Fahrbericht Moto Guzzi Stelvio: Aufgeschlossen​ zur Reiseenduro-Konkurrenz

Seite 2: Fahrbericht Moto Guzzi Stelvio

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Ihre Schräglagenfreiheit ist beachtlich, nur ganz selten kratzen die Fußrasten, deren Angstnippel Moto Guzzi für die Ausfahrt entfernt hat, über den Asphalt. Allerdings sitze ich durch den langen Tank ziemlich weit vom Lenker weg und kann daher nicht nach vorn rutschen, um in Kurven Druck auf das Vorderrad zu bringen. Nachdem ich mich an die Eigenart gewöhnt habet, kann ich die Stelvio sehr flott durch das Kurvengeschlängel führen. Anti-Hopping-Kupplung und Quickshifters lassen dabei die Gänge flott runterschalten. Den elektrisch um 70 mm verstellbaren Windschild habe ich ganz runtersurren lassen, um störungsfreie Sicht auf die Straße zu haben. Der bessere Windschutz in der höchsten Position macht sich ohnehin erst ab Autobahnrichtgeschwindigkeit bemerkbar.

Einflüsse des Kardanantriebs auf das Fahrwerk kann ich nicht feststellten, er verhält sich völlig unauffällig. Vorne arbeitet eine Upside-down-Gabel von Sachs auf 170 mm Federweg, die sich in der Vorspannung und Zugstufe einstellen lässt. Hinten wählte Moto Guzzi ein direkt angelenktes Federbein von KYB, ebenfalls mit 170 mm Federweg und in Zugstufe sowie Vorspannung einstellbar. Beide Federelemente sorgen für eine ruhige Fahrt, solange der Asphalt nicht zu holprig wird, denn die Grundabstimmung tendiert eher in Richtung straff. Trotzdem gibt das Fahrwerk keinen Anlass zur Klage und gewährt ordentlichen Komfort, kann aber auch sportlich überzeugen. Die beiden Brembo-Bremszangen am Vorderrad verzögern jederzeit nachdrücklich, aber nie übertrieben bissig, die hintere Bremse unterstützt dabei unauffällig. Die Stelvio verfügt über Kurven-ABS, das sich als sehr feinfühlig erweist.

Fahrbericht Moto Guzzi Stelvio (8 Bilder)

Mit der Stelvio präsentiert Moto Guzzi nicht nur eine optisch gelungene Reiseenduro, sondern liegt auch auf Höhe der etablierten Konkurrenz.
(Bild: Moto Guzzi )

Beim Abbiegen auf die Schotterpiste schalte ich den Enduro-Modus ein und die Schlupfregelung aus. Leider deaktiviert der Modus nur das ABS am Hinterrad, am Vorderrad bleibt es aktiv. Auf der Piste schlägt sich die Stelvio wacker, nimmt sicher die Kurven auf dem losen Untergrund und lässt sich zu dezenten Drifts überreden. Die Michelin-Anakee-Adventure-Reifen bieten auf Schotter besseren Vortrieb als vermutet. Sich hinzustellen klappt dank der ohnehin sehr aufrechten Sitzposition ganz locker und die Körperhaltung im Stehendfahren bleibt entspannt. Der vorne sehr breite Tank läuft nach hinten in eine schmale Taille aus, was die Beine nicht zu sehr spreizt und einen akzeptablen Knieschluss zulässt.

Wieder auf dem Asphalt leuchtet gelegentlich der Abstandswarner auf. Mein Testmotorrad ist mit dem aufpreispflichtigen "PFF Rider Assistance Solution" ausgestattet. Dank Radar vorn und hinten und warnt es den Fahrer vor zu knappem Abstand zum Vorausfahrenden sowie Fahrzeugen im toten Winkel. Bei Unterschreiten des Mindestabstands erscheint zunächst ein dezentes, gelbes Warn-Symbol am oberen Displayrand, bei viel zu knappem Abstand leuchtet mittig ein grell rotes Symbol auf und ein Warnton macht unmissverständlich auf das Fehlverhalten aufmerksam. Befindet sich ein Fahrzeug in einer Distanz von fünf Metern hinter mir, erscheint ein gelber Punkt im Rückspiegel und im Display. Möchte ich die Fahrspur wechseln, warnt mich der Spurwechselassistent, wenn sich ein Objekt innerhalb von 30 Meter hinter mir schnell nähert. Künftig soll auch ein adaptiver Abstandsregeltempomat angeboten werden.

Nach 220 km Fahrt meldet der Bordcomputer einen Verbrauch von 5,3 Liter, eine theoretische Reichweite von 396 km also, allerdings war die Route inklusive Schotterpiste nicht sonderlich repräsentativ. Moto Guzzi bietet eine Menge Zubehör für seine Reiseenduro an. Selbstverständlich sind Koffer (30 und 28 Liter Volumen) dabei und gleich zwei verschiedene Topcases, das größere mit sagenhaften 57 Liter Inhalt, in das zwei Helme passen. Des Weiteren gibt es unter anderem einen höheren Windschild, Heizgriffe, beheizte Sitze in höher, niedriger und Standardhöhe, Sturzbügel, Zylinderkopfschutz, Hauptständer, Zusatz-LED-Scheinwerfer und einen zusätzlichen USB-Anschluss unter dem Sitz.

Moto Guzzis elegante Reiseenduro kann im Test absolut überzeugen. Gegen Aufpreis gibt es sie auch mit Radar und Abstandwarner. Wir lehnen uns mal weit aus dem Fenster und behaupten, die Stelvio ist das beste Motorrad, das Moto Guzzi in seiner 103jährigen Geschichte je gebaut hat. Moto Guzzi ruft für die Stelvio in den Lackierungen "Giallo Savana" und "Nero Vulcano" 16.499 Euro auf, mit der "PFF Rider Assitance Solution" sind es 17.299 Euro. Dafür bekommt der Käufer eine elegante Reiseenduro mit gutem Komfort und durchaus sportlichem Talent. Für Moto-Guzzi-Fans, die gerne auf Tour gehen, steht die Wahl außer Frage, aber auch Fahrer, die bislang mit der Marke eher nicht geliebäugelt haben, sei eine Probefahrt empfohlen, denn mit der Stelvio hat Moto Guzzi zur Konkurrenz aufgeschlossen.