Chatkontrolle-Verfechter Thorn: Geldmaschine statt "Wohltätigkeitsorganisation"

Die von Ashton Kutcher gegründete Stiftung Thorn gilt als Triebkraft hinter dem EU-Plan zur Chatkontrolle. Dabei geht es auch um millionenschwere Geschäfte.

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Hand an Smartphone mit WhatsApp offen

(Bild: Yohanes Herman Nggebu/Shutterstock.com)

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Es gibt wachsende Zweifel an der Redlichkeit der US-Stiftung Thorn, die als treibende Lobbykraft hinter dem umkämpften Entwurf der EU-Kommission für eine Verordnung zur Online-Überwachung unter dem Aufhänger des Kampfs gegen sexuellen Kindesmissbrauch gilt. Die vom Hollywood-Star Ashton Kutcher mitgegründete Organisation hat laut einem Bericht des Portals Follow the Money (FTM) Lobbytreffen mit der EU-Kommission und dem Europäischen Parlament genutzt, um die Einführung ihrer Produkte in Europa voranzutreiben und dabei die Grenzen zwischen öffentlichen und privaten Interessen zu verwischen. Finanzdokumente zeigten, dass Thorn etwa aufgrund riskanter Investitionen in eine Wagniskapitalfirma sowie fürstlich gezahlter Gehälter eher wie ein Tech-Unternehmen als eine gemeinnützige Einrichtung auftrete.

Kutcher und seine damalige Frau und Schauspielkollegin Demi Moore gründeten die Organisation 2009 unter dem Namen DNA Foundation. Im Laufe der Jahre wandelte sich Thorn von einem Akteur zur Unterstützung anderer Kinderschutzinstitutionen zu einem Entwickler von Instrumenten zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI). 2018 brachte die Stiftung das Flaggschiff-Produkt Safer über ihren gleichnamigen kommerziellen Ableger heraus. Das Programm basiert auf Microsofts Technologie PhotoDNA, die dazu gemacht ist, Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs durch einen Abgleich mit Hash-Werten von Bildern und Videos in Datenbanken bekannter einschlägiger Aufnahmen zu erkennen.

Bereits bekannt war, dass sich Kutcher wiederholt für das Durchsuchen privater Nachrichten in Brüssel starkmachte und bei Innenkommissarin Ylva Johansson sowie Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) auf offene Ohren stieß. Die Brüsseler Regierungsinstitution stützte sich etwa beim Verweis auf die angeblich äußerst niedrige Fehlerquote von Scannern auf völlig unbelegte Angaben von Safer. Über drei Jahre hinweg sei es zu mindestens einem Dutzend Treffen zwischen Vertretern von Thorn und der Kommission gekommen, schreibt FTM nun. Dabei habe die im EU-Lobbyregister als "Wohltätigkeitsorganisation" eingetragene Stiftung ihre eigene Software wiederholt angepriesen. Die Kommission wiederum bezeichnete Thorn als "Partner" und dankte für die "enge Kooperation". Gemeinsam habe man schon viel erreicht.

Die Finanzberichte:Finanzberichte von Thorn|_blank weisen für 2021 einen Umsatz von 19 Millionen US-Dollar sowie vergleichsweise hohe Ausgaben für Imagewerbung unter anderem auf TikTok und für Beratung aus. Eine Sprecherin erklärte gegenüber FTM, Kutcher habe persönlich Millionen eingebracht. Dazu kämen Spenden von anderen gemeinnützigen Einrichtungen. Doch auch Thorns Einnahmen aus dem Vertrieb von Software-Abonnements beliefen sich 2021 auf 3,8 Millionen Dollar, mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr. Diese Summe könnte noch deutlich weiter ansteigen, wenn sich Safer als Standardprogramm zum Scannen von WhatsApp & Co. aufgrund der geplanten Verordnung zur Chatkontrolle durchsetzen würde.

In den Unterlagen taucht dem Bericht zufolge auch eine Investition von Thorn im Wert von 930.000 US-Dollar in die Risikokapitalgesellschaft A-Grade auf, zu deren Miteigentümern Kutcher gehört. Diese halte Anteile an KI-Unternehmen, einem Neurotechnologie-Startup sowie Kryptowährungsfirmen. Solche gewagten Beteiligungen sind Beobachtern zufolge untypisch für Stiftungen. Kutcher habe A-Grade-Anteile an Thorn gegeben, heißt es dort. Der Hollywood-Schauspieler sah sich Mitte September zwar gezwungen, aus dem Vorstand der Stiftung auszuscheiden: er war seinem Kollegen Danny Masterson mehrfach öffentlich und vor Gericht zur Seite gestanden, bevor dieser nun in zwei Fällen wegen Vergewaltigung verurteilt wurde. Thorn habe sich aber bereits eine starke Stellung in Europa geschaffen, meint FTM. Die Einrichtung werde die Debatte über die Chatkontrolle so vermutlich auch ohne ihren Frontmann weiter massiv beeinflussen.

(emw)