Vorstellung: BMW 2er Coupé

Das wird er wohl sein: Der letzte BMW nach alter Schule. Reihen-Sechszylinder, Hinterradantrieb - ein richtiger BMW. Eine Neuvorstellung mit Wehmut?

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BMW 2er

(Bild: BMW)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Christian Lorenz
Inhaltsverzeichnis

Die Neuauflage des 2er Coupés könnte Ende und Höhepunkt der BMW-typischen Freude am Fahren markieren, bevor sich die Marke in Zukunft neu erfindet. Hinterradantriebsarchitektur, längs eingebauten Motoren, Reihensechszylinder-Topmodell und im Vergleich zum Vorgänger sogar (geringfügig) weniger Gewicht - klassische Markenwerte von BMW, wenn man so will.

Das 2er Coupé zelebriert schon seit 2014 die Quintessenz des gusseisernen Markenkerns unter demselben Namen, wie ihn ein charakterloser Klein-Van demütigt. Die Modellbezeichnung 220i treibt BMWs Meisterschaft in der zweifelhaften Tugend auf die Spitze, eine Sache und ihr konsequentes Gegenteil unter ein- und derselben Bezeichnung zu verkaufen. Bei der Neuauflage scheint tatsächlich in längst vergessener geglaubter No-Bullshit-Manier die reine Fahrphysik im Vordergrund gestanden zu haben. Dafür spricht schon das breitere Ausrollen des Fahrwerks.

Das intern G42 genannte 2er Coupé ist 105 mm länger und 64 mm breiter als sein Vorgänger F22, der noch vom, in dieser guten alten Zeit noch hinterradgetriebenen, 1er abgeleitet war. Spürbarer dürften aber 51 mm mehr Radstand und eine breitere Spur sein. So ist die Spurweite des G42 an der Vorderachse um 54 mm und an der Hinterachse um 31 mm gewachsen.

BMW 2er Coupé außen (13 Bilder)

Der Top-2er heißt jetzt M240i xDrive. Er hat jetzt Allradantrieb und wiegt, entgegen langer Leichtbaupassagen in der Pressemappe, 165 kg mehr als sein Vorgänger mit Hinterradantrieb. Dafür hat er auch 34 PS mehr.
(Bild: alle BMW )

Das neuerdings allradgetriebene Topmodell M240i xDrive steht mit einem Spurweitenplus von 63 mm an der Vorderachse und 35 mm an der Hinterachse im Vergleich zum Vorgänger sogar noch breiter auf der Straße. Dazu verspricht BMW eine Karosserie mit um 12 Prozent mehr Torsionssteifigkeit.

Eine Achslastverteilung von „nahezu 50:50“ und ein Fahrwerk mit Komponenten aus der aktuellen 4er-Reihe sprechen ebenso für optimiertes Fahrverhalten wie das um etwa 9,6 kg reduzierte Gewicht im Vorderwagen. Erreicht wird diese Erleichterung unter anderem durch Aluminium in den Druckgussfederstützen, dem Motorlängsträger sowie in Motorhaube und vorderen Seitenwänden.

Aus aktuellem 3er und 4er bekannte Fahrwerkstechnologie mit reduzierten ungefederten Massen und hubabhängigen Stoßdämpfern dürfte die Quadratur des Kreises hinbringen mit präziserem Fahrverhalten einen besseren Fahrkomfort zu realisieren. Zumal schon der Vorgänger hier nicht enttäuschte und sowohl bei Komfort als auch Präzision deutlich besser war als die BMWs mit Frontantriebsarchitektur (früher UKL: „untere Klasse“).

Da lässt es sich verschmerzen, dass adaptive Dämpfer nur als Option für das vorläufige Topmodell M240i xDrive erhältlich sind. Anders als die ebenfalls xDrive genannte Antriebsoption der Modelle auf UKL-Basis besitzt der vorerst stärkste 2er einen permanenten Allradantrieb mit heckbetonter Kraftverteilung 40:60. Bei den Fronttrieblern kommt erst der Schlupf und dann erst wird die Hinterachse per Drehmomentkupplung „angehängt“.

Für den M240i xDrive ist darüber hinaus ein elektronisch gesteuertes Sperrdifferenzial mit bis zu 100 Prozent Sperrwirkung an der Hinterachse erhältlich, das ihn querdynamisch nochmals in eine höhere Liga bringen dürfte. Die Längsdynamik zelebriert ein letztes Mal das ikonische bayerische Motorenwerk: den Reihensechszylinder.

Anders als bei 3er und 4er werden die Benziner im 2er-Coupé nicht einmal mild hybridisiert. Ein 48-Volt-Bordnetz bleibt dem einzigen Dieselmodell 220d vorbehalten. Die pure Verbrennung liefert im Topmodell 275 kW (375 PS) aus dem turbogeladenen Dreiliter-R6. Als Alternative gibt es zunächst nur den 220i mit 135 kW.

Ich würde auf den 230i mit 180 kW starkem Vierzylinder, Hinterradantrieb und optionalem M Sportdifferenzial an der Hinterachse warten. Während die drei anderen Modelle ab dem nächsten Frühjahr ausgeliefert werden, ist der 230i als Nachzügler im Sommer 2022 geplant. Der stärkste Vierzylinder dürfte am meisten Fahrspaß fürs Geld liefern.

Bei Cockpit und Assistenzsystemen bietet der neue 2er jetzt den Standard aller Verbrennermodelle, beim Infotainmentsystem schaltet BMW nicht in die nächste Generation: Es bleibt beim OS7. Der Verzicht auf die neueste Ausbaustufe OS8, die es ab November zunächst nur in den Elektroautos iX und i4 gibt, dürfte im Alltag leichter fallen als gedacht. Schließlich ist es mit den frei belegbaren Direktwahltasten und physischem Bedienpaneel für die serienmäßige Drei-Zonen-Klimaautomatik ergonomischer.

BMW 2er Coupé innen (7 Bilder)

Mit Bediensystem OS7 und der bekannten Bildschirmkombination zeigt sich das Cockpit des neuen 2er Coupés eher unspektakulär.
(Bild: alle BMW)

Erstmals ist das 2er Coupé mit einem Head-up-Display erhältlich, es wurde wie der Rest der Anzeigen aus dem aktuellen BMW-Baukasten übernommen. Die Konnektivität ist mit Updatemöglichkeiten „over the air“ und des Öffnens und Startens per iPhone (Option) auf dem Stand, den es heutzutage braucht.

Die drei Debütversionen des 2er Coupés werden ab Frühjahr nächsten Jahres zu den Kunden geliefert. Die Premiere findet standesgemäß auf dem "Goodwood Festival of Speed" statt, das am 8. Juli 2021 seine Pforten öffnet. Die Preise liegen bei 39.700 Euro für den 220i und 42.800 Euro für den 220d. Das Sechszylinder-Topmodell M240i xDrive kostet 56.000 Euro. Das erscheint im Vergleich zum Kompakten M135i xDrive geradezu preiswert, und zwar im besten Sinne des Wortes. Der kräftigste 1er wirkt mit Vierzylinderstangenware an Frontantriebsarchitektur weniger „rund“ und emotional als ein VW Golf GTI – und dafür verlangt BMW unverhandelt unglaubliche 51.450 Euro. Noch nie gab es für weniger als 5000 Euro Aufpreis den ganzen Markenkern von BMW.