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TV-Kameras erklärt: Warum die Profis noch immer damit arbeiten

Daniel Augustin

Große TV-Kameras gehören zum Fernsehalltag. Wieso solche Kameras statt kompakteren im TV eingesetzt werden, erklärt Kameramann Matthias Heinz im Videobeitrag.

Fernsehkameras sehen seit Jahrzehnten gleich aus: Groß, schwer, viele Knöpfe und Schalter. Als Besitzer einer kleinen Hybridkamera fragt man sich da schon mal, wieso TV-Kameras solche Dimensionen haben müssen.

Form und Funktionen der klassischen TV-Kamera sind aber durchaus sinnvoll. Wir haben mit dem Mediengestalter und Kameramann Matthias Heinz von a.tv, einem regionalen Fernsehsender für die Stadt Augsburg, gesprochen und uns die Vorteile der TV-Kameras im Fernsehbetrieb erklären lassen.

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Solche EB-Kameras – "EB" steht für "Elektronische Berichterstattung" – bieten nämlich alles, was Kameraleute für einen Nachrichtendreh benötigen.

Wenn ihr an Fernsehkameras denkt, stellt ihr euch vermutlich sowas vor.

Bei Pressekonferenzen, Sportevents oder ähnlichen Ereignissen sieht man Kameraleute oft mit so einer Schulterkamera. Vielleicht habt ihr euch auch schon mal gefragt, wieso sich der Kameramann das eigentlich antut. Es gibt doch auch kleinere, kompakte Kameras. Mit so einer DSLM zum Beispiel kann man doch auch

gut filmen. Trotzdem setzen Fernsehsender immer noch auf solche großen, schweren Geräte.

Was macht also solche TV-Kameras aus? Wo liegt der Unterschied zwischen einer DSLR oder DSLM, die ihr vielleicht Zuhause liegen habt und einer Kamera, die fürs Drehen von Nachrichten oder bei einer Reportage genutzt wird? Genau diesen Fragen sind wir nachgegangen und haben einen Fernsehsender besucht.

Ein seit Jahrzehnten eingesetzter Kameratyp im Fernsehbereich sind sogenannte EB-Kameras. "EB" – das steht für "Elektronische Berichterstattung". Solche Kameras seht ihr vor allem bei Drehs für tagesaktuelle Magazine, Reportagen und Nachrichten.

Wir sind zu Gast bei a.tv in Augsburg und sprechen mit Mediengestalter und Kameramann Matthias Heinz.

Matthias Heinz:

"Hi ich bin Matthias, ich bin Mediengestalter Bild und Ton. Ich habe den Beruf gelernt seit 2018 – bei "Augsburg TV" – und arbeite auch seitdem fast täglich mit EB-Kameras."

Der grundsätzliche Aufbau von digitalen Kameras ist in der Regel ähnlich:

  1. Ein Objektiv, das das Licht und die Bilder vor der Kamera bündelt und ins Innere der Kamera leitet.
  2. Ein Bildsensor und Prozessor, die das Licht aufnehmen und in elektronische Signale umwandeln.
  3. Ein Speichermedium, das die digitalisierten Signale abspeichert.

Abgesehen davon sind die Unterschiede zwischen EB-Kameras und Hybridkameras doch recht groß.

Matthias Heinz:

"Bei so einer großen EB-Kamera habe ich einfach mehrere Bauteile, die vorteilhaft sind für den handlichen Betrieb. Zum Beispiel habe ich hier eine Auflage für die Schulter. Der Schwerpunkt ist auch wunderbar darauf ausbalanciert, dass man damit den ganzen Tag von der Schulter drehen kann und der Schwerpunkt gut verlagert ist. Ich habe hier den Sucher auf der richtigen Höhe und Position, dass ich da wunderbar durchschauen kann und kann das Ganze quasi fast schon einhändig bedienen, wenn es auf der Schulter liegt.

Was bei einer EB-Kamera auch wunderbar ist – anhand der vielen Bedienfelder und Knöpfe und Hebel – ist, dass ich schnell arbeiten kann, während des Drehs. Schnell eine Änderung abrufen oder einstellen: Das ist einfach essenziell bei solchen Produktionen, wo die Kamera zum Einsatz kommt. Da geht es um Schnelligkeit, da geht es um Effizienz, ohne dass ich mich noch durch irgendwelche Menüs klicken muss.

Beim Formfaktor habe ich noch weitere Vorteile, wie zum Beispiel, dass ich durch verschiedene Anschlüsse wie Stativgewindeschrauben, an vielen Positionen noch Zubehör anbringen kann. Wie hier ein Kopflicht. Ich hätte aber auch noch weitere Möglichkeiten, zum Beispiel weiter hinten. Da könnte man noch einen größeren Monitor anbringen. Die Möglichkeiten sind da wirklich fast unendlich.

Im Gegensatz hierzu bietet die Consumer-Kamera von Grund auf eigentlich nur den sogenannten "Hot Shoe"-Anschluss. Außerdem bauartbedingt – die Kamera ist einfach kleiner – wenn ich da ein Licht oben darauf positioniere, ist das Licht fast schon größer als die Kamera. Das wirkt sich dann auch auf den Schwerpunkt aus. Alles nicht so ganz ideal."

Während beide Kameratypen möglichst schöne Bilder erzeugen sollen, ist bei der EB-Kamera ein anderer Faktor wesentlich entscheidender: die Effizienz.

Der Fernsehbetrieb ist zeitlich eng gestrickt. Die Aufnahme von Bildmaterial muss also schnell gehen. Es gibt selten Zeit lange aufzubauen, Objektiv zu wechseln, einen externen Audiorecorder zu holen, etc. Bestenfalls schaltet man die Kamera ein und legt direkt los.

Matthias Heinz:

"Was wir hier an der Kamera verbaut haben, ist ein Servo-Objektiv, das mit einem Motor für den Zoom angesteuert werden kann. Die meisten EB-Kameras sind mit einem Zoom-Objektiv ausgestattet, womit ich eine extrem große Range abbilden kann. Von sehr weitwinklig bis sehr telig, kann ich damit jeden Bereich wunderbar abdecken und das ermöglicht mir einfach auch noch mal sehr schnell und flexibel arbeiten zu können, ohne dass ich meine Objektive die ganze Zeit wechseln muss.

Ein großer Vorteil bei der EB-Kamera sind die vielen Knöpfe und Kippschalter, mit denen ich einfach während des Betriebs direkt auf viele Funktionen der Kamera zugreifen kann. Da muss ich mich nicht erst durch irgendwelche Untermenüs mit einem Touchscreen durchkämpfen, sondern kann direkt während des Betriebs hier Schalter umlegen, wo ich zum Beispiel meinen Gain, also die Lichtempfindlichkeit der Kamera einstellen kann. Darüber habe ich noch Drehräder für meine Audio-Levels oder meine Abhöre für den Kopfhörer oder den Lautsprecher. Hier gibt es Knöpfe, die ich mir noch manuell belegen kann. Ganz vorne im Objektiv kann ich einstellen, ob ich einen Autofokus oder einen manuellen Fokus haben möchte.

Hier oben sitzt der eingebaute ND-Filter. Das kann man sich so vorstellen wie eine Sonnenbrille für die Kamera. Bei vielen Fotokameras muss man das Ganze vorn an die Linse anschrauben. Hier ist das Ganze schön in vier Stufen verbaut. Dann schiebt da ein Glas hinter das Objektiv, was das ganze Bild abdunkelt und mir somit ermöglicht, auch in hellen Umgebungen, wie draußen an der Sonne, schöne Bilder zu generieren.

Die Kamera wird betrieben über einen sogenannten V-Mount-Akku. Der wird hier hinten eingesetzt und ist sehr robust. Der Anschluss klickt hier ein und sitzt wirklich fest drin. Außerdem haben diese Akkus eine sehr hohe Kapazität, wodurch ich die Kamera fast den ganzen Tag bedienen und benutzen kann, ohne dass ich einmal den Akku wechseln muss.

Die Audiofunktionen bei Kamera sind einfach von Grund auf solide gestaltet. Ich habe hinten zwei XLR-Eingänge und vorn noch ein Mikrofon, was ich zum Beispiel als Atmo-Mikrofon verwenden kann, sprich Umgebungsgeräusche damit aufzeichnen kann. Man sagt immer "Kein Bild ohne Ton." Und mit dieser Modifikation habe ich immer Ton, auf den ich zurückgreifen kann. Außerdem haben wir hier hinten ein sehr durchdachtes Audiomenü, in dem ich einfach jeden Eingang auf einen meiner vier Channel legen kann und separat voneinander pegeln kann. Ich habe zum Beispiel meinen Interviewpartner auf dem Kanal 1 und den Moderator auf Kanal 2 und kann diese separat voneinander pegeln, aufzeichnen und dann auch wiedergeben. Bei so einer handelsüblichen Consumer-DSLR-Kamera besitze ich in den meisten Fällen nur zwei Kanäle und kann dann auch entweder nur zum Beispiel die eingebauten Atmo-Mikrofone verwenden, die von der Qualität wirklich nicht unbedingt zu empfehlen sind.

Oder ich schließe ein extra Mikrofon an – das Ganze auch nur über eine 3,5-mm-Klinke – die auch eher zu Störgeräuschen anfällig ist als zum Beispiel ein professioneller Eingang wie der XLR-Eingang."

Zum Thema Ton ist noch wichtig zu erwähnen, dass hierfür oft ein zusätzlicher Techniker beim Dreh dabei ist. Er mischt den Ton mit einem Soundmixer ab, den er mit einer Tonangel oder Ansteckmikrofonen aufnimmt. Praktischerweise kann der Ton vom Mischer direkt in die EB-Kamera geführt werden, damit die Kamera Bild und Ton synchron miteinander aufnimmt und alles auf einer Speicherkarte landet.

Bei der Videoproduktion ist Bildqualität natürlich auch wichtig. Wie groß ist da der Unterschied zwischen DSLM und TV-Kamera? Für diese Frage ist es zunächst wichtig, zu überlegen, was wir unter "guter Bildqualität" verstehen.

Geht es um hohe Auflösung, haben moderne DSLMs oft die Nase vorn. UHD, 4K oder sogar 6K sind für hybride Kameras nichts Ungewöhnliches mehr. EB-Kameras, die im Fernsehen zum Einsatz kommen, drehen häufig nur in Full HD (also 1920 x 1080 Pixeln). Das hat allerdings einen Grund.

Matthias Heinz:

"Für uns ist der entscheidende Vorteil bei Full-HD, dass unsere Server nicht volllaufen. 4K bedeutet vierfache Auflösung, bedeutet aber auch vierfache Datenmenge, was einfach bei einem Umsatz, wie es ihn bei einem Fernsehsender gibt, fast nicht mehr kalkulierbar wäre. Zu Hause am Fernseher kommt eh auch nur ein Full-HD-Bild an über die verbreiteten Wege wie Kabel oder Satellitenfernsehen, sodass da auch kein Unterschied bemerkenswert wäre, wenn wir hier in 4K aufzeichnen würden. Gesendet wird deutschlandweit nur in Full-HD."

Ein weiterer Unterschied liegt in der Sensorgröße. Ein Großteil der EB-Kameras hat einen kleineren Sensor, wenn man sie mit Hybridkameras vergleicht. Eine moderne DSLM hat oft einen APS-C Sensor oder einen Vollformatsensor. Die sind ein gutes Stück größer als bei EB-Kameras. Die haben üblicherweise einen 2/3"-Sensor.

Ein größerer Sensor bedeutet meist weniger Rauschen im Bild, gerade bei dunklen Aufnahmen. Auch bietet ein großer Sensor aufgrund optischer Gegebenheiten mehr kreative Möglichkeiten. Ein Spiel mit Schärfe und Unschärfe im Bild fällt damit etwas leichter. Viele Videoschaffende nutzen zum Beispiel einen unscharfen Hintergrund gerne als ästhetisches Stilmittel, um den Vordergrund noch besser vom Hintergrund abzusetzen.

Ein Bereich, in dem EB-Kameras auch heute noch überzeugen, ist die Farbtreue. Farben werden sehr realitätsnah dargestellt und sehen sauber aus.

Matthias Heinz:

"Die EB-Kamera nimmt in einem sehr kontrastreichen, gesättigten Farbprofil auf. Sie liefert direkt aus der Kamera ein sendefähiges, Broadcast-taugliches Bild, was sich auch theoretisch direkt über einen Übertragungswagen auf den Weg geben könnte, ohne dass ich groß noch etwas nachbearbeiten muss."

Preislich liegen EB-Kamera und Consumer-Kamera weit auseinander. Für eine DSLR oder DSLM mit Objektiv zahlt ihr im günstigsten Fall ein paar hundert Euro. Möchtet ihr ein aktuelles Vollformatmodell, liegt der Preis schnell bei 2000 bis 4000 Euro.

Für eine EB-Kamera muss man zwischen 20.000 und 30.000 Euro einplanen. Für Privatnutzer wäre so eine Kamera also nicht unbedingt interessant. Bei Fernsehsendern ist das etwas anderes. Die Kamera wird hier täglich für zahlreiche Stunden über viele Jahre eingesetzt. Dabei muss die Kamera robust sein und lange zuverlässig arbeiten. Auf Dauer rechnet sich diese Investition für Fernsehsender durchaus.

Matthias Heinz:

"Beide Kameras haben auf jeden Fall ihre Daseinsberechtigung. Die DSM findet auch im Fernsehalltag immer mehr Einzug. Gerade für szenische Produktionen, wo ich mir mehr Zeit lassen kann, um ein Bild einzustellen. Wenn es wirklich schnell gehen muss, dann hat einfach die EB-Kamera deutliche Vorteile. Ich kann damit sehr schnell arbeiten, ich kann damit zuverlässig arbeiten und deswegen ist diese Kamera längst nicht aus der Zeit gefallen bei uns."

Die großen Schulterkameras haben beim TV also noch nicht ausgedient. Für Nachrichten, Magazine oder andere tagesaktuelle TV-Formate bleibt die EB-Kamera weiterhin ein effizientes Werkzeug. Schneller Aufbau, viele Möglichkeiten und ein sauberes Ergebnis, das keine große Nachbearbeitung benötigt.

Für den Urlaub, den eigenen YouTube-Kanal oder ähnliche Projekte ist die Hybridkamera für viele die perfekte Wahl. Hier bei heise.de nutzen wir selbst auch oft solche Kameras. Wie Matthias erklärt hat, kommen auch im Fernsehen Hybridkameras hin und wieder zum Einsatz. Man muss sich beim Filmen eben immer überlegen, was für die eigenen Bedürfnisse am meisten Sinn ergibt.

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