Honda XL 750 Transalp im Test: Alpentraumhaft

Seite 2: Reiseenduro-Test Honda XL 750 Transalp

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Hier drücken die maximalen 75 Nm bei 7250/min ordentlich an. Dabei sorgen ein zweifach einstellbares Bosch-ABS und eine fünffach regulierbare Schlupfregelung sogar auf Holperstrecken für Sicherheit. Auch die Bremse hat sich ein dickes Lob verdient, sie lässt sich präzise dosieren und die beiden Zweikolben-Bremszangen verzögern bei Bedarf die 310-mm-Bremsscheiben am Vorderrad heftig. Selbst die hintere Bremse – bei vielen Motorrädern wenig zupackend ausgelegt – zeigt deutliche Wirkung, was mir später im Gelände besonders gut gefällt.

Die Transalp steht vorne auf einem 21-Zoll-Rad, hinten sind es 18 Zoll – Dimensionen, die den Enduristen erfreuen, aber eigentlich nicht im Verdacht stehen, die Handlichkeit auf Asphalt zu fördern. Umso überraschender, dass sich die Honda auf der Straße nie störrisch benimmt oder nachdrücklich in Schräglage gezwungen werden müsste. So kann sie selbst Reiseenduros mit erheblich mehr Hubraum und Leistung folgen. Auf Alpenpässe mit vielen engen Kurven ohne nennenswerte Geraden dazwischen ist sie sogar schneller, weil sie einen Zentner weniger zu wuchten hat. Dabei hilft ein an unserer Testmaschine installierter Quickshifter (350 Euro Aufpreis), der Gangwechsel in beide Richtungen ohne Kupplungseinsatz ermöglicht. Auch mit optionalen Koffern gehört die Transalp zu den ganz flotten Kandidaten in den Bergen.

Tourenfahrer, die es eher ruhiger angehen lassen, können ebenfalls auf die Qualitäten der neuen Honda bauen. Selbst auf langen Etappen bietet sie Komfort, was auf die ergonomische Sitzhaltung zurückzuführen ist. Der Windschild ist zwar nicht einstellbar, dennoch schützt er erstaunlich gut, ich kann selbst bei Topspeed keine Verwirbelungen am Helm spüren. Großgewachsene können im Zubehör von Honda für 150 Euro einen höheren Windschild ordern und Kurzbeinige eine niedrigere Sitzbank für 180 Euro. Das Kofferset von Honda beinhaltet zwei Kunststoffkoffer mit 33 bzw. 26 Liter inklusive Trägersystem, Innentaschen, Aluminiumblenden mit Honda-Schriftzug und einem One-Key-System. Die Koffer lassen sich in Sekunden befestigen und wieder lösen, das Komplett-Set kostet allerdings 1490 Euro.

Honda XL 750 Transalp (8 Bilder)

Die XL 750 Transalp ist auf Anhieb als Enduro zu erkennen, aber ohne in einen martialischen Rallye-Stil abzudriften.
(Bild: Ingo Gach)

Doch eine Enduro muss sich auch im Gelände tapfer schlagen. Hierfür gibt Honda der Transalp vorne 200 mm und hinten 190 mm Federweg und bereift sie mit Metzeler Karoo Street. Seine Qualitäten und beeindruckenden Grip hat der Reifen bereits auf etlichen hundert Kilometern Asphalt unter Beweis gestellt, aber jetzt gilt es, einige Schotterstrecken zu bewältigen. Die Bedingungen sind zwar trocken, aber es handelt sich um kurvige Bergpfade, teilweise mit Gesteinsbrocken übersät und Querrillen gespickt. Ich verzichte darauf, die Gummieinsätze aus den gezackten Fußrasten zu pulen und entere die Schotterpiste.

Die Kombination Transalp und Metzeler Karoo Street kann auch hier überzeugen. Zunächst wähle ich den Modus "Gravel", bei dem das ABS erst spät eingreift und die Schlupfregelung viel zu tun hat. Solange der Boden festgestampft und griffig ist, funktioniert er gut, doch sobald der Untergrund loser wird, kommen die elektronischen Assistenzsysteme an ihre Grenzen. In manchen Situationen möchte ich das Hinterrad blockieren oder gezielt durchdrehen lassen.

Also, kurz anhalten, um den Modus "User" selbst zu konfigurieren. Die fünfstufige Schlupfregelung lässt sich auch ganz ausschalten, das ABS nur am Hinterrad. Die Performance der Transalp kann sich daraufhin sehen lassen, die Schotterpisten lassen sich flüssiger nehmen, auch steile Anstiege können sie nicht schrecken. Das Fahrwerk schluckt selbst derbe Schläge und gewährt eine präzise Linienführung. Allerdings lasse ich weiterhin Vorsicht walten, da die Honda zwar 210 mm Bodenfreiheit hat, aber keinen serienmäßigen Motorschutz besitzt und die beiden Krümmer bei Kontakt mit einem Felsen keine Chance hätten.

Zudem würde ein Sturz am tief platzierten Auspuff hässliche Spuren hinterlassen, von der Kunststoffverkleidung ganz zu schweigen. Hier lohnt sich die Investition von 430 Euro für den Motorschutz und 390 Euro für den Frontsturzbügel aus dem Honda-Zubehör. Wem das zu teuer ist: SW-Motech bietet bereits für die brandneue Transalp einen formschönen Motorschutz für 270 Euro und Sturzbügel für 230 Euro, die restlichen einschlägigen Zubehör-Firmen werden bestimmt bald nachziehen. Damit hat die Transalp das Kapitel "Offroad" im Rahmen ihrer Möglichkeiten gut gemeistert, Schotterstrecken nimmt sie souverän, härteres Gelände sollte jedoch gemieden werden.

Besonders beeindruckt hat mich die Sparsamkeit des Motors mit nur 4,1 Liter auf 100 km. Hier hilft, dass der sechste Gang lang ausgelegt ist und die Drehzahl deutlich senkt, deshalb wird die Höchstgeschwindigkeit von 195 km/h (Tachoanzeige 205 km/h) auch schon im ausgedrehten fünften Gang erreicht und im sechsten lediglich gehalten. Bei der theoretischen Reichweite von 414 km konnte ich pro Füllung eine Menge Pässe unter die Räder nehmen. Ein paar Honda typische Eigenheiten muss der Fahrer allerdings in Kauf nehmen, so leuchten die vorderen Blinker dauerhaft als eine Art Positionsleuchten und schon bei mittelmäßigen Bremsungen setzen die hinteren Blinker wild flackernd ein Notbremssignal und irritieren den rückwärtigen Verkehr. Das Motto "Safety first" gilt aber auch für die Lichtausbeute und so besitzen Scheinwerfer, Rücklicht und die Blinker der Transalp LED-Leuchten. Auch sollte man unbedingt in Erinnerung behalten, dass sich das im User-Modus ausgestellte ABS beim Neustart des Motors aus Sicherheitsgründen automatisch wieder einschaltet.

Die Serienausstattung der Transalp ist zwar nicht üppig, aber ordentlich, so besitzt sie – neben den bereits erwähnten elektronischen Assistenzsystemen – einen soliden Gepäckträger, USB-Anschluss, eine Wegfahrsperre, automatische Blinkerrückstellung und das Cockpit lässt sich per Bluetooth und App mit dem Smartphone verbinden sowie per Stimme steuern, ein entsprechendes Headset im Helm vorausgesetzt. So können Telefonate geführt, Musik gehört, der Eingang von Nachrichten angezeigt und – für Reisende am interessantesten – per Pfeilnavigation der Weg gewiesen werden. Ich persönlich hätte mir allerdings zur Grundausstattung noch Handprotektoren und Motorschutz gewünscht, beides beruhigt im Gelände ungemein.

Honda ruft für die XL 750 Transalp in den Lackierungen "Ballistic Black Metallic" oder "Matt Iridium Gray Metallic" 10.590 Euro auf, in der Dreifarben-Lackierung "Ross White" mit blauer Sitzbank und goldenen Felgen sind es 10.890 Euro, jeweils inklusive Überführungskosten. Damit schiebt sich die Transalp im Preis-Leistungs-Verhältnis bei den Reiseenduros weit nach vorne, die Konkurrenz kostet deutlich mehr.

Die Honda verfügt über einen hervorragenden Motor und ein gut funktionierendes Fahrwerk, zudem ist sie leicht geraten und von hoher Qualität. Die neue Transalp ist erst seit Mai im Handel und kann schon im ersten Monat 415 Neuzulassungen verzeichnen. Honda ist von seiner neue Reiseenduro in der gehobenen Mittelklasse überzeugt und hat für das erste Baujahr gleich 2000 Stück nach Deutschland geordert. Unsere Prognose: Die XL 750 Transalp hat das Zeug zum Bestseller. Auf der nächsten Alpentour werden wir sie sicher häufig sichten.