Vorstellung Elektroauto Polestar 4: Im Rückblick ohne Aussicht

Der Polestar 4 ist eine elektrische Sportlimousine ohne Heckscheibe. Zumindest spontan stört das kaum. Die Einrichtung ist kühl, aber hochwertig.

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Polestar 4

Der Polestar 4 soll ab August ausgeliefert werden.

(Bild: Christoph M. Schwarzer)

Lesezeit: 5 Min.
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  • Christoph M. Schwarzer
Inhaltsverzeichnis

Polestar folgt der Zahlenlogik und hat nach 1, 2 und 3 die 4 vorgestellt: Der Polestar 4 ist ab sofort bestellbar und soll ab August ausgeliefert werden. Ein elegantes viertüriges Elektroauto mit 94 kWh nutzbarem Energiegehalt in der Traktionsbatterie, mit einem Radar, zwölf Ultraschallsensoren und zwölf Kameras. Letztere werden unter anderem für den automatischen Spurwechsel auf der Autobahn gebraucht und auch, weil der Polestar 4 keine Heckscheibe hat. Die Preise: ab 61.900 Euro für die Version Single Motor mit Heckantrieb und ab 69.900 Euro für den Dual Motor mit Allradantrieb.

"Wir sehen den Polestar 4 als direkten Konkurrenten zum Porsche Macan", sagt Henrik Svensson, der bei Polestar für alle Bereiche des Fahrzeugprogramms verantwortlich ist. Eine 4,84 Meter und 1,54 Meter hohe Sportlimousine mit rahmenlosen Scheiben soll im Wettbewerb mit einem SUV stehen? Formal mag das nicht genau passen, aus Kundensicht dagegen ist die Parallele klar: Wenn es im D-Segment und Ästhetik, Image und Dynamik geht, bieten sich beide Elektroautos in einer ähnlichen Preisregion an. Ein weiterer Konkurrent ist der BMW i4.

Trotzdem ist der Polestar 4 auf eine gewisse Art und Weise ein Solitär, und das liegt an der seltsamen Kombination aus nicht vorhandener Heckscheibe einerseits bei zugleich großer Kofferraumklappe andererseits. Hinten ist das Raumgefühl nicht etwa beengt, sondern im Gegenteil besonders großzügig. Das liegt am üppigen Beinraum und dem weit nach hinten gezogenen Panoramadach, das sich leider nicht öffnen lässt. Wer im Fond sitzt, braucht keine Sicht nach hinten. Auf dem Fahrersitz wiederum ist der Unterschied geringer als vermutet: Es gibt einfach zu viele Autos, bei denen der Blick nach hinten durch Kopfstützen auf einen winzigen Scheibenrest fällt. Probieren Sie das mal in einem Porsche Taycan, MG4 oder einem gebrauchten Toyota Prius aus.

Wie gut der digitale Rückspiegel im Polestar 4 funktioniert, wird ein Praxistest zeigen. Das Pro-Argument ist, dass theoretisch mehr zu sehen ist als mit einem konventionellen Innenspiegel. Der Rest der Bedienlogik ist markentypisch Android Automotive. Die Funktionen im Zentraldisplay des Prototyps arbeiten schnell und sind sofort nachvollziehbar. Die Verarbeitung und Materialauswahl im Vorserienfahrzeug waren bereits sehr hochwertig, wobei die Anmutung im konkreten Fall – metallic-weiße Lackierung, graublaue Sitze und Gurte im Farbton Schwedengold – skandinavische Sachlichkeit ausstrahlt. Das Interieur ist das Gegenteil des fahrenden englischen Landhauses mit Wurzelholz und fein abgestuften Brauntönen bei Stoff und Teppich.

Polestar 4 Innenraum (9 Bilder)

Zwei Displays plus Head-up sind mehr als genug. Trotzdem wirkt alles übersichtlich, und sowohl der Blinker als auch die Fahrstufen werden über Lenkstockhebel betätigt. (Bild: Christoph M. Schwarzer)

Wir konnten noch keine Proberunde drehen. Polestar hat aber die technischen Daten veröffentlicht: Die 94 kWh netto (100 kWh brutto) fassende Traktionsbatterie liefert den Strom entweder nur an den hinteren permanenterregten Synchronmotor mit 200 kW Leistung oder zusätzlich an einen vorderen Elektromotor in der gleichen Bauweise mit einer Systemleistung von 400 kW. Die Spitzengeschwindigkeit ist auf 200 km/h limitiert. Weitere technische Daten haben wir für Sie im Datenblatt auf der nächsten Seite zusammengefasst.

Zulieferer der Batteriezellen mit NMC-Kathode ist Weltmarktführer CATL. Die Spannungsebene liegt bei 400 Volt. Für den Ladehub von zehn auf 80 Prozent verspricht Polestar eine Zeit von 30 Minuten, und die maximale Ladeleistung liegt bei 200 kW. Hier sind die Erwartungen an den Porsche Macan mit 800 Volt Spannungsebene höher oder bzw. kürzer. Was der Zeitwert im Polestar 4 in der Praxis bedeutet, hängt auch vom realen Stromverbrauch ab. Auf dem Papier sind es 17,7 kWh/100 km für den Single Motor mit 20-Zoll-Felgen und 21 kWh/100 km für den voll ausgestatteten Dual Motor.

Polestar 4 außen (4 Bilder)

Der Polestar 4 ist 4,84 Meter lang, 1,54 Meter hoch und mit Außenspiegeln 2,14 Meter breit. (Bild: Christoph M. Schwarzer)

Für die Praxis relevant sind auch die praktischen Fähigkeiten. Der variable hintere Kofferraum fasst bis zu 526 Liter, hat einen in der Höhe verstellbaren Ladeboden und hinter der Hinterachse eine Mulde, wie sie auch bei Tesla zu finden ist. Vorne gibt es einen kleinen Frunk mit 15 Liter Volumen. Die Anhängerkupplung zieht 1,5 (Single Motor) bzw. zwei Tonnen (Dual Motor) bei 100 kg Stützlast, und weitere 75 kg können aufs Dach gepackt werden. Skandinavier reisen schließlich gerne mit Box.

Der Polestar 4 ist eine interessante Alternative im D-Segment. Er wird jene Käufer ansprechen, denen ein BMW i4 zu profan und ein Porsche Macan zu inflationär ist. Die fehlende Heckscheibe ist eine Skurrilität, die im Alltag wahrscheinlich weniger skandalös ist, als es zunächst klingt. Was bleibt, ist ein ansprechendes Stück Schweden aus chinesischer Produktion mit verlässlicher Google-Software.