US-Behörde will Wettbewerbsverbote für Arbeitnehmer verbieten

Jeder 5. US-Arbeitnehmer darf weder zum Mitbewerb wechseln, noch eine artverwandte Firma gründen. Das drückt Gehälter, erhöht Preise und behindert Innovation.

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Zwei Frauen haben in einem Konferenzraum eine Besprechung, einen hat einen offenen Laptop; im Vorderung steht eine Schale Erdäpfelchips

(Bild: CIRA/.CA domains)

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30 Millionen US-Amerikaner sind mehr oder weniger an ihren Arbeitsplatz gefesselt. Sie dürfen sich in der Branche weder selbstständig machen, noch zu einem Mitbewerber wechseln. Das betrifft nicht nur spezialisierte IT-Kräfte mit Insiderwissen, sondern sogar Fast-Food-Arbeiter. Bekannt wurde der Fall eines Sicherheitsdienstes, der bloß Mindestlohn zahlte, aber 100.000 Dollar Vertragsstrafe verlangte, sollte ein Mitarbeiter binnen zweier Jahre einen anderen Sicherheitsdienst unterstützen. Bisweilen soll das Verbot sogar für Arbeitsplätze oder Firmengründungen im Ausland greifen. Die Wettbewerbsbehörde FTC möchte dieses Treiben nächstes Jahr beenden.

Konkret möchte die US-Behörde Arbeitgebern verbieten, Wettbewerbsverbote für Angestellte, Werkvertragsnehmer (Contractors) und unbezahlte Freiwillige neu abzuschließen; zudem sollen Unternehmen Betroffene aktiv darüber informieren, dass bereits vereinbarte Verbote ungültig sind. Den Entwurf des entsprechenden Regelwerks stellt die FTC (Federal Trade Commission) nun bis 10. März zur öffentlichen Konsultation (Az. FTC-2023-0007-0001). Das Dokument schildert zudem einige besonders markante Beispiele aus der Praxis und enthält eine Übersicht über den Stand der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung zum Thema.

Statt genereller Wettbewerbsverbote sollen Arbeitgeber, soweit notwendig, auf Klauseln zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen (Non Disclosure Agreement, NDA) setzen. Erlaubt wäre auch ein Verbot, dem Ex-Arbeitgeber Kunden oder Mitarbeiter abzuwerben, sowie die Verpflichtung, tatsächliche Ausbildungskosten teilweise zu ersetzen, sollte der Mitarbeiter vor Ablauf einer bestimmten Frist kündigen. Allerdings müssten solche Regelungen im Rahmen bleiben und nicht indirekt wieder ein Wettbewerbsverbot erzeugen.

Außerdem dürften Wettbewerbsverbote wie üblich bei Übernahmen vereinbart werden, sofern der Verkäufer mindestens 25 Prozent des übernommenen Unternehmens besaß. Das soll verhindern, dass jemand seine Firma verkauft, nur um sofort ein gleichartiges Unternehmen neu aufzusetzen.

Lange Zeit galten solche Wettbewerbsverbote für Arbeitnehmer als vorteilhaft: Arbeitgeber könnten mehr Arbeitsplätze schaffen, wenn sie nicht fürchten müssten, die Mitarbeiter an Wettbewerber zu verlieren, und die betroffenen Arbeitnehmer könnten im Gegenzug für das Wettbewerbsverbot ein höheres Gehalt aushandeln. Tatsächlich aber zeigt die von der FTC gesichtete Forschung der letzten zwei Jahrzehnte, dass die Wettbewerbsverbote zu niedrigeren Gehältern führen – auch für Arbeitnehmer, die gar nicht direkt betroffen sind.

Weil es weniger Wettbewerb um Arbeitskräfte gibt, sind die Löhne und Gehälter laut Erhebungen circa drei bis vier Prozent niedriger. Das macht in den USA 250 bis 296 Milliarden Dollar im Jahr. Überproportional davon betroffen sind weibliche sowie nicht-weiße Arbeitnehmer. Gleichzeitig bleiben spezialisierte Stellen bisweilen unbesetzt, weil die Werktätigen suboptimal zugeordnet sind, aber nicht wechseln können.

Außerdem wurde lange angenommen, dass die Einschränkungen nur für Manager und hoch spezialisierte Mitarbeiter eingesetzt werden; tatsächlich sind mehr als die Hälfte der Betroffenen Stundenlöhner. Die Theorie der durch Wettbewerbsverbote zusätzlich geschaffenen Arbeitsplätze hat die Forschung auch nicht empirisch untermauern können.

Der geringere Wettbewerb am Arbeitsmarkt wirkt sich auch auf den Verbrauchermarkt aus. Weil Beschäftigte sich nicht so leicht selbstständig machen können, und neue Arbeitgeber nicht so leicht an erfahrene Mitarbeiter gelangen, kommt es zu größerer Konzentration von Marktmacht etablierter Anbieter, weniger Wettbewerb und damit höheren Verbraucherpreisen. Die Hürden vor der Firmengründung bremsen nicht zuletzt die Innovation.

Kalifornien hat Wettbewerbsverbote für Beschäftigte schon 1872 untersagt. Manche Wirtschaftswissenschaftler glauben, dass das dazu beigetragen hat, dass der Westküstenstaat zum Zentrum der Startup-Welt wurde. Dagegen spricht, dass Norddakota und Oklahoma vergleichbare Regeln schon ähnlich lange haben. Jedenfalls sind in den letzten Jahrzehnten mehrere US-Staaten nachgezogen; das ermöglichte der modernen wirtschaftswissenschaftlichen Forschung, neue Vergleichsuntersuchungen anzustellen.

Allerdings führt ein staatliches Verbot solcher Wettbewerbsklauseln keineswegs dazu, dass sie nicht in den Arbeitsverträgen stehen. Die Arbeitgeber probieren es einfach, weil es wirkt. 2014 hat eine Untersuchung gezeigt, dass 37 Prozent der Arbeitnehmer nicht wissen, ob solche Einschränkungen in ihrem Staat zulässig sind, und weitere elf Prozent falsch informiert sind.

Hinzu kommt, dass manche Arbeitgeber neuerdings über Aktien versuchen, ihre Mitarbeiter einzuschränken. Aktienoptionen oder Aktienzuteilungen sind speziell in der IT-Branche und bei Start-ups ein wichtiger Teil der Mitarbeiterentlohnung. Über die Wertpapiere lässt sich womöglich das Recht des jeweiligen Staates umgehen: Bezüglich Aktiengeschäften gilt nicht das Arbeitsrecht des Arbeitsortes, sondern das Recht jenes Staates, in dem die Aktiengesellschaft eingerichtet wurde, selbst wenn sie dort keine Mitarbeiter hat.

Somit könnten Mitarbeiter einen erheblichen Teil ihrer Entlohnung, nämlich die Wertpapiere, verlieren, wenn sie ein damit verbundenes Wettbewerbsverbot verletzen. Gegen diese Methoden wäre die bundesweite Wirkung der neuen FTC-Regeln besonders wirksam.

(ds)