Abtreibungsgegner in den USA: Daten sammeln vor Kliniken für die Strafverfolgung

Körperkameras und Nummernschildverfolgung werden bereits eingesetzt, um Menschen nachzuspüren, die zu Abtreibungskliniken kommen.

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"Clinic Escort": Die sogenannten Klinkverteidigerinnen positionieren sich vor Abtreibungskliniken und lotsen Personen, die die Klinik besuchen wollen, an den Demonstrierenden vorbei.

(Bild: Charlotte for Choice)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Abby Ohlheiser
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In Kürze wird die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA über die Anfechtung des Urteils "Roe v. Wade" erwartet. Darin könnte der Supreme Court, sofern ein durchgesickerter Entwurf der Stellungnahme so bestehen bleibt, den bundesstaatlich geschützten Zugang zu Abtreibungen in den gesamten USA beenden.

Wenn dies geschieht, wird es weitreichende Folgen für Millionen von Menschen haben. Eine davon ist ein deutlich erhöhtes Risiko, dass Abtreibungsgegner mithilfe von Überwachung und Datenerfassung Menschen, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen, verfolgen und zu identifizieren versuchen. Die Informationen könnten sie anschließend zuständigen Behörden übermitteln, was zu Strafverfahren führen könnte.

Abtreibungsgegner setzen schon seit Jahrzehnten Methoden wie die Nummernschildverfolgung ein. Sie ist vor vielen Kliniken in den USA nach wie vor tägliche Realität. Um etwa auf den Parkplatz des Preferred Women's Health Center in Charlotte, im Bundesstaat North Carolina zu gelangen, müssen die die Einrichtung aufsuchenden Personen oft Spießrutenlauf-artig an Demonstrierenden mit Kameras und Klemmbrettern vorbei. Diese filmen ihre Ankunft und zeichnen Details über sie selbst und ihre Autos auf.

Heather Mobley, ein Vorstandsmitglied von Charlotte for Choice, arbeitet dort ehrenamtlich als sogenannte Klinikverteidigerin. Die Klinikverteidiger stellen sich zwischen die Besucher der Kliniken und die Demonstrierenden und setzen sich bei Bedarf auch verbal mit den Demonstrierenden auseinander. Sie überwachen ihrerseits die Überwachungsmaßnahmen. Mobley lädt Beispiele für die Taktik der Abtreibungsgegner auf TikTok hoch. Ihr Account ist einer von mehreren, die das Ausmaß der täglichen Proteste dort dokumentieren.

"Sie haben immer eine GoPro oder eine ähnlich aussehende Körperkamera dabei, wenn sie draußen sind", sagt Mobley über die Protestierenden. Wenn sie diese darauf anspricht, sagen die Demonstrierenden, sie würden zu ihrem eigenen Schutz filmen. Manchmal, so Mobley, richten die Aktivisten ein öffentliches WiFi-Netz mit der Bezeichnung "Abtreibungsinfo" ein: Loggen sich Patienten dort ein, in dem Glauben, es gehöre zu der Klinik, führt die eingerichtete Seite aber zu Anti-Abtreibungsmaterial.

Den Klinikverteidigern zufolge, mit denen MIT Technology Review gesprochen hat, haben die Abtreibungsgegner die Daten in letzter Zeit nicht genutzt dafür, um Patienten aufzuspüren und zu belästigen. Allerdings tun sie genau das historisch schon seit Langem. Fällt die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu "Roe vs. Wade" wie erwartet aus, wird der Zugang zu legalen Schwangerschaftsabbrüchen von den Gesetzen der einzelnen Bundesstaaten abhängen.

In 13 Staaten gibt es so genannte "Trigger-Gesetze", die Schwangerschaftsabbrüche verbieten würden, sollte das Urteil "Roe vs. Wade" gekippt werden. Für die Bewohner von Staaten, die Abtreibung verbieten, könnte es diese Art der Überwachung gefährlich machen, die Staatsgrenzen zu überqueren, um eine Behandlung in einem anderen Bundesstaat in Anspruch zu nehmen. "Die größte Befürchtung ist, dass es Staaten geben wird, die nicht nur die Abtreibung in kurzer Zeit verbieten, sondern auch schwangere Frauen kriminalisieren, die Abtreibungsdienste außerhalb des Staates in Anspruch nehmen", sagt Nathan Wessler, der stellvertretende Projektleiter des "Speech, Privacy and Technology Project" bei der American Civil Liberties Union (ACLU).

Zwar könnten einige Bundesstaaten, die Abtreibungsdienste schützen, für andere Bundesstaaten die Möglichkeiten einer außerstaatlichen Strafverfolgung direkt einschränken, merkt er an, aber das "bedeutet nicht, dass es keine Abtreibungsgegner gibt, die Informationen [außerhalb von Kliniken] aufzeichnen und sie dann an aggressive Staatsanwälte in Staaten mit Abtreibungsverbot weiterleiten."

Es gibt Anzeichen dafür, dass Abtreibungsgegner die legalen Abtreibungsaktivitäten bereits genau verfolgen. Schon 2014 tauchte zum Beispiel eine Aufzeichnung einer Schulung für texanische Abtreibungsgegner auf, die von Karen Garnett vom Catholic Pro-Life Committee of North Texas geleitet wurde. Darin erklärte Garnett, wie Nummernschilder verfolgt werden, um sowohl die Kunden einer Klinik als auch deren Ärzte zu überwachen.

"Man verfolgt die Nummernschilder ... die in jegliche Abtreibungseinrichtung kommen. Wir haben eine sehr ausgeklügelte Kalkulationstabelle. Auf diese Weise kann man nachverfolgen, ob eine Klientin zurückkommt oder nicht", sagte sie in dem Video.

Obwohl in den damaligen Zeitungsberichten diese Verfolgung als neue Taktik dargestellt wurde, gibt es sie schon seit Jahrzehnten. Ein Artikel der Buffalo News von 1993 erwähnt mehrere Berichte von Klinikmitarbeitern und Klientinnen über belästigenden Anrufe von Abtreibungsgegnern, die offenbar auf die Überwachung von Autokennzeichen zurückzuführen sind.