Hintergrund: Was wir über Apples Vision Pro und visionOS wissen

Seite 3: visionOS: Apples räumliches Betriebssystem

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visionOS ist praktisch iOS in 3D: Mit dem neuen Betriebssystem für die Vision Pro baut Apple ganz auf vertraute Elemente, sodass sich iPhone-, iPad- und Mac-Nutzer unmittelbar zu Hause fühlen. Ein Druck auf die digitale Krone des Headsets öffnet jederzeit die Home-Ansicht mit den eigenen Apps. Darunter befinden sich die Apple-Programme Fotos, Notizen, Mail und Nachrichten, Einstellungen, der Browser Safari sowie ein für die Vision Pro aufgebauter neuer App Store. Auch Apples noch junge Whiteboard-App Freeform ist mit an Bord, ebenso wie die Streaming-Dienste des Herstellers (Music und TV-App). iCloud synchronisiert im Hintergrund die Daten, um alle Apps auf dem neuesten Stand zu halten, wie man es von Apples anderen Betriebssystemen gewohnt ist.

Viele Neuerungen stecken im Unterbau von visionOS – aber auch bekannte iOS-Frameworks.

(Bild: Apple)

Neben dem Core OS, das Apple für alle Betriebssysteme verwendet, integriert visionOS auch eine Echtzeitkomponente zur Einbindung der Kamera- und Sensordaten. Darüber hinaus sorgt die Rendering-Technik Foveated Rendering dafür, dass das System das, worauf die Augen gerade schauen, in höchstmöglicher Qualität darstellt. Bereiche, die nur im Augenwinkel erscheinen, können in niedrigerer Auflösung gerendert werden, um Rechenleistung zu sparen. Weitere Elemente von visionOS sind eine 3D-Engine für die gleichzeitige App-Darstellung im Raum sowie die für räumliches Computing angepassten Frameworks mitsamt einer Engine für 3D-Audio. Zum Unterbau von visionOS zählen zudem etliche iOS-Frameworks. Dadurch laufen viele iPhone- und iPad-Apps einfach so als 2D-Apps auf dem Headset, entsprechend groß dürfte das Software-Angebot gleich vom Start weg sein – Apple spricht von über 1 Million Apps. Natürlich steht Entwicklern offen, ihre Apps für das neue Betriebssystem anzupassen, damit diese etwa automatisch auf die Beleuchtung der physischen Umgebung reagieren – und mit einem als "Glas" bezeichneten, leicht durchsichtigen Hintergrund insgesamt optisch besser zum räumlichen visionOS passen.

(Bild: Apple)

Wie auf iPhone und iPad ist die Home-Ansicht anpassbar und unterstützt Ordner. Links neben den App-Icons blendet visionOS eine kleine vertikale Steuerleiste ein, die einen schnellen Wechsel zu den Kontakten (für FaceTime-Videokonferenzen) sowie den Environments erlaubt. Diese Umgebungen sind gewissermaßen die Wallpaper für visionOS, sie überlagern auf Wunsch das Live-Bild der hinter den Apps sichtbaren physischen Umgebung. Zu diesen Environments gehören Natursehenswürdigkeiten wie Mount Hood und Szenerien aus den Nationalparks Joshua Tree und Yosemite ebenso wie generische Strandbilder und die Mondoberfläche. Die Umgebungen besitzen bewegte Elemente wie Regen und scheinen eine Mischung aus statischen Aufnahmen sowie computergenerierten Elementen zu sein – mitsamt Sound. Der Träger bestimmt durch das Drehen an der digitalen Krone, wie immersiv diese Umgebungen erscheinen, also ob sie nur Teile oder aber das gesamte Blickfeld ausfüllen sollen. Letztlich sind die Umgebungen als Hintergrund für ein fokussiertes Arbeiten mit den 3D-Apps gedacht, schließlich lässt sich so die physische Umgebung – etwa das gerade nicht aufgeräumte Büro – einfach ausblenden.

Apps öffnen sich in großen Fenstern, die in der physischen Umgebung schweben, die das Kamerasystem der Vision Pro erfasst und auf die beiden Displays vor den Augen projiziert. Im Unterschied zu einem oder mehreren klassischen Monitoren gibt es hier keine Begrenzung für die Fenster. Sie lassen sich also frei in der eigenen Umgebung platzieren, und zwar rundherum sowie an verschiedenen Orten. Die Fenster sollen dabei exakt an der gewählten Position verharren, bis der Nutzer sie wieder neu platziert. Das erlaubt, sehr ausladende und spezifische virtuelle Arbeitsumgebungen einzurichten und sich etwa aus dem Arbeits-Setup im Homeoffice mit bestimmten offenen Fenstern physisch ins Wohnzimmer zu begeben, wo zum Beispiel bereits die Fotos-App und eine Streaming-App als offene Fenster an der zuvor dafür gewählten Stelle warten. Ob es ähnlich wie in iPadOS eine Obergrenze für die Zahl der gleichzeitig geöffneten Fenster gibt, bleibt vorerst offen. Ebenso ist noch nicht bekannt, wie lange und zuverlässig visionOS die gewählten Fensterpositionen speichert, ob diese etwa Neustarts und Abstürze überstehen und wie sich alle Fenster mit einem Schlag schließen lassen. Vom Mac vertraute Fensterverwaltungsfunktionen wie Mission Control – eine Schnellübersicht aller geöffneten Fenster – hat Apple bislang nicht für visionOS gezeigt.

Neue Bedienelemente: Der horizontale Balken erlaubt es, das Fenster heranzuholen oder weiter wegzuschieben.

(Bild: Apple)

Über ein kleines, automatisch erscheinendes Bedienelement ändern Nutzer bei Bedarf die Größe der Fenster, das funktioniert ähnlich wie in Stage Manager auf dem iPad. visionOS blendet zudem zwei feste Bedienelemente unter jedem Fenster ein: Ein weißer Punkt ist zum Schließen eines Fensters gedacht. An dem länglichen weißen Balken holt man es näher heran, schiebt es weiter weg oder richtet das Fenster im Raum frisch auf den eigenen Blickwinkel aus, wenn man etwa seine Kopfposition geändert hat. Apps bringen Bedienelemente wahlweise in sogenannten Ornaments unter, die an einer Fensterseite erscheinen und Zugriff auf verschiedene Ansichten und Funktionen geben. In der Fotos-App wechselt man so zum Beispiel von der Mediathekansicht zu den Alben. Das entspricht der Tab-Leiste, die in vielen iPhone-Apps zu finden ist.

3D-Objekte können im Raum platziert und dann von allen Seiten betrachtet werden.

(Bild: Apple)

Apps können auf der Vision Pro zweidimensional bleiben, haben aber die Option, 3D-Elemente in der Fensteransicht zu integrieren. Ferner ist es möglich, dreidimensionale Objekte – etwa Auto- oder Flugzeugmodelle – frei in den Raum zu bringen, die sich von allen Seiten betrachten lassen. App-Entwickler platzieren solche 3D-Objekte in sogenannten Volumes, die man sich als großen Würfel vorstellen kann. Neben dem Multitasking mit mehreren Apps respektive den Fenstern verschiedener Apps ist auch die Arbeit mit einzelnen Programmen im Vollbild vorgesehen: Dann liefert ein Programm alle im Raum erscheinenden Inhalte – etwa mehrere Fenster und 3D-Objekte – und sorgt wahlweise auch für eine Hintergrundumgebung, die die physische Welt komplett überdeckt und ausblendet. Das entspricht einer klassischen Virtual-Reality-Anwendung, Apple nennt das "fully immersive".

Wie das iPhone steuert man auch die Brille mit den Fingern – mit indirekten oder direkten Gesten.

(Bild: Apple)

Für VR-Apps und besonders VR-Spiele gibt es in visionOS besondere Hürden: Bewegt sich der Nutzer schnell oder geht auf ein Hindernis zu, blendet die Vision Pro automatisch wieder das Live-Bild der physischen Umgebung ein, um eine mögliche Kollision etwa mit einem Möbelstück zu vermeiden. Entsprechend ist das Headset im VR-Modus auf einen recht statischen Einsatz ausgelegt. Insgesamt kann sich der Headset-Träger in einem VR-Spiel nach Apples Dokumentation nur rund anderthalb Meter von seinem Startpunkt wegbewegen, bis Vision Pro automatisch die Außenwelt einblendet. Um das Headset in einem sich schnell bewegenden Objekt zu verwenden, wie Flugzeug, Zug oder Auto, gibt es einen speziellen Reisemodus, der bestimmte Funktionen abschaltet und ebenfalls voraussetzt, dass man in seinem Sitz verbleibt. Zudem liefert Apple keine VR-Controller mit, was zumindest viele bestehende VR-Spiele zwingend zur Steuerung benötigen.

iOS- und visionOS-Apps laufen direkt auf dem M2-Chip des Headsets. Eine Besonderheit gibt es im Zusammenspiel mit dem Mac: Dessen Bildschirminhalt kann die Brille groß in 4K in einem einzelnen Fenster im Raum darstellen, wie Apple vorführte. Das soll Trägern der Vision Pro letztlich auch die Arbeit mit mächtigen macOS-Anwendungen ermöglichen. Wie reibungslos und latenzfrei das in der Praxis funktioniert, bleibt abzuwarten.