"Star Trek: Strange New Worlds": Niemand will singende Klingonen

Man kann eine Star-Trek-Musical-Folge machen. Ob man das machen sollte, ist eine andere Frage. Eine Rezension der 2. Staffel von Star Trek: Strange New Worlds.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 507 Kommentare lesen
Tanzende Schauspieler auf der Brücke der Enterprise

Die zweite Staffel von "Strange New Worlds" setzte einige Ideen um, welche die Produzenten wohl besser gleich vergessen hätten.

(Bild: CBS / Paramount+)

Lesezeit: 14 Min.
Von
  • Fabian A. Scherschel
Inhaltsverzeichnis

"Star Trek: Strange New Worlds" ist die neueste Star-Trek-Serie; sie ist mit dem Auftrag angetreten, die durch "Star Trek: Discovery" und "Star Trek: Picard" vergraulten Trekkies wieder an Bord zu holen. Die zweite Staffel ist gerade zu Ende gelaufen – Zeit für ein Resümee. Konnte diese Serie, die anfangs nicht wirklich wusste, wo sie zwischen dem Magie-Trek von Discovery und den verstaubten Pappmache-Planeten der Originalserie steht, ihre Nische in den Herzen der Trek-Fans finden?

Achtung: Die folgende Rezension enthält Spoiler für die ersten zwei Staffeln von Strange New Worlds.

Dass eine Star-Trek-Serie mit ihrer ersten Staffel strauchelt, ist nichts Neues. Die erste Staffel von "The Next Generation" wirkt manchmal ein bisschen wie eine Aufführung eines Laientheaters, und "Deep Space Nine" wurde auch erst richtig gut, als Sisko sich die Haare abrasierte. Strange New Worlds hat aber ein viel tiefgreifenderes Problem als eine Serie, die sich erst ein bisschen selbst finden muss. Denn diese Serie kann sich nicht selbst finden, da es da nichts zu finden gibt. Strange New Worlds ist ein leeres, seelenloses, albernes Etwas. Hätten die Produzenten Kurtzman und Goldsman statt der Comic-Serie "Lower Decks" mit den Schauspielern von Strange New Worlds einfach eine richtige Serie gemacht, die kurz nach dem Kinofilm "Star Trek: Nemesis" spielt, oder vielleicht noch weiter in der Zukunft, dann wäre alles gut gewesen. Das hätte eine wirklich gute Serie werden können.

Strange New Worlds hat alle Voraussetzungen dafür: Die Spezialeffekte und Kulissen sind atemberaubend, die Schauspieler sind durchweg solide, einige (vor allem Anson Mount, Rebecca Romijn und Jess Bush) sind großartig. Auch die meisten Geschichten, welche die Serie erzählt, sind solide Trek-Drehbücher. Aber Kurtzman, Goldsman und Konsorten torpedieren das alles gleich mit mehreren Salven Quanten-Torpedos, weil sie unbedingt eine Prequel-Serie zu den Abenteuern von Kirk und Spock machen wollten. Den normalen Kurtzman-Bullshit mit magischen Zeitkristallen und Drehbuchschreibern, die weder naturwissenschaftliches Grundwissen noch ein Verständnis für das allgemeine Verhalten von Marineoffizieren an den Tag legen, könnte man noch verschmerzen, aber die dumme Idee, das alles zur Zeit von Kirk und Spock spielen zu lassen, bricht der Serie das Genick.

Das Grundproblem ist folgendes: Wie viele ihrer Kollegen in Hollywood haben die Produzenten von SNW nicht das Rückgrat, Star Trek hart zu rebooten. So wie ihr TNG-Kollege Ronald D. Moore das damals mit seiner Neuauflage von "Battlestar Galactica" höchst erfolgreich gemacht hat. Für CBS und Paramount ist dieses Konzept im Kino vor ein paar Jahren mit den drei neuen Star-Trek-Filmen grandios gefloppt – vor allem in den Augen der eigentlichen Star-Trek-Fans. Deswegen macht man jetzt das, was Hollywood jetzt so macht: Einen Soft-Reboot. Man erzählt die gleichen Geschichten noch einmal und wechselt die Schauspieler aus, ohne sich richtig festzulegen, ob das Ganze jetzt wirklich eine Neuerzählung oder etwas Anderes ist (hier Quanten-Zeitstrang-Bullshit-Erklärung einfügen).

Warum macht Hollywood so etwas, wenn das Ergebnis doch fast immer schlechte Geschichten mit riesigen Plot-Löchern sind, die sich durch ihr selbst-auferlegtes Festhalten an jahrzehntealten Handlungssträngen in diesen verwickeln, bis der Geschichte die Luft wegbleibt? Ganz einfach: Weil man die alten Helden braucht, damit überhaupt wer diesen neuen Mist guckt. Im Gegensatz zu Ronald D. Moores Battlestar Galactica haben diese Serien nämlich nicht genug Eigenkraft, um für sich alleine zu wirken.

Man kann es vom neuen Indiana-Jones-Film über mehrere Star-Wars-Serien bis hin zu Star Trek: Discovery und Strange New Worlds sehr deutlich sehen: Ohne wenigstens die Namen der alten Helden funktioniert es nicht. Niemand interessiert sich für Helena Shaw, Fennec Shand oder La'an Noonien-Singh, wenn daneben kein Henry Jones, Boba Fett oder James Tiberius Kirk steht. Die meisten Zuschauer haben die neuen Figuren zehn Minuten nach dem Abschalten des Fernsehers wieder vergessen.

Grundsätzlich finde ich es eine gute Idee, mal eine Star-Trek-Serie zu machen, wo auf der Brücke fast nur Frauen sitzen und die Männer nichts zu sagen haben. Aber so eine Serie muss ohne die Namen (und Figuren) der legendären alten, weißen Männer wie Pike, Spock und Kirk funktionieren. Mal ganz abgesehen davon, dass die Idee, das auf der Enterprise-Brücke zwischen "The Cage" und der Original-Serie zu machen, völlig irrsinnig ist. Bei Pike rettet Uhura in jeder dritten Folge das Schiff und bei Kirk hat sie dann jahrelang nichts zu tun, als Funksprüche weiterzuleiten und auf Außenmissionen gerettet zu werden? Ich bitte euch, das ist doch albern. Genauso albern wie die Idee, dass Kirk sich bei einer heiklen Außenmission einem weiblichen Sicherheitsoffizier unterordnen würde. Völlig egal, in welchen Paralleluniversum das spielt, Kirk ist Kirk!

Diese Ungereimtheiten ziehen sich durch die gesamte Serie, in der zweiten Staffel von Strange New Worlds werden sie aber eher schlimmer, als besser. Man könnte sagen, dass SNW einen schmalen Grat zwischen moderner Science-Fiction und der Hommage an die Abenteuer der Original-Crew aus den '60ern beschreitet, aber das wäre gelogen. Die Drehbuchschreiber und Produzenten stolpern in fast jeder Folge betrunken vom Grat in den Abgrund. Spock verhält sich nicht wie Spock, Nurse Chapel war auf einmal im Krieg, Pike lässt sich von Fähnrichen erklären, wie er seinen Job zu machen hat, und überhaupt wissen diese Drehbuchschreiber viel zu wenig über Star Trek. Oder Wissenschaft. Oder darüber, was ein Befehlsweg in einer militärischen Organisation ist.

Noch mal für Kurtzman und Goldsman zum Mitschreiben: Die Sternenflotte ist eine militärische Organisation. Das sagt schon der Name, da ist schließlich von einer Flotte die Rede. Hier dienen Offiziere, die Uniformen anhaben, Ränge besitzen und Waffen tragen. Wenn man in der Sternenflotte Befehle verweigert, kommt man vors Militärgericht. Im Zweifel wird man dann weggesperrt. Das scheint in der Sternenflotte von Strange New Worlds aber niemanden zu interessieren. Alle, vom einfachen Fähnrich bis zum Captain ignorieren Befehle, die ihnen nicht passen, nach Belieben. Der Schiffsarzt ermordet (!) einen Föderationsbotschafter, und er und seine direkte Untergebene lügen daraufhin ihren Captain an, ohne dass das Konsequenzen hat oder die Figuren auf Grund dieses unehrenhaften und unethischen Verhaltens auch nur den Hauch eines schlechten Gewissens haben.

Früher gab es ganze Folgen in Star-Trek-Serien, die sich darum drehten, dass der Doktor sich weigert, biologische Kampfmittel herzustellen. Doc M'Benga hat nicht nur eine Kampfdroge erfunden und benutzt sie auch gerne, er war in einem früheren Leben sogar Elite-Soldat und geübter Dolch-Mörder. Nein, ich denke mir diesen Mist nicht aus. Das sind alles Plot-Punkte aus der zweiten SNW-Staffel.

Die alten Star-Trek-Serien hatten Techno-Babble. Das war ein Ergebnis des Versuchs, mit dem zum Zeitpunkt der Dreharbeiten erlangten wissenschaftlichen Kenntnisstand möglichst realistisch die Naturwissenschaft der Zukunft vorauszusagen. Das ging auch schon mal daneben, der bei Star Trek beliebte Blödsinn mit den "genetischen Erinnerungen" ist ein gutes Beispiel. Aber man hat es immerhin versucht. Den SNW-Machern sind wissenschaftliche Erkenntnisse völlig egal. Begriffe wie "Gravitation", "Quanten-" oder "Wahrscheinlichkeit" werden hier nur verwendet, um über abwegige Wendungen in den Drehbüchern hinweg zu täuschen. Warum passiert das jetzt? Ach, irgendwas mit Subraum-Quanten-Dilizium-Photonen. Passt schon. So schreibt man heute Drehbücher. Vergangen sind die Zeiten, als man aus Star-Trek-Folgen noch lernen konnte, was eine Möbius-Band ist (TNG: "Time Squared") oder welche Gefahren es birgt, wenn eine Gesellschaft durch künstliche Intelligenz regiert wird (TOS: "A Taste of Armageddon"). Dass will doch heute keiner mehr! Viel zu kompliziert. Hauptsache, eine Frau hat das Sagen und genug Dinge explodieren!