Breitband: Experten sehen EU schlecht aufgestellt für Führungsrolle bei 6G

Seite 2: Hapernder Breitband-Ausbau im Festnetz

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Ein Viertel der Teilnehmer erachtet die europäischen Ziele für die Festnetzanbindung mit Gigabit-Anschlüssen für alle Haushalte bis 2030 angesichts der verfügbaren Glasfasertechnologie für nicht ehrgeizig genug. Sogar 38 Prozent halten zudem die europäischen Mobilfunkziele für 2030 für teilweise oder völlig unangemessen. Sie sind der Ansicht, dass die EU sich auf klare 6G-Vorgaben konzentrieren sollte, anstatt nur bei 5G aufzuholen.

Mit dem Corona-Aufbauprogramm Next Generation EU sollen mindestens 20 Prozent des 723 Milliarden Euro schweren EU-Konjunkturpakets in die Digitalisierung fließen. Rita Wezenbeek, Konnektivitätschefin bei der Generaldirektion Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien der Kommission sprach von einer "beispiellosen" Summe. Laut den von den Mitgliedsstaaten vorgelegten nationalen Plänen gingen sogar 27 Prozent in den Digitalbereich. Italien habe beschlossen, 50 Prozent des Digitalbudgets für den Breitbandausbau auszugeben.

Die derzeit verfügbaren öffentlichen Mittel könnten zu den dringend erforderlichen Investitionen in Netze beitragen und Finanzierungslücken decken, sind sich die Experten einig. Die Gelder helfen auch, den Mittelfluss auf der Nachfrageseite in Bereichen wie industrielle Anwendungen, Energie, Gesundheitswesen, vernetzte Mobilität und öffentliche Sicherheit zu erleichtern. Die staatliche Finanzspritze werde jedoch nicht reichen, um die gesamte Investitionslandschaft in Europa zu verändern.

Laut den Sachverständigen sollte die EU die Telekommunikationsregulierung mit einem neuen Konnektivitätsgesetz radikal überarbeiten, um eine größere europäische Harmonisierung zu erreichen. Der einschlägige Kodex habe wenig dazu beigetragen, zumal 18 Staaten ihn noch nicht einmal national umgesetzt hätten. Die Regulierer dürften ferner nicht nur auf niedrige Verbraucherpreise setzen, sondern stärker auf die Dienstqualität, eine flächendeckende Versorgung, effiziente Frequenznutzung und Innovationskraft achten. Die öffentlichen Fördermittel müssten als Katalysator für private Investitionen wirken.

Die Kommission habe Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, um die säumigen Länder anzutreiben, betonte Wezenbeeck. Aktuell ergebe ein neuer Regulierungsrahmen daher keinen Sinn, auch wenn künftig vermutlich Nichtdiskriminierungsvorgaben wichtiger würden als festgesetzte Preise. Hochleistungsrechner, Quantencomputer, elektronische Identitäten und die Verwaltungsdigitalisierung vergrößerten zugleich die Nachfrage nach hohen Bandbreiten. Die Brüsseler Regierungsinstitution sei auch dafür, die Frequenzvergabe stärker zu harmonisieren. Im Kern sei das Funkspektrum aber Ländersache.

Wie der Netzausbau funktionieren könnte, erläuterte Radaelli aus italienischer Sicht. Die dortige Regierung wolle Gigabit für alle bis 2026 erreichen und stelle dafür 6 bis 7 Milliarden Euro zur Verfügung. Für einkommensschwache Haushalte und den Mittelstand gebe es Gigabit-Gutscheine. Finnland habe derweil eine 100-köpfige Expertengruppe für Breitband eingerichtet, machte der dortige Kommunikationsstaatsekretär Kari Anttila als einen Grund dafür aus, wieso das skandinavische Land zum "5G-Trendsetter" avanciert sei. Die Gruppe habe Richtlinien etwa für das Teilen von Infrastrukturen, Kooperationen und zur Kostenreduktion beim Leitungslegen aufgestellt.

(olb)