer pro Stunde. Das Unternehmen hat später jedoch etwa die Hälfte seiner Mitarbeiter entlassen und versucht heute, einfachere Hyperloop-Frachtsysteme zu vertreiben.
Hyperloop für Warentransporte
Neu und Schüning entwickeln gemeinsam im EU-Projekt ePIcenter mit 36 Partnern eine Hyperloop-Zulieferstrecke von einem Logistikpark zum VW-Werk in Wolfsburg. Derzeit fahren täglich bis zu 135 Megatrailer quer durch die Stadt; diese Mengen könnte das neue System voraussichtlich umweltschonender und weniger störend für die Anwohner transportieren. Gemeinsam mit der amerikanischen Hyperloop TT hat die Hamburger Hafen und Logistik Aktiengesellschaft (HHLA) ein Hyperloop-Konzept für Container entwickelt und sucht weltweit mögliche Betreiber.
Sobald eines dieser Systeme einmal eingeführt ist, könnte sich die Hyperloop-Technik wie ein Dominoeffekt verbreiten, vermutet Neu. Zumal sie zur Nachhaltigkeitsdiskussion passt. "Wir sollten nicht nur darüber nachdenken, grüne Energie zu erzeugen, sondern insgesamt möglichst wenig Energie zu verbrauchen", sagt er. Dazu müsse der Energieverbrauch durch Luftwiderstand unbedingt verringert werden – und das gelinge nur im Hyperloop. Es komme nun darauf an, dass man sich in Europa auf die technischen Rahmenbedingungen für ein gemeinsames System einige. Die EU-Kommission kündigt in ihrem Arbeitsprogramm 2023 bereits an, dafür einen Ordnungsrahmen zu schaffen.
(agr)